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Arbeitsgericht kippt fristlose Kündigungen gegen Betriebsrätin bei Egetürk

Der Kölner Wursthersteller Egetürk hat vor dem Arbeitsgericht Köln eine Niederlage einstecken müssen. Das Unternehmen hatte mehrere fristlose Kündigungen gegen die Betriebsratsvorsitzende G. ausgesprochen. Die Richter entschieden jetzt, dass die Kündigungen unwirksam sind. Egetürk muss die Betriebsrätin, die auch Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist, wieder einstellen.

Die NGG hatte zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich etwa 60 Unterstützerinnen und Unterstützer, um der Klägerin den Rücken zu stärken. Neben Gewerkschaftern, der DIDF, Vertretern von Work Watch und anderen Gruppen kam auch der Investigativ-Reporter Günter Wallraff.

„Mit den im März und im Mai ausgesprochenen Kündigungen hat der Arbeitgeber versucht, eine engagierte Betriebsrätin loszuwerden. Das ist ihm nicht gelungen und wir freuen uns, dass das Arbeitsgericht Köln die haltlosen Kündigungen vom Tisch gewischt hat“, so Manja Wiesner, Geschäftsführerin der NGG Köln. Der Arbeitgeber meint, dass die Betriebsrätin als Mitglied des Wahlvorstandes die Betriebsratswahl 2018 zu ihren Gunsten manipuliert hätte. „Diese Vorwürfe sind haltlos und konstruiert. Mehr als zwei Jahre nachdem die gesetzliche Wahlanfechtungsfrist verstrichen ist, versucht Egetürk eine engagierte Betriebsrätin mit fadenscheinigen Gründen aus dem Betrieb zu drängen. Das Gericht hat heute klar gesagt, dass dieses fristlosen Kündigungen gegen unser Mitglied in keiner Weise gerechtfertigt sind“.

Die NGG macht seit März das Thema öffentlich. Inzwischen fordern über 1.100 Menschen unter anderem die Rücknahme der Kündigungen und die ungehinderte Ausübung der Betriebsratsarbeit.

Der Konflikt bei Egetürk spitzt sich seit vergangenem Jahr zu, nachdem die NGG zu Tarifverhandlungen über einen Entgelttarifvertrag aufgerufen hatte und die Beschäftigten der Firma Egetürk zweimal streikten. Das Unternehmen verweigert die Aufnahme von Verhandlungen über Lohnerhöhungen, gab insgesamt 10% mehr Lohn „freiwillig“ und hielt sich damit die Tür offen, diese jederzeit zu widerrufen. Zudem forderte der Betriebsrat eine neue Regelung über die Arbeitszeit ein, statt den bis zu 48 Stunden, die seitens der Geschäftsführung verlangt wurden. 

Der Geschäftsführung gelang es, die Mehrheit des Betriebsrats auf ihre Seite zu ziehen und das Gremium im März 2020 zur Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung von G. zu bewegen.

Unmittelbar nach ihrer nun aufgehobenen Kündigung ließ die Geschäftsführung ihre Arbeitszeitvereinbarung mit einer Wochenarbeitszeit bis zu 48 Stunden vom „geköpften“ Betriebsrat unterschreiben und der Vorschlag des Betriebsrates wurde für erledigt erklärt.

Systematischer Druck, Angstmacherei, Abmahnungen, Kündigungen und Prozesse setzten nicht nur die Aktiven im Betriebsrat sondern die ganze Belegschaft unter Druck. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten sind über 50 Jahre alt, sind ungelernt und haben auf dem Arbeitsmarkt auch wegen spärlicher Deutschkenntnisse schlechte Karten. Ihre Angst vor einem Jobverlust war also ein willkommenes Erpressungspotential für die Geschäftsführung von Egetürk. Der Geschäftsführung kommt es darauf an, die Angst in der Belegschaft hochzuhalten und den Eindruck zu erwecken, die Geschäftsführung könne sich alles erlauben. „Wenn sie schon unsere Vorsitzende rausschmeißen können, was passiert uns dann?“, war eine Frage, die sich viele Kollegen stellten. (work-watch und NGG)

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