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Galeria Karstadt Kaufhof: Kampf um Arbeitsplätze und gegen Immobilienspekulation

Sidar Carman

Im laufenden Insolvenzverfahren bei Galeria Karstadt Kaufhof stehen nunmehr 47 Häuser vor der Schließung. Hinzu kommen weitere 16 Karstadt Sports Filialen. Rund 8000 Beschäftigte werden ihre Arbeit verlieren; ein Teil wird ab dem 1.November für sechs Monate in die Transfergesellschaft Rundstedt wechseln. Sie konnten sich zwischen ihr und einer Abfindung – gedeckelt auf max. 2,5 Bruttomonatsgehälter – entscheiden. So sieht es der Sozialtarifvertrag zwischen der Eigentümerin SIGNA und der Gewerkschaft ver.di vor. In diesen Tagen finden für die Kolleg*innen, die zu Rundstedt wechseln, sog. „Profiling“ statt. Dahinter verbirgt sich ein 1-2 tägiger Workshop, das dazu dienen soll „mit der neuen Situation umzugehen, eine Selbstanalyse durchzuführen und schlussendlich eine Bewerbungsmappe zu erstellen.“

Die Realität ist, dass Tausende Verkäufer, Kassierer, Lageristen und Servicekräfte nach durchschnittlich 20-30 Jahren Tätigkeit in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Viele von ihnen, die sich für den Wechsel in die Transfergesellschaft entschieden haben, tun das vorrangig nur aus einem existenziellen Grund: Die Kündigungsfrist, die durch die Insolvenz gekürzt wurde, um die Dauer der Maßnahme, eben um 6 Monate, zu verlängern. Die Hoffnung mit Ende 40 – Mitte 50 einen beruflichen Neustart zu bekommen, tendiert gegen Null. Die Kosmetik, die auf den Verlust der Arbeitsplätze, der kapitalistischen Entsorgung menschlicher Arbeitskraft, aufgetragen wird, ist für sie ein Hohn, mehr noch, eine Verspottung. In einer Betriebsversammlung erzählte tatsächlich ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit vor der versammelten Belegschaft einer Schließungsfiliale, welche tollen Vorzüge sie denn nun hätte, eine neue Arbeit zu finden, die endlich ihren Fähigkeiten entspricht. Am Ende des Vortrags klang es tatsächlich nach einer gewissen Dankbarkeit, dass mit der Vernichtung der Arbeitsplätze endlich das Glück vor der Nase fällt: Sich neu zu entdecken und bspw. von der Kasse sich zum Informatiker weiterzuentwickeln. Alles sei halb so schlimm.

Bei der SIGNA Tochter Karstadt Sports sind in NRW Fälle aufgetaucht, bei denen Beschäftigten aus Schließungshäusern eine neue Beschäftigung bei einer Leiharbeitsfirma angeboten wurde, die als Arbeitsort die Adresse eine Kaufhof-Filiale angibt. Dort sollen sie bei einer Concession-Firma als Leiharbeiter*innen eingesetzt werden. Sie sollen also neben den alten Kolleg*innen als Beschäftigte 2. Klasse tätig sein.

Das Beispiel Galeria Karstadt Kaufhof zeigt die Zustände in einer Branche auf, in der schon längst ein erbitterter Vernichtungswettbewerb herrscht. Neuartig ist, dass inmitten in diesen Verteilungs- und Eigentumskampf sich neuer Gegner (stärker) positioniert hat: Immobilieninvestoren, deren eigentliches Geschäft ist, mit rentablen Immobilien zu spekulieren; den Profit von Immobilienverwertung (u.a. durch gigantisch hohe Mieten) zu steigern. Darin liegt auch die Ursache für die Schließungen der Warenhäuser. SIGNA Eigentümer und wegen Korruption vorbestrafter René Benko geht es um den Kauf, Vermietung und Verkauf von Luxusimmobilien in Toplage. Für ihn gibt es nur einen Wert: die Immobilie. Es ist das System, durch Vermietung von Gebäuden an eigene (!) Kaufhäuser und andere Unternehmen Gewinne abzuschöpfen. Die SIGNA Holding profitiert nicht zuletzt auch von den Schließungen der Warenhäuser, indem er die Grundstücke wieder mit Profit verkaufen kann.

Wie SIGNA durch die Insolvenz weiterhin profitieren konnte, zeigen die Deals, die dort abgeschlossen wurden, wo die Kaufhäuser in „fremden“ Eigentum liegen. Vordergründig konnten Dutzende Arbeitsplätze für den Moment gerettet werden. Hintergründig füllte Benko seine Taschen, in dem er den öffentlichen Druck zur Rettung der Arbeitsplätze dazu instrumentalisierte, unliebsame Konkurrenten in die Knie zu zwingen, Mietminderung durchzusetzen und das eigene Immobiliengeschäft zu stärken.

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