In der laufenden Tarifrunde des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE) bereitet sich die Gewerkschaft ver.di zum Arbeitskampf vor. Für die mehr als eine Million Beschäftigten mit einem Frauenanteil von 80% fordert ver.di bessere, entlastende Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und die finanzielle Aufwertung. Die Tarifrunde umfasst über 56.000 Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und mehr als 30.000 Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, Sozial- und Behindertenhilfe. Nicht seit der Coronapandemie arbeiten die Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen am Limit. Die Personaldecke in den Einrichtungen ist zu dünn. Durchschnittlich fehlen drei Kolleginnen und Kollegen pro Einrichtung, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Der erste Verhandlungstag findet am 25. Februar statt. Das Zusammentreffen der SuE-Tarifrunde mit dem Internationalen Frauenkampftag haben lokale Frauengruppen und das Frauenstreik*bündnis bereits in ihre Vorbereitungen, Themenschwerpunkten und Aktionsplanungen aufgegriffen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass kämpferische, kreative Aktionen und ein „Streiktag“ am und um den 8. März herum stattfinden wird.
Miserable Arbeitsbedingungen haben System
Im Folgenden veröffentlichen wir den Text des Aktionsbündnisses 8. März, der einen praktischen Einblick in die Vorbereitungen der lokalen Frauengruppe in Stuttgart gibt, wie sie sich den Themen der Beschäftigten zuwendet und versucht, die Kämpfe von Frauen und Gewerkschaften zusammenzuführen. Der Artikel wurde uns mit solidarischer Unterstützung der Frauen im Aktionsbündnis und ver.di Stuttgart zur Verfügung gestellt:
Bei einer Befragung der Technischen Universität Darmstadt 2021 gaben mehr als 60 Prozent der Beschäftigten in der Behindertenhilfe an, in den vergangenen zwölf Monaten aufgrund von fehlendem Personal krank zur Arbeit gegangen zu sein. Nicht viel besser sieht es bei Fachkräften in Kindertagesstätten aus: Der ver.di-Kita-Personalcheck aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass viele pädagogische Fachkräfte Elterngespräche in ihrer Freizeit führen, da nur bei jeder zweiten Fachkraft Zeit für Tätigkeiten außerhalb der direkten Kinderbetreuung vorgesehen ist. Die Folge: Viele Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst denken darüber nach, ihren Job aufzugeben: Bei Kita-Fachkräften sind es rund 25 Prozent, in der Behindertenhilfe ist die Lage mit fast 50 Prozent noch dramatischer.
Frauen sind doppelt betroffen
Für feministische Gruppen und Frauenstreikbündnisse bundesweit steht fest: Schlechte Arbeitsbedingungen in sozialen und erzieherischen Berufen haben System. Erziehung, Pflege und Sorgearbeit wird vor allem von Frauen geleistet, ob im Job, zu Hause oder in der Nachbarschaft. Viel zu oft bleibt diese Arbeit ungesehen. Viel zu oft ist diese Arbeit unterbezahlt oder sogar unbezahlt. Viel zu oft bringt diese Arbeit Frauen an ihre Grenzen.
Nicht selten gefährden Frauen aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen ihre physische und psychische Gesundheit. Zudem: Im Alter sind sie einem besonders großen Armutsrisiko ausgesetzt. Die Belastung bekommen nicht nur die Beschäftigten selbst zu spüren, sondern auch alle anderen Frauen, die immer noch den größten Teil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit leisten. Sie springen ein, wenn die Kita aufgrund von Personalmangel früher schließt oder es keine Sozialarbeit an Schulen gibt.
Forderungen für die Tarifrunde
Am 17. Dezember 2021 hat die Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst die Forderungen für die Tarifrunde im Sozial und Erziehungsdienst beschlossen. Ziel ist die Verbesserung der belastenden Arbeitsbedingungen, beispielsweise durch mehr Vorbereitungszeit oder die Einführung von Entlastungstagen, sowie eine finanzielle Aufwertung der Arbeit. Und auch die feministischen Gruppen haben sich bereits bundesweit für die Tarifrunde in Position gebracht, so auch in Stuttgart. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass Erziehung und Sozialarbeit unverzichtbar für unsere Gesellschaft sind, und treten wir ein für eine solidarische Gesellschaft, in der nicht Profite, sondern gegenseitige Fürsorge und die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen.