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Zeichen setzen

Dirim Su Derventli

Der 8. März ist der Internationale Weltfrauentag. Frauen auf der ganzen Welt sind an diesem Tag auf den Straßen und kämpfen, feiern aber auch gemeinsam für Gleichberechtigung und Solidarität. Wir haben mit Ceyda Tutan, Bundesvorsitzende des Bundesverbands der Migrantinnen in Deutschland über den Frauenkampftag und ihre Arbeit gesprochen.

Wie jedes Jahr am 8. März gehen weltweit Millionen Frauen auf die Straßen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Euer diesjähriges Motto „Zeichen setzen – gegen Rassismus und Sexismus – für Gleichberechtigung, Frieden und Solidarität“ wird sich auch auf den Straßen und auf Veranstaltungen wiederfinden. Was ist dieses Jahr alles geplant?

Die Mitglieder unserer Vereine werden bundesweit am Internationalen Weltfrauentag in verschiedenen Städten an den 8. März Demonstrationen mit ihren Forderungen teilnehmen. In manchen Städten haben sie die Demonstrationen mitorganisiert, da sie in Bündnissen gut vernetzt sind. Dort werden sie dann auch mit Redebeiträgen die Forderungen vom Bundesverband der Migrantinnen zum Ausdruck bringen.

Am 9. und 10. März werden in zahlreichen Städten Veranstaltungen unserer Migrantinnen-Vereine stattfinden, mit unterschiedlichen Programminhalten. Dazu gehören kulturelle und musikalische Beiträge, die zum Teil von den Frauengruppen selbst einstudiert wurden, aber auch geladene Künstler*innen und DJanes stehen mit auf dem Programm. Mit einem Kurzfilm, Redebeiträgen und Gesprächsrunden werden auch die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen thematisiert. Anschließend wird dann der Internationale Weltfrauentag gemeinsam gefeiert.

Mit dem Motto sprecht ihr auch Themen an, die auf dem ersten Blick vielleicht nicht mit typischen Forderungen für den 8. März in Verbindung gebracht werden. Warum ist Antirassismus und der Kampf für Frieden und Solidarität besonders für Frauen wichtig?

Die aktuellen politischen Entwicklungen verdeutlichen die weltweite Verschlechterung der Frauenrechte. Kriege, repressive Regime, autoritäre und rechtspopulistisch geführte Regierungen schränken unsere erkämpften und bestehenden Rechte immer mehr ein und greifen gezielt die Gleichstellung der Frau an.

Insbesondere aus Sicht der Migrant*innen und geflüchteten Frauen sind diese Themen immer auf unserer Tagesordnung. Denn die Frauen sind zunehmend mehr konfrontiert mit Rassismus und Sexismus. Nicht nur die Ablehnung der ethnischen und religiösen Herkunft, auch die sexualisierte Gewalt steigt an. Rechtspopulistische und rassistische Positionen im Parlament sind so stark wie nie. Migrant*innen und Geflüchtete werden zunehmend in den Fokus politischer Diskussionen gesetzt. Sie werden als „Schmarotzer“ betitelt und müssen als Sündenböcke für soziale Ungleichheiten im Land herhalten. Das gibt rechten Parteien, wie der AfD, den Aufwind zu hetzen und Rassismus zu schüren. Die eigentliche Ursache liegt allerdings in der seit Jahren betriebenen Spaltungspolitik der Bundesregierung, die den Nährboden dafür schuf. Wir kennen inzwischen alle das Parteiprogramm der AfD, die vergeblich versuchen sich ein emanzipatorisches Outfit zu verpassen, für die es aber in ihrer Wahrheit nur Frauen und Männer gibt, und die mit ihrer Transfeindlichkeit nicht hinterm Berg halten. In ihrem Parteiprogramm spricht die AfD von der „traditionellen“ Frau, der „Mutter, Vater, Kind“-Familie. Die AfD forciert ein reaktionäres Frauen- und Familienbild. Rechtsradikalismus, Rassismus, Antifeminismus sind untrennbar miteinander verbunden.

Krieg und Militarismus sind immer im Sinne der Regierungen, die ihre Macht dadurch erhalten wollen und der Konzerne, die sich dadurch bereichern. Krieg ist nie im Interesse der Werktätigen Bevölkerung, also auch nicht im Interesse der Frauen. Die Hälfte aller Geflüchteten weltweit sind Frauen und Mädchen. Frauen sind in bewaffneten Konflikten geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt – von sexualisierter Gewalt bis hin zum Mord. Es sind gerade Frauen und Kinder, die ihre Lebensgrundlage verlieren, die zur Flucht gezwungen werden und auch dort großen Gefahren ausgesetzt sind. Die Reformierungen des gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS) wird zu mehr Leid, mehr Pushbacks und mehr Gewalt an den EU-Außengrenzen führen, insbesondere für Frauen, Kinder und vulnerable Gruppen.

Eure internationale Solidarität bezieht sich auch auf Kämpfe, die Frauen in anderen Ländern führen. Wie äußert sich das beim Streik der Textilarbeiterinnen von Özak-Tekstil in der Türkei?

In vielen unserer Vereine haben die Frauen Solidaritätsbekundungen geäußert. Manche haben in kurze Videos ihre Botschaft gesendet, andere wiederum auf der Straße mit Plakaten und Transpis ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Wichtig hierbei ist, dass die Textilarbeiterinnen wissen, dass sie nicht alleine sind und wir ihren Kampf unterstützen und uns auch hier in Deutschland mit ihrem Kampf solidarisch zeigen. Dazu haben wir auch die Vernetzung mit Gewerkschaften aus Deutschland vorangetrieben und Solidaritätsbekundungen bewirkt. Özak Tekstil ist unter anderem Zulieferer von Levi’s.

Zurück nach Deutschland: Gewalt an Frauen ist nach wie vor ein großes Thema hierzulande. Dieses Jahr wurden bereits mindestens 20 Femizide verzeichnet. Wie muss ein nachhaltiger Kampf gegen Gewalt an Frauen aussehen?

Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen. Sie hat weltweit zugenommen und findet jeden Tag statt. Tradierte Rollenbilder, Geschlechterstereotype und Vergewaltigungsmythen bereiten den Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt in all ihren Ausprägungen: von Alltagssexismus bis hin zu Femiziden. Wenn wir uns also stark machen für Frauenrechte, uns einsetzen für Gleichberechtigung, für ein Leben mit guten Arbeitsbedingungen und einer guten Entlohnung, setzen wir uns auch ein für ein Leben ohne Gewalt. Denn die Ursachen der Gewalt liegen insbesondere auf struktureller Ebene und sind Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse in patriarchalen Gesellschaften.

Eure Forderungen für Gleichberechtigung gehen über den Internationalen Frauentag hinaus. Was sind weitere Herausforderungen, die euch begegnen?

Wir leben in Zeiten die geprägt sind von Kriegen, Rassismus und zunehmender Ungleichheit. Von den Kürzungen im Haushalt 2024 sind insbesondere wir Frauen betroffen. Während die Rüstungsausgaben steigen, wird im Sozialen, Bildungs- und Gesundheitsbereich gekürzt. Es fehlen jetzt schon 430.000 Kita-Plätze. Das heißt wieder werden die Frauen diese Lücken schließen, mehr in Teilzeit arbeiten und die Sorge-Arbeit übernehmen. Jede 5. Frau ist im Rentenalter von Armut bedroht. Die Höhe der eigenen Altersrente hängt von den Erwerbsjahren und dem Einkommen ab. Die Tatsache, dass es sich bei den Beschäftigungsbereichen der Frauen in der Regel um schlecht bezahlte und Teilzeitjobs handelt, wirkt sich auch heute noch negativ auf Frauen im Alter aus. Frauen verdienen weiterhin 18 Prozent weniger als Männer – Frauen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung noch weniger. Die Lebenserhaltungskosten steigen, während unsere Löhne stagnieren. Für viele ist die finanzielle Herausforderung kaum mehr zu bewältigen und dann droht im Rentenalter auch noch die Altersarmut.

Wir können nur gemeinsam diesen Ungerechtigkeiten entgegentreten. Wir wollen in einer Zukunft leben, mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen, wo jeder die gleichen Rechte hat. Dafür müssen wir uns zusammenschließen, in all unserer Vielfalt zusammenkommen und unsere Rechte einfordern, in unseren Städten, in unseren Betrieben, auf den Straßen.

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