Written by 14:17 HABERLER

Woche der nationalen Erzeugnisse

Mustafa YALÇINER

In meiner Kindheit habe ich es noch miterlebt: Einmal im Jahr wurde die „Woche der nationalen Erzeugnisse“ gefeiert. Die Bevölkerung rief man auf, keine Import-, sondern nationale Produkte zu konsumieren, um so die Wirtschaft des Landes zu stärken.

Das war gerade zu der Zeit der Bayar-Menderes-Diktatur und eigentlich ging es den Herrschenden nicht um den Konsum nationaler Erzeugnisse. Menderes hatte das Ziel ausgegeben: Das Land soll zu einem „Amerika im Kleinformat“ werden! Auch sein Nachfolger Demirel hatte das Ziel einer „Großtürkei“ vorgegeben. Man hatte ihm wegen seiner ehrgeizigen Pläne den Beinamen „Süleyman Morisson“ gegeben. Auch heute hat sich im Nacheifern der USA nicht viel geändert, man verfolgt dasselbe Ziel. Im Jahre 2023, also zum 100. Jahresjubiläum der Republikgründung soll wieder eine „Großtürkei“ entstehen.

Einen Unterschied kann man ausmachen: Für die Wiederauferstehung des Osmanischen Reiches, was früher nur verbal kommuniziert wurde, werden heute praktische Schritte unternommen. Länder wie Irak und Syrien werden als „Vermächtnis der Osmanen“ bezeichnet und man schickt bewaffnete Kräfte in diese Länder. Und ein weiteres Vermächtnis des Osmanischen Reiches ist heute wieder in aller Munde: Die Gleichgewichtspolitik unter den imperialistischen Staaten. Dass sie vor über 100 Jahren einen großen Anteil am Ende des Osmanischen Reiches hatte, sollte hier wenigstens beiläufig Erwähnung finden.

Die „Woche der nationalen Erzeugnisse“ gehört der Vergangenheit an. Sie war ein Teil der „jungen Türkei mit ihrer Nationalökonomie“. Je weiter man auf dem Wege der Amerikanisierung voranschritt, desto mehr verlor sie an Bedeutung und geriet schließlich völlig in Vergessenheit. In meiner Kindheit feierten wir die Woche an unseren Schulen mit „Milchpulver aus dem Marshall-Plan“.

Kann heute der Aufruf des Staatspräsidenten, die „unter dem Kopfkissen versteckten US-Dollar hervorzuholen und in Türkische Lira umzuwandeln“, eine Bedeutung haben? Die Türkei konnte mit dem Milchpulver nicht gerettet werden. Kann sie jetzt dieser Aufruf tatsächlich retten?

Zunächst sollte die Frage gestattet sein, wer heute Dollar und Euro unter seinem Kopfkissen hat. Etwa die Armen? Also die Millionen von Menschen, die nicht genug zum Leben haben? Nein! Die kleine Mittelschicht und natürlich die restlichen Reichen schlafen über den Banknoten. Ihre Zahl erreicht wahrscheinlich nicht einmal die Millionengrenze. Sie bereicherten sich mit den Fördergeldern und Steuergeschenken, die man ihnen in den Hals wirft. Natürlich wollen sie stets mehr. Wenn man vom „Markt“ spricht, meint man sie. Sie haben nur ihren Profit im Kopf. Wenn sie einen Cent Verlust befürchten, gehen sie keinen Deal ein. „Nationale Interessen“ oder „patriotische Pflichten“ interessieren sie nicht. Bei ihnen wird also der Aufruf des Staatspräsidenten keine Früchte tragen. Der Staatspräsident verspricht, man würde kein Verlustgeschäft machen. Schließlich würde man damit den imperialen Interessen anderer schaden und dem eigenen Land nützen. Wer etwas auf der hohen Kante hat, interessiert sich nicht dafür, wie und wo er sein Erspartes vermehren kann. Er investiert dort, wo er sich den höchsten Gewinn verspricht. Bis auf einige wenige Devisen-Besitzer werden also ihre Dollars und Euros nicht in die Nationalwährung umwandeln. Sie werden sich den Gesetzen des Kapitalismus beugen.

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