Written by 18:44 ÇALIŞMA YAŞAMI

‚Patienten- und Mitarbeiterschutz darf nicht dem Markt überlassen werden‘

Sedat Kaya

Am 3. April veröffentliche die „Hamburger Krankenhausbewegung“ einen offenen Brief an den Hamburger Bürgermeister Tschentscher und die Gesundheitssenatorin Prüfer-Storks. Darin fordern die Beschäftigten aller Berufsgruppen aus Krankenhäusern vom Hamburger Senat, dass die Vorbereitungen auf die Corona-Welle in den Krankenhäusern und der Schutz von Beschäftigten und Patienten nicht dem Markt überlassen werden darf! In der Erklärung wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Corona-Pandemie die Krankenhäuser bereits jetzt hart getroffen hat und die Krankenhäuser aufgrund der Krankenhaus- und Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte nicht ausreichend auf die kommende Zeit vorbereitet sind. Die Hamburger Krankenhausbewegung kämpft gegen die Folgen dieser Politik; u.a. Personalnotstand, Fallpauschalensystem (DRGs), mangelnder Schutz und Mitbeteiligung der Beschäftigten an Entscheidungen. Hinter der Hamburger Krankenhausbewegung stehen etwa 300 aktive Beschäftigte aller hamburger Krankenhäuser. Zuvor veröffentlichte die Bewegung eine Petition gegen den Pflegenotstand, die von etwa 4.500 Beschäftigten der Hamburger Krankenhäuser unterzeichnet wurde. Der Brief kann auf ihrer Homepage eingesehen werden: https://www.hamburger-krankenhausbewegung.de/. Wir haben mit Pauli von der Hamburger Krankenhausbewegung über die aktuelle Situation in den Krankenhäusern gesprochen. Sie ist Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie und arbeitet auf einer Isolationsstation für Corona-Patienten.

 

Wie wirkt sich Corona auf euch aus, wo es doch schon vorher viele Mängel gegeben hat?

Wir haben bereits vor der Pandemie einen deutlichen Personalmangel festgestellt – sei es in der Pflege, der Therapie oder in der Reinigung. Insbesondere wir Pflegekräfte konnten aufgrund dieses Personalmangels keine menschenwürdige Betreuung der Patienten gewährleisten. Nun wird in der Öffentlichkeit viel darüber gesprochen, dass es ausreichend Intensivbetten oder Beatmungsmaschinen gebe. Auch wenn das zum Teil stimmt, fehlt es an Fachpersonal, um diese zu bedienen. Schon vor der Corona-Krise gab es nicht genug Personal, um die volle Belegung der Intensivstationen zu garantieren. Jetzt wird versucht, Leute zu mobilisieren, die vorher einmal in der Pflege gearbeitet haben und diese erneut einzusetzen. Auch Kräfte aus anderen Bereichen werden mobilisiert und dann in der Intensivstation angeleitet. Das ist aber mehr Hilfsarbeit. Gleichzeitig gibt es nicht nur intensivpflichtige Patienten, sondern auch solche, die noch auf den normalen Stationen sind. Auch diese müssen weiterhin versorgt werden. Auch fehlt es an Schutzausrüstung, Masken usw. In einigen Kliniken werden Masken zugeteilt, man solle nur eine Maske pro Schicht benutzen und selber schauen, dass diese nicht kontaminiert wird. Es fehlt also sowohl an Personal als auch an Material.

 

Wie soll dann auf die Pandemie überhaupt richtig reagiert werden können?

Es wird definitiv auf Kosten des Personals gehen. Gerade auf der Intensivstation. Die KollegInnen haben dort Anwesenheitspflicht und müssen in den Zimmern bleiben, sonst hört man nicht die Alarme der Infusionspumpen und Beatmungsgeräte. Die Türen müssen verschlossen bleiben. Wir müssen jetzt schon zwischen 4-6 Stunden unter besonderen Atemmasken arbeiten. Wir kriegen Druckstellen im Gesicht, es fällt einem schwer zu atmen unter den Masken. Das ist neben der sowieso vorhandenen körperlichen Belastung in der Pflege stark anstrengend. Man müsste viel häufiger abgelöst werden, weil der ganze Mund-Rachen-Trakt austrocknet, man müsste viel regelmäßiger etwas zu trinken bekommen. Doch man darf in diesen Zimmern nicht trinken, weil man die Masken nicht abnehmen darf. Man muss sich jeden Toilettengang überlegen, weil man sich wieder ausschleusen muss. Die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, sind sehr schwer. Und auch wenn es jetzt noch irgendwie machbar ist, wenn es zu den Hochphasen wie in den anderen Ländern kommt, dann wird es definitiv dazu kommen, dass Rufbereitschaft und Überstunden ausgeweitet werden, dass zu einem neuen Schichtsystem übergegangen wird, dass die PflegerInnen bei noch größerem Personalmangel länger eingeplant werden. Und auch wenn man sagt, dass es genug Intensivbetten und Beatmungsgeräte gäbe, fehlt es an Personal, diese zu bedienen. Es werden Leute in Crash-Kursen daran herangeführt, wofür andere 5 Jahre gelernt haben und eine ganz andere Erfahrung brauchten.

 

Was sind weitere Forderungen?

Man hat die Krankenhäuser privatisiert, es sind Wirtschaftsunternehmen geworden. Sie funktionieren nach einem Kosten-Nutzen-Prinzip. Und natürlich wird zuerst bei dem Personal gespart. Ich denke, dass es auf jeden Fall sinnvoller wäre, die Krankenhäuser wieder in die öffentliche Hand zu nehmen und diese auszufinanzieren. Die Gesundheitsversorgung wurde seit Jahren und Jahrzehnten extrem zurückgefahren. Und es ist fraglich, die Gesundheit aus der öffentlichen Hand zu geben, in dem Bereich zu sparen und aus Krankenhäusern Wirtschaftsunternehmen zu machen. Und wegen dem Fallpauschalensystem versuchen Krankenhäuser die Patienten so schnell wie möglich wieder aus dem Haus zu bekommen, wie am Fließband. Es gibt weiterhin einen Mangel an Material wie Masken, Kitteln, Desinfektionsmittel oder Einmalbrillen. Es ist für Firmen, die diese Materialien herstellen, möglich, die Preise hochzutreiben. Diese müssten mehr im eigenen Land hergestellt werden. Und die Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen haben wahrscheinlich kein Interesse daran, dieses Geld auszugeben. Aber das ist wichtig, um dem Personal ausreichenden Schutz zu gewährleisten.

Ebenfalls ist sehr schwierig für die KollegInnen, die in Kontakt mit Infizierten gekommen sind aber noch keine Symptome haben, eine Testung für sich zu bekommen. Das ist aber wichtig, um sich selber sicher zu sein und im Zweifel eben auch die Patienten zu schützen.

Auch die Krisenstäbe der Krankenhäuser müssen transparenter werden. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern bekommen kaum Informationen über die aktuelle Entwicklung, auch nicht von der Krankenhausleitung. Da ist viel Handlungsbedarf.

 

 

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