Diethard Möller
30.000 Arbeiter und Angestellte verlieren weltweit ihre Arbeit bei VW. Mit dieser radikalen Maßnahme will der Großkonzern die „Kosten“ um 3,7 Milliarden Euro jährlich senken. Denn Arbeiter und Angestellte zählen nur als Kostenfaktor. Sie müssen nun für das Streben nach immer höheren Profiten bezahlen.
In ihrer Gier nach immer höheren Profiten hat die Führung von Volkswagen über viele Jahre mit manipulierten Abgas- und Verbrauchswerten die Kunden betrogen. Statt die technische Entwicklung voranzutreiben, ernsthaft etwas für den Schutz der Umwelt zu tun, hat man alles getan, um Giftschleudern und Ladenhüter als „umweltfreundlich“ und „topmodern“ zu verkaufen. So sparte man hohe Entwicklungskosten.
Mit diesem hochgefährlichen Treiben verdiente der VW-Konzern noch 2014, dem letzten Jahr vor der Aufdeckung des Abgas-Skandals, 12,7 Milliarden Euro! 2015 kam es dann zu einem Verlust von 1,6 Milliarden Euro; allerdings bei Rückstellungen von 16,2 Milliarden Euro. D.h. der Konzern ist immer noch hochprofitabel. Er erzielte ohne die Rückstellungen für den Abgasskandal sogar mehr als das Jahr zuvor: 14,6 Milliarden Euro. 2016 hat VW mittlerweile einen Konzerngewinn von über 11,3 Milliarden Euro. Dabei ist die Endbilanz für das Jahr noch nicht fertig.
Das Management reagierte auf die Krise mit Tricks, juristischen Gefechten, großen Sprüchen – und hohen Boni für sich selbst. Die Profitjäger haben ein großes Herz – für sich selbst.
Klar! Nun ist ein rascher Umbau notwendig. Sie hätten gern ewig so weiter gemacht: Gut verdienen, die Umwelt ruinieren, die Kunden betrügen. Doch „leider“ wurden sie erwischt! Daher muss man investieren und die technologische Entwicklung vorantreiben, um nicht völlig abgehängt zu werden. Das kostet! Und diese Kosten schmälern den Profit.
Wer soll das bezahlen?
Die Manager und Profitjäger nicht! Das haben sie schon mit ihrer Gier nach immer höheren Boni bewiesen. Da bleibt nur eines übrig: Die Belegschaft muss bezahlen!
Und zwar mit weltweit 30.000 Entlassungen – davon 23.000 in Deutschland, mit Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, mit mehr Druck und Produktivität. Das ganze zeigt die Perversität des kapitalistischen Systems. Die, die die Werte schaffen, werden wie der letzte Dreck behandelt; sie sind Kosten in der Rechnung der herrschenden Klasse.
Co-Manager machen den Dreck mit
Seit vielen Jahren stützt eine Mehrheit im VW-Betriebsrat den Profitkurs der Manager. Vielen ist sicher noch der Skandal von 2005 bekannt, als der VW-Betriebsratsvorsitzende Prostituierte für Oralverkehr für Feiern des Betriebsrates auf Kosten von VW besorgte. Es gab Dienstreisen ins Rotlichtviertel und vieles mehr. Übrigens besorgte der damalige Personalvorstand bei VW, Peter Hartz, der Schöpfer der Hartz-Gesetze, das Geld für diese Form der Bestechung. Der damalige Betriebsratsvorsitzende und Peter Hartz sind mittlerweile verurteilte Kriminelle. Für die Bestechung hat der Betriebsrat in seiner Mehrheit immer die Interessen des Kapitals vertreten.
Doch mit der Aufdeckung dieses Skandals hat man nicht mit dem Co-Management aufgehört. Abgesehen davon gibt es in Großkonzernen viele Möglichkeiten, käufliche „Arbeitnehmervertreter“ am Profit, den man aus den Kollegen herausgepresst hat, teilhaben zu lassen. So kann man die Gehälter auf Managerniveau heraufstufen, billige Kredite geben, Sonderleistungen aller Art gewähren, großzügig „Fortbildungen“ gewähren, die auch gut und gerne einmal feuchtfröhlich enden dürfen. Wie gesagt, es gibt eben viele Methoden, käufliche Subjekte an die Interessen des Betriebes zu binden.
Doch man muss nicht käuflich sein, um jeden Dreck mitzumachen. Manche Sozialdemokraten sind so vom Kapitalismus überzeugt, dass sie selbst in seiner Logik denken. Sie fühlen sich als die besseren Betriebswirtschaftler. Für sie ist klar: Um den Profit zu erhalten oder zu erhöhen, müssen die Kosten gesenkt werden. Und Löhne sind Kosten. Also stimmt man Entlassungen zu. Nur eines macht man zur Bedingung: Es muss „sozialverträglich“ sein. Bloß kein Widerstand! Daher alles sozial abfedern! Man gibt ein paar Abfindungen, damit die Menschen „freiwillig“ gehen. Aber die Arbeitsplätze sind weg. Zukunft für die Jugend? Das ist in diesen betriebswirtschaftlichen Rechnungen nicht vorgesehen. Da geht es um den Profit!
Heiliger St. Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ andere an
Überhaupt ist bei dem Konzept von Co-Management und Klassenzusammenarbeit nach sozialdemokratischer Manier wenig Zukunft zu sehen. Da geht es immer nur um den eigenen Betrieb, gemäß dem uralten St.Florians-Prinzip, dass so klar in dem obigen Spruch zum Ausdruck kommt. Gemeinsam mit dem Kapitalisten die Konkurrenz ausstechen? Dazu sind solche Leute gern bereit. Und wenn dafür Entlassungen nötig sind oder Mehrarbeit und Lohnsenkungen? Dann hilft man mit „sozialverträglichen Maßnahmen“. Dass dafür Kollegen in anderen Betrieben entlassen oder noch tiefer herabgedrückt werden, um in der Konkurrenz mitzuhalten, das ist nicht auf der Rechnung. Solidarität? Fehlanzeige! Und weil die Konkurrenz durch dieses Co-Management unter den Arbeitern und Angestellten verschärft wird, hilft man dann bei der nächsten Kostensenkungsrunde genauso wieder mit.
So ist es jetzt auch bei VW. Der Betriebsrat hat den Entlassungen zugestimmt, weil die Kernbelegschaft zunächst noch etwas geschont wird. Zuerst müssen nämlich die Leiharbeiter gehen, die sowieso schon zu schlechteren Bedingungen schuften und den Profit von VW vermehren mussten. Dann wird „sozialverträglich abgebaut“. Das heißt, wenn jemand kündigt oder altershalber geht, fällt der Arbeitsplatz weg. Für die Jugend keine Zukunft! Die können sich dann ja als Leiharbeiter verdingen oder Werkverträge abschließen, wenn sie überhaupt noch Arbeit finden und nicht gleich im Hartz IV-Kreislauf versacken.
Und die Kollegen in den Zulieferbetrieben? Die existieren in solchen Rechnungen nicht. Wenn die Stammbelegschaft verschont wird, dafür woanders Aufträge wegfallen und Entlassungen vorgenommen werden, dann hat die liebe sozialdemokratische Partnerschaftsseele ihre Ruhe.
Von einer Zukunft der Gesellschaft ganz zu schweigen. Denn die Betriebsratsmehrheit bei VW hat immer den Erhalt der umweltschädigenden Autos gedeckt. So bleiben ihnen unangenehme Veränderungen und ein ernsthafter Kampf um Arbeitsplätze erspart. Zudem musste man dann nicht grundsätzlich diese Gesellschaftsordnung, das Profitsystem in Frage stellen, sondern konnte bequem und in sozialdemokratischer Ruhe weitermachen. Und vor allem bleibt so der eigene Posten mit all seinen Bequemlichkeiten sicher. Statt frühzeitig im Interesse der Gesellschaft teure Forschung und Investitionen für möglichst umweltfreundlichen Verkehr zu fordern, blickt diese Sorte von Co-Managern bestenfalls so weit in die Zukunft, wie ihre Nasenspitze reicht. Sie können gar nicht mehr über die Grenzen eines Profitsystem hinaus denken. Und da sind Forschung und Investitionen zunächst einmal Kosten, die den Profit schmälern. Sie werden nur so weit getätigt, wie das der Konkurrenzfähigkeit und dem Profit dient. Daher werden bei dieser Art zu Denken auch alle Folgeschäden ausgeblendet, die die Gesellschaft zu tragen hat. Die Zerstörung der Umwelt, die Verschwendung kostbarer Ressourcen, Arbeitsplatzvernichtung und Massenarbeitslosigkeit, Krankheiten durch den physischen und psychischen Raubbau in der immer mehr intensivierten Produktion sind für die Profiteure keine Kosten, da diese von der Gesellschaft getragen werden müssen.
Schaden für Gewerkschaft und Arbeiterbewegung
Ein solches Verhalten schadet der Arbeiterbewegung und den Gewerkschaften. Betriebsräte, die tatenlos zuschauen, wie Leiharbeitskräfte gehen müssen, spalten die Arbeiterbewegung. Wenn jeder für sich kämpft, dann kämpfen alle gegeneinander und schwächen sich gegenseitig. Ich verteidige „meinen Standort“, d.h. „meinen“ Kapitalisten gegen die anderen. Wer so denkt und handelt, darf sich nicht wundern, wenn Leiharbeit und Billiglöhne sich wie ein Krebsgeschwür ausbreiten. In wie vielen Betrieben vertrauen die Kollegen ihren Betriebsräten nicht mehr, weil diese jeden Schritt der Geschäftsleitung „sozial“ begleiten, statt lebendig und kämpferisch für die Interessen der Beschäftigten einzutreten. Wie viele Menschen werden durch eine solche Politik der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit dem Kapital demoralisiert und entmutigt?
Gegen eine solche Politik muss aktiv in den Gewerkschaften gekämpft werden, auch bei VW. Die Interessen der Arbeiter und Angestellten müssen die Leitlinie der Gewerkschaftsarbeit sein. Menschen, die mit dem Kapital zusammenarbeiten wollen, müssen aus verantwortlichen Positionen abgelöst und durch kampfbereite Kollegen ersetzt werden. Wer diesen Kampf in den Gewerkschaften nicht führt, lässt eines der wichtigsten Instrumente der Arbeiterbewegung am lebendigen Leib verfaulen.
Diese Auseinandersetzung ist nicht neu. Es gibt sie seit den Anfängen der Arbeiterbewegung. Auf der einen Seite die, die den Kapitalismus akzeptieren, wie er ist, und nur ein wenig mehr abbekommen möchten, auf der anderen Seite die, deren Horizont nicht nur bis zur Nasenspitze, sondern bis hin zu einer revolutionären Veränderung der Gesellschaft zu einer Gesellschaft ohne Profit und im Interesse der Mehrheit geht. Dieser Kampf wird auch nicht einfach verschwinden. Denn natürlich ist es einfacher, mitzuschwimmen und irgendwie über Wasser zu bleiben, als wirklich für die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu kämpfen – für eine neue, bessere Gesellschaft.
Nicht nur VW ist betroffen
30.000 bei VW. Wer glaubt das sei das Ende der Fahnenstange, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Tatsächlich steht in allen großen Konzernen der Automobilindustrie und der Zulieferer ein ungeheurer Umbruch bevor, der hunderttausende betreffen wird. Das Kapital selbst versucht in den Grenzen seines Profitsystems die Reißleine zu ziehen, um die Umwelt nicht völlig zu ruinieren und die Erde unbewohnbar zu machen. Sie wissen schon lange: So kann es nicht weiter gehen. Doch sie versuchen zu retten, was zu retten ist – vor allem ihren Profit! Daher kommt nun ein plötzlicher Umschwung hin zu Elektroautos. Ob diese mit ihren Batterien und den darin enthaltenen Schadstoffen und seltenen Rohstoffen wirklich „umweltschonender“ sind, darf ruhig bezweifelt werden. Aber die Luft in den Großstädten würde vorerst einmal etwas besser. Eine sinnvolle Reduzierung des Individualverkehrs und der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs wäre gesellschaftlich gesehen die bessere Alternative. Doch das würde den Profit empfindlich treffen, geht also im Kapitalismus nicht. Also wird ein Weg gesucht, der den Verkauf von Autos für den Individualverkehr ankurbelt und den Profit erhöht. Kommende Generationen können sich dann ja um den damit rasant anwachsenden Elektroschrott kümmern.
Aber auch dieser Umbau, so wenig er der gesamten Gesellschaft letztendlich bringt, wird weltweit hunderttausende Arbeitsplätze kosten. In Deutschland wird das also nicht nur VW betreffen, sondern genauso Ford, Opel, Daimler, BMW. An Standorten großer Automobilfabriken wie Köln, Rüsselsheim, Stuttgart, Neckarsulm, Sindelfingen, München usw. kann man jetzt schon absehen, dass in den kommenden Jahren Entlassungen und massive Umstrukturierungen stattfinden und teilweise bereits heute, wenn auch weniger spektakulär als bei Volkswagen durchgezogen werden.
Das Problem wird auf typisch kapitalistische Weise „gelöst“: Diejenigen, die die Werte schaffen, Arbeiter und Angestellte, dürfen die Katastrophen, die das kapitalistische System hervorruft, ausbaden, während die Manager weiterhin ihre Boni kassieren, die Dividende an die Aktionäre fließt und auch die Banken ungestört verdienen.
Wer kämpft, kann verlieren! Wer nicht kämpft, hat schon verloren!
Gerade Volkswagen zeigt, wie wahr diese Aussage ist. Die Mehrheit des Betriebsrates hat den Kampf nicht gewagt, sondern hilft bei der „sozialverträglichen“ Abwicklung – mit 30.000 Entlassungen und Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden. 1994 gab es bei VW einmal die 28,8-Stunden-Woche! Es geht also kräftig rückwärts! Vom Produktivitätsfortschritt bleibt nichts bei der Arbeiterklasse, alles geht zum Kapital!
Und wenn jeder für sich kämpft, dann verlieren alle! Denn so wird nur die Konkurrenz unter den Beschäftigten erhöht.
Es ist also gerade jetzt wichtig, in den Gewerkschaften und in den Betrieben, den Kampf für eine entschlossene Vertretung der Interessen aller Beschäftigten aufzunehmen. Denn: Wer sich nicht gegen Co-Management wehrt, wird auch mit dem Co-Management in die Katastrophe marschieren!
Die Nasenspitzenperspektive weist nicht in die Zukunft, sondern in die Katastrophe
Deshalb muss in den Gewerkschaften und in den Betrieben auch wieder entschlossen über eine Alternative zum kapitalistischen System, den Sozialismus, diskutiert und dafür eingetreten werden. Die Zeit ist reif dafür!
Wir wissen, dass der Sozialismus Mängel und Fehler hatte. Wir sind ja keine Tagträumer! Aus Fehlern kann man lernen! Ohne Fehler und eine selbstkritische Haltung gibt es keine Entwicklung.
Das Kapital behauptet, Planwirtschaft sei gescheitert. Was machen denn VW und all die anderen Großkonzerne in ihren Betrieben? Planwirtschaft! Oder denkt irgend jemand, dort liefe alles ungeplant und chaotisch ab? Ohne Plan ist zu keiner Zeit in der Produktion etwas gelaufen. Und mit der Entwicklung von Wissenschaft und Technik ist die Notwendigkeit und die Möglichkeit zur Planung ungeheuer gewachsen. Rohstoffe, Arbeitskräfte, Produktionsgebäude, Verwaltung, Investitionen in Forschung und Entwicklung – das läuft doch alles planmäßig ab. Und mit den Mitteln der modernen Informationstechnologie werden Steuerung und Planung der Produktion immer weiter verfeinert. Die lautesten Schreier gegen die Planwirtschaft führen diese in ihren Fabriken am konsequentesten durch.
Aber diese „Planwirtschaft“ dient nur dem Profit einzelner. Nehmen wir das Beispiel der Atomindustrie. Kein AKW wurde ohne Plan erbaut und betrieben. Das wäre unmöglich. Solange das Profit brachte, war das Privatsache. Jetzt, wo damit kein Profit mehr zu machen ist, haben die AKW-Betreiber mit dem Staat einen Deal eingefädelt. Sie zahlen einmalig 23 Milliarden Euro. Dafür übernimmt die Gesellschaft die Kosten der sicheren Endlagerung – für zehntausende von Jahren! Für die Energiekonzerne ist das ein tolles Geschäft. Sie haben jahrzehntelang abgesahnt und überlassen jetzt ihren Schrott der Gesellschaft. Der Profit ist privat und heilig. Die Verluste werden „sozialisiert“. Bei der Übertragung seiner Lasten ist auch das Kapital begeisterter Anhänger „sozialistischer“ Ideen. Dann muss die Gesellschaft die Lasten tragen.
Wenn Planwirtschaft in Riesenkonzernen funktioniert, warum sollte sie dann nicht in der Gesellschaft gehen? Können wir uns nicht eine Gesellschaft vorstellen, wo nicht der Profit privatisiert und die Lasten „sozialisiert“ werden, sondern die gesamte Wirtschaft der Gesellschaft gehört und zu ihrem Nutzen entwickelt wird?
Sind heute nicht die Arbeiter und Angestellten mit ihrem gesamten Wissen und ihren Fähigkeiten besser als profitgierige Manager in der Lage, die Betriebe zu leiten und dabei den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt voranzutreiben? Wäre es nicht eine ungeheure Befreiung, wenn nicht mehr der Profit der Maßstab ist, sondern der Nutzen für die Gesellschaft?
Ja! Sozialismus ist nicht nur möglich, sondern auch dringend nötig, um Katastrophen wie bei VW, aber auch andere Katastrophen wie bei der Zerstörung der Umwelt oder den Kriegen zu verhindern.