Gamze Karaca
Medien haben einen enormen Einfluss auf die Öffentlichkeit und ihre Meinungsbildung. Sie sind in steter Auseinandersetzung um rassistische Äußerungen nicht nur der Spiegel der Gesellschaft, sondern schüren als Meinungsmacher durch die Aufmerksamkeit bestimmter Debatten und Art der Vermittlung medialer Realität rassistische Ressentiments. Sie tragen somit einen großen Teil dazu bei, dass rechtes Gedankengut und rassistische Vorurteile innerhalb der Gesellschaft unverhohlen verbreitet und zugänglicher gemacht werden können.
Welche Aufmerksamkeit Politiker damit erhalten, die durch die Medienlandschaft eine enorme Plattform für ihre Provokationen geboten bekommen, haben wir in der Vergangenheit mehrmals beobachten dürfen.
Der grüne Gelegenheits-Sarrazin
Die aktuellen Diskussionen um Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), der in regelmäßigen Abständen mit rassistischen Äußerungen bundesweit für Schlagzeilen sorgt, zeigen, dass Medien immer wieder über ein Stöckchen springen, das ihnen der Oberbürgermeister Tübingens hinhält. Er ist ein professioneller Provokateur, der sehr geschickt darin ist, wiederholt den Anschein zu erwecken, dass er immer – wie zuletzt auch – falsch verstanden wurde. So bediente er sich, während einer auf Facebook losgetretenen Diskussion um den Fussballer Dennis Aogo, des ,,N-Wortes“, um anschließend zu sagen, dass es sich ja nur um Satire handele, die Aogo verteidigen sollte.
Hier zeigt sich auch die Rolle der sozialen Medien, die hinsichtlich der politischen Meinungsbildung immer mehr an Relevanz gewinnen. Relevanz, die allerdings durch die gängigen Medien überhaupt erst erreicht wird. So ist hier schon ein Unterschied hervorzuheben zwischen einem auf Facebook geäußerten Beitrag, den Einige zu lesen bekommen, und einer Talkshow, die von einem Millionenpublikum verfolgt wird und rechter Hetze eine Plattform bietet. Für viele hat Boris Palmers Aussage das Fass zum Überlaufen gebracht, weshalb nun sein Ausschluss aus der Partei gefordert wird. Diesen Umstand konnten wir bereits bei der SPD beobachten, die drei Anläufe und eine jahrelange Diskussion benötigte, um Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, der zeitgleich rassistische Bücher veröffentlichen konnte.
Die Folgen der Sarrazin-Debatte
Sarrazins Buch ,,Deutschland schafft sich ab“, welches vor rassistischen Thesen nur so trieft, spielt bis heute auf unterschiedlichste Weise eine enorme Rolle und fand sich in rechten Bewegungen und Strukturen wieder.
So spricht er von „muslimischen Geflüchteten, die Europa zu besitzen drohen“. Diese These nimmt die rechte Identitäre Bewegung in einen ihrer YouTube-Werbevideos auf und spricht hierbei von einem „Austausch“, bei einem AfD-Parteitag ist von einem „Bevölkerungsaustausch“ die Rede, der „irreversibel“ sei und „um jeden Preis, verhindert werden“ müsse. Eine weitere rassistische These ist, dass ein Großteil von Migranten nach Deutschland käme, um hierzulande von Sozialleistungen zu leben. Diesen Gedanken greift auch Horst Seehofer immer wieder auf, der am politischen Aschermittwoch 2015 davon sprach, nicht „das Sozialamt für die ganze Welt“ zu sein – eine Parole, der sich sowohl die AfD als auch die NPD bedienen. Weiterhin sind auch bestimmte Ausdrücke in diesem Buch zu finden, wie beispielsweise „Kopftuchmädchen“, welcher einige Jahre später von Alice Weidel (AfD) während einer Diskussion im Bundestag benutzt wurde.
Selbstverständlich ist Thilo Sarrazin nicht der Verursacher der Entstehung von rechten Parteien oder Strukturen. Aber er kann als eine Schlüsselfigur in Form eines demagogischen Agitators gesehen werden, der seinen Erfolg unter anderem den Medien, die ihm immer wieder viel Raum für seine hetzerische Propaganda gaben, zu verdanken hat. An diesem Erfolg haben unter anderem Bewegungen wie Pegida und die AfD angedockt. Eine weitere Folge der Sarrazin Debatte ist vor allem, dass rassistische Äußerungen immer unverhohlener verbreitet werden können, die krampfhaft als „Meinungsfreiheit“ verteidigt werden.
Rückendeckung trotz rassistischer Äußerungen
Auch der CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen erhält für seine deutlich rechte Position regelmäßig mediale Aufmerksamkeit. So relativierte der Ex-Verfassungsschutzpräsident die rechte Gewalt in Chemnitz und sprach davon, dass er ja nicht der CDU beigetreten sei, „damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen“. Auch äußert er sich über die sozialen Medien immer wieder rassistisch, wenn er beispielsweise Geflüchteten abspricht, in Seenot zu sein und spricht in diesem Kontext von einem „Shuttleservice nach Europa“. In einem aktuellen Interview mit dem rechten Aktivisten Peter Weber versucht Maaßen auf perverse Weise die Klimapolitik der Grünen zu kritisieren: „am Klimawandel ist nicht Deutschland allein beteiligt, sondern die ganze Welt und wir können nicht die Welt retten. Wir haben es schon zweimal versucht, die Welt zu retten, und es ist jedes Mal schief gegangen.“
Statt einer Rüge aus den eigenen Reihen, wird Maaßen, der wohl kein Problem damit hat, die Klimapolitik der Grünen und die deutsche Verantwortung für zwei Weltkriege zeitgleich zu nennen, von Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet vehement verteidigt.
Verantwortung der Medien!
Sie suchen den Kontakt zum rechtsoffenen Teil der Gesellschaft und erhalten mit Hilfe der Medien immer mehr Zustimmung. Ihre rechtspopulistischen Aussagen werden auf Kosten ihrer jeweiligen Parteien getroffen, die diese aber stets zunächst ohne direkte Konsequenzen haben durchgehen lassen. Sarrazins Parteiausschluss aus der SPD hat zehn Jahre gedauert, die Grünen diskutieren erst jetzt über ein Ausschlussverfahren Palmers und Hans-Georg Maaßen ist nach wie vor Bundestagskandidat der CDU. Nach ihren Aussagen folgt jedes Mal Empörung und wo Empörung ist, springen die Medien auf. So sind rassistische Ressentiments in aller Munde, die somit immer gesellschaftsfähiger gemacht werden. Medien bilden nicht nur ab, sondern schaffen auch Realitäten. All das birgt eine Gefahr, die aber weiter über die Parteien hinausgeht und ernst zu nehmen ist. Das bedeutet nicht, dass rechte Äußerungen nicht mehr thematisiert werden sollen. Nebenthemen wie diese dürfen die Medien allerdings nicht dominieren, sondern vielmehr die wirklich relevanten Debatten über die ernsthaften Probleme in diesem Land.