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„Appelle, die DITIB solle sich endlich von Ankara lösen, hilflos“

Wie haben mit der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck über DITIB gespochen.

Yücel Özdemir

Sie haben bei der Bundesstaatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen die DITIB gestellt. Was haben Sie konkret gegen die DITIB?

Ich habe nichts gegen die DITIB. Ich habe etwas gegen Spionage, daher habe ich „Strafanzeige gegen unbekannt“ gestellt, weil ich gar nicht weiß, wer da alles seine Finger im Spiel hat. Ausgelöst wurde es durch eine zentrale Anweisung der Diyanet in Ankara. Sie übermittelte sie an die Religionsbeauftragten an mehreren Konsulaten in Deutschland, aber auch in Holland, in Österreich, in der Schweiz und in Belgien. Die Berichte wurden unter anderem von den Imamen der DITIB geschrieben. Sie haben zum Nachteil von Menschen, die als deutsche Staatsbürger oder als Migranten in unserem Land leben, spioniert. Es wurden Verwandte aufgesucht, mit der Anfrage, wann sie denn wieder in die Türkei kämen, als klares Signal, dass man im Zweifelsfall verhaftet würde. Es wurden Konten gesperrt und dergleichen mehr.

Wusste die DITIB-Zentrale von der Spionage oder wusste sie nicht, dass dieser Befehl aus Ankara kommt?

Mir fehlt ein bisschen die Fantasie, um mir vorzustellen, dass ein Schreiben, das an so einen großen Verteiler verschickt wurde, keinem in der DITIB-Zentrale in Köln bekannt gewesen sein soll. Aber ich kann letztendlich nichts beweisen oder wissen, aber die Diyanet selber sitzt laut Satzung in den Gremien der DITIB. Daher ist es unmöglich, dass die DITIB damit gar nichts zu tun hat.

Kann man nach diesem Skandal von der DITIB als einer zivilen Organisation sprechen?

Es gibt in den internationalen Diskussionen oder Nichtregierungsorganisationen zwei Begriffe. Man spricht von NGO`s (Non-Governmental Organizations) und man spricht von sogenannten GONGO´s, das sind die Government-organized non-governmental organizations. Man muss wohl in diesem Fall eher von einem GONGO sprechen. Die DITIB ist eindeutig, das ist auch nichts Neues, eine Agentur des türkischen Staates, eine Unterorganisation einer türkischen Behörde, nämlich der Anstalt der Religion. Das hat die DITIB zwar oftmals versucht kleinzureden aber eigentlich nie verschwiegen. Man muss sich ja nur den Namen der Organisation genauer anschauen, Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion.

Warum wurde die DITIB trotz dessen als eine Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt?

Das hat bisher nur Hessen gemacht. In keinem anderen Bundesland ist das bislang eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Und ich kann dieser Landesregierung nur raten, ihre Entscheidung zu überprüfen. Ansonsten arbeiten wir mit der DITIB zusammen, was ich grundsätzlich nicht falsch finde aber nur solange man weiß, mit wem man gerade zusammenarbeitet. Das Problem ist, dass in der Vergangenheit die Probleme, die es mit der DITIB gab, von deutscher politischer Seite nicht beachtet wurden. Gerade Innenminister wie Beckstein oder Otto Schily fanden das mit der DITIB so praktisch. Da rief man in Ankara an und schon war die Sache geklärt. Dass das so einfach funktionierte, lag eben daran, dass ein wesentliches Verfassungsprinzip unserer Republik außer Kraft gesetzt ist dank dieser Organisation, nämlich die Trennung von Religion und Staat.

Durch die Spionagetätigkeiten: Bricht die DITIB deutsches Recht?

Diejenigen, die spioniert haben, haben deutsches Recht gebrochen. Die Existenz der DITIB ist jetzt keine Verletzung unseres Rechtes. Man darf bloß nicht Privilegien und Rechte nicht an sie vergeben, wenn sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Inzwischen sehen das immer mehr Leute ein, dass es sich hier um die Politisierung von Religion durch den Staat handelt und diese Politisierung eben ein Systemfehler ist und man darüber nicht verhandeln darf nach dem Motto, wenn die politische Richtung passt, bin ich einverstanden und wenn sie es nicht mehr tut, dann erkenn ich erst die Probleme.

Kann man auch sagen, dass die DITIB hierzulande der verlängerte Arm der AKP ist?

Ja, sie ist immer der Arm der aktuell in Ankara stellenden Regierung, welche aktuell ja die AKP ist. Aber auch schon davor war sie der lange Arm der Regierung in der Türkei. Sie wurde einst auch aus politischem Grund, als Reaktion der Fluchtwelle aus der Türkei von linken Gegnern der Militärregierung als ein Gegengewicht gegründet.

Sind sie überzeugt von den bisherigen „Aufklärungsversuchen“ der DITIB nach den Spitzelaffären?

Die Presseerklärungen der DITIB brachten mich teilweise zum Schmunzeln. Wie man etwas gesteht und dabei gleichzeitig versucht, es nicht zuzugeben, das ist ein Meisterwerk regierungsamtlicher Propaganda. Aber entscheidend ist, dass die DITIB eine Sache, die sie bisher stets anders dargestellt hat, nun offiziell zugibt, nämlich, dass die DITIB-Imame nicht Angestellte der DITIB selbst, sondern Angestellte der Diyanet sind und dass deren Vorgesetzte die Diyanet in Ankara ist. Wenn Geistliche dieser angeblich riesigen Religionsgemeinschaft nicht unterstehen, kann man nicht mehr von einer Religionsgemeinschaft, sondern von einer Auftragsverwaltung sprechen.

Sollte die DITIB ihrer Meinung nach keine Imame aus der Türkei importieren?

Es wäre insgesamt für die Seelensorge in den Gemeinden besser, wenn dort Imame arbeiten, die das Land kennen und auch die Problematik von Generationswechsel in Migrationsfamilien, die eine ganz spezifische Konfliktstruktur ist, die es immer zwischen der ersten, zweiten und dritten Einwanderungsgeneration gibt. Hier brauchen die Menschen geistigen Beistand. In diesem Fall ist ein Imam, der wenige Wochen zuvor aus der Türkei der mit einem behelfsmäßigem Deutsch gekommen ist und auf die Gemeinden losgelassen wird, sicherlich keine große geistige Hilfe, weil er weniger über das Leben hier weiß als die Gemeindemitglieder selbst.

Sollte die Bundesregierung Ihrer Meinung nach die DITIB vom Integrationsgipfel und der Islamkonferenz ausschließen?

Man sollte meiner Meinung nach weiterhin im Gespräch bleiben. Allerdings kann es eine formelle Mitgliedschaft in Gremien, die der Staat einberuft, nicht geben, wenn die DITIB keine Aufklärungsarbeit betreibt. Es sind tatverdächtige Imame, in die Türkei zurückgeordert worden. Die Strafverfolgung läuft ins Leere, wenn sie nicht vernommen und angeklagt werden können, trotz genügender Beweise. Die DITIB muss dafür sorgen, dass die Strafverfolgung nicht durch eine Vertuschungsaktion vereitelt wird. Ansonsten sehe ich da schon eine tiefgreifende Vertrauenskrise, die auch nicht in wenigen Monaten wieder zu beheben ist. Dann muss man ihnen den Stuhl vor die Tür setzen.

Die DITIB ist in einem Konflikt zwischen zwei Regierungen. Wie wird sie sich ihrer Meinung nach positionieren?

Das Problem ist, dass die Führung der DITIB überhaupt nicht in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Hier ist die Rede von türkischen Staatsbeamten, die aus der Türkei bezahlt werden. In allen Gremien des DITIB- Bundesverbandes hat die Diyanet entweder die Mehrheit oder das Vetorecht. Es kann keine Entscheidungen gegen Ankara fallen. Eine Veränderung kann es nur dann geben, wenn die zweiten oder dritten Einwanderungsgenerationen sagen „Wir sind deutsche Muslime und wollen hier uns ein Leben als Gläubige aufbauen, hier in diesem Lande, in dieser Gesellschaft. Wir wollen uns loslösen.“ Wenn sie sich zusammenschließen und letztendlich im Verband die Machtfrage stellen, dann kann sich was verändern. Doch solange das nicht passiert, sehe ich keine Chance für eine Wandlung. Ich finde teilweise die Appelle aus der Politik, die DITIB solle sich endlich von Ankara lösen, hilflos. Sollte sich die DITIB von Ankara lösen, bleiben allein im Namen kaum noch Buchstaben übrig. Eine DITIB ohne Diyanet ist keine DITIB mehr.

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