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Freispruch im Gezi-Prozess soll durch „Justiz-Skandal“ aufgehoben werden

İhsan ÇARALAN

Der Gezi-Prozess endete mit Freisprüchen. Allerdings leitete der Staatsanwalt im Anschluss an die Verkündung der Freisprüche durch die Festnahme von Kavala einen „Justiz-Skandal“ ein. Kavala war seit 840 Tagen in Haft und wurde vor wenigen Tagen in dem so genannten Gezi-Prozess vor der 30. Großen Strafkammer zu Istanbul wie seine Mitangeklagten freigesprochen.

Der Festnahmebeschluss der Generalstaatsanwaltschaft wird mit den Ermittlungen wegen des Putschversuchs vom 15. Juli 2016 begründet. D.h. sie wirft Kavala vor, „an dem Versuch der Aufhebung der verfassungsmäßigen Ordnung“ beteiligt gewesen zu sein.

STAATSPRÄSIDENT: „FREISPRUCH IST EIN MANÖVER“

Dieses skandalöse Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft unterstützte Staatspräsident Erdoğan in einer Rede. Er bezeichnete die Freisprüche des Gerichts als „Manöver“ und den Gezi-Widerstand als „Terrorattacke“ und einen „weiteren Putschversuch“.

Die neuerliche Festnahme Kavalas durch die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft ist nicht nur gegen seine Person gerichtet, sondern der Ausdruck eines Versuchs, den gesamten Gezi-Widerstand auf die Anklagebank zu setzen. Die Regierung machte keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit über die Freisprüche. Sie ist nicht nur unzufrieden, sondern auch fest entschlossen, den Gezi-Widerstand zu verleumden und verurteilen zu lassen.

Nach Ansicht der AKP-Abgeordneten sind die Angeklagten nicht nachgewiesener Unschuld, sondern wegen fehlender Beweismittel freigesprochen worden. Er übte scharfe Kritik an den Freisprüchen und sagte: „Gezi war ein niederträchtiger Angriff wie die anderen Terroraktionen oder die gegen den Staat und die Nation gerichteten Aktivitäten der Gülenisten.“ Nach seiner Ansicht war der Gezi-Widerstand der Startschuss für den Anstieg der Inflation, der Arbeitslosigkeit, der Zinsen etc. Er machte Soros und ausländische Finanzkreise sowie Kavala als die treibende Kraft hinter Gezi: „Ich werde bis zum letzten Atemzug den Kampf gegen diese Kreise fortsetzen. D.h. die Staatsanwälte sollen nicht bei der erneuten Festnahme Kavalas halt machen und sich neuen Zielen widmen.

SELBST DIE POLITISIERTE JUSTIZ WIRD GEZI NICHT VERURTEILEN KÖNNEN

Die Anwälte Kavalas bezeichnen das Vorgehen gegen ihren Mandanten als einen „Justizskandal“. Im Jahre 2013 waren landesweit nach Polizeiangaben über 4,5 Mio. Menschen einen Monat lang auf die Straßen, um Freiheiten, Umweltschutz, Achtung ihres Lebensstils einzufordern. Der Gezi-Widerstand war die größte Massenaktion in der Geschichte des Landes.

Die AKP, die sich über allem sieht, empfand die Proteste als einen Schlag ins Gesicht. Als die Lügenkampagnen keine Früchte trugen, wurden Staatsanwälte eingeschaltet, um den Gezi-Widerstand mithilfe der parteipolitisch eingebundenen Justiz zu verurteilen. Auch die letzten Versuche werden nicht zum Ziel führen.

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