Mit der offiziellen Hochstufung der AfD zum gesichert rechtsextremen Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz ist ein längst überfälliger Schritt erfolgt. Die demokratische Öffentlichkeit muss der AfD zeigen, dass sie die Gesellschaft spaltet und die Menschen gegeneinander ausspielt. Nebst dessen, dass der Verfassungsschutz in der Vergangenheit selber immer wieder mit rechtsextremen Verbindungen, wie der NPD oder dem NSU bekannt wurde und bei der Überwachung linker Strukturen sehr viel Dreck am Stecken hat, ist dieser Schritt dennoch juristisch und symbolisch wichtig – eine Lösung für das Erstarken der AfD bietet uns auch diese verspätete Kategorisierung nicht und greift viel zu kurz.
Denn die AfD fällt nicht vom Himmel. Sie wächst auf einem Boden, den jahrzehntelange politische Versäumnisse fruchtbar gemacht haben. Armut, soziale Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Bildungsungleichheit, Perspektivlosigkeit – all das sind keine neuen Phänomene und schon gar keine Folge der Migrationsbewegungen seit 2015. Vielmehr handelt es sich um hausgemachte Probleme, die sich tief ins gesellschaftliche Gefüge gefressen haben – lange bevor ein Geflüchteter deutschen Boden betreten hat.
Statt den gesellschaftlichen Kitt zu stärken, haben Regierungen – ob schwarz, rot, gelb oder grün – über Jahrzehnte hinweg in sozialen Bereichen, bei der Rente, bei Löhnen und bei der Jugend gekürzt und zugleich Unternehmen mit Subventionen und Steuererleichterungen bedacht. Öffentliche Daseinsvorsorge wurde privatisiert, Hartz IV (heute Bürgergeld, bald „Hungertod“?) sollte mit Sanktionen disziplinieren oder Druck ausüben, statt zu unterstützen und Perspektive zu geben, und die Angst vor dem sozialen Abstieg wurde zum ständigen Begleiter breiter Bevölkerungsschichten. Wer den Gürtel enger schnallen musste, war nie der Industriekonzern, sondern der Arbeiter, die Erzieherin, die alleinerziehende Mutter, der Langzeitarbeitslose.
In diesem Klima gedeiht ein Protestmilieu, das sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen fühlt. Die AfD weiß das zu nutzen – nicht, weil sie Lösungen anbietet, sondern weil sie Schuldige präsentiert: Migranten, Medien, „die da oben“. Sie liefert einfache Antworten auf komplexe Fragen, gespeist aus Frust, Angst und berechtigtem Misstrauen gegenüber einem politischen Betrieb, der soziale Ungleichheit über Jahrzehnte zementiert hat.
Deshalb gilt: Die AfD zu entlarven, ist notwendig. Aber wer ihre Wähler zurückgewinnen will, muss die Ursachen ihres Zulaufs bekämpfen – nicht nur ihre Rhetorik. Das heißt: Investitionen in soziale Gerechtigkeit, Bildung, Wohnraum, Gesundheit und ein würdiges Leben für alle. Es geht nicht um Identitätspolitik oder Symboldebatten, sondern um reale Lebensbedingungen.
Der beste „Verfassungsschutz“ ist eine Politik, die das Vertrauen der Menschen zurückgewinnt – durch Taten, nicht durch Appelle.