Written by 08:00 HABERLER

Arbeitskämpfe 2024: Das Jahr aus der Sicht der Beschäftigten

Das Jahr 2024 bewegt sich dem Ende zu. Wir wollen nochmal schauen: Wie war das Jahr 2024 eigentlich aus der Sicht der Beschäftigten? Doch klar ist auch, dass wir nicht ein gesamtes Jahr zusammenfassen können. Es gab einige Tarifrunden, die in diesem Jahr stattgefunden haben. Von Bahn über Stahl, zu Chemie und Metall- und Elektroindustrie. Über viele Tarifrunden hat auch unsere Zeitung berichtet. Aus all diesen können rückblickend Lehren für die Zukunft gezogen werden.

Demir Yildirim

Das ganze Land steht still, wenn dein starker Arm es will

Das Verhandlungsergebnis der Stahlrunde war zwar schon 2023 da, jedoch wurden viele Diskussionen erst 2024 geführt. Denn die Ergebnisse waren für viele Beschäftigte enttäuschend. Anstatt auf 12 Monate Laufzeit wurde sich auf 22 Monate geeinigt. Dann kommt erstmal keine Entgelterhöhung. Erst 13 Monate später gibt es 5,5 Prozent. Mit einer Arbeitszeitverkürzung mit teilweisen Lohnausgleich kam auch eine optionale Verlängerung, wenn sich die Betriebsparteien darauf einigen. Für die Beschäftigten bedeutet der Abschluss Reallohnverluste und flexibilisierte Arbeitszeiten. Während aber in anderen Branchen das nicht einmal ermöglicht wird, wurde hier in den Betrieben über den Abschluss diskutiert. Große Stahlbetriebe, wie die Salzgitter AG, haben in Vertrauensleuterunden das Verhandlungsergebnis sogar abgelehnt. Auch wenn die Kritik nicht dafür gesorgt hat, dass das Verhandlungsergebnis abgelehnt wird, so sehen wir dennoch eine organisiertere Form mit Unzufriedenheiten bei Tarifergebnissen umzugehen.

Mit der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) ging es dieses Jahr in den längsten Streik der Bahngeschichte in Deutschland. Sechs Tage lang haben die Beschäftigten in Teilen der Bahn die Arbeit niedergelegt. Zeitgleich hat die Presse deutlich gemacht, auf wessen Seite sie steht. Denn immerzu wurde im Sinne der Arbeitgeber von der „Unangemessenheit“ der Streiks berichtet. Die Deutsche Bahn ging juristisch gegen den Streik vor, hat allerdings den Prozess am Frankfurter Arbeitsgericht verloren. Die Lokführer zeigten 2024 ihren Kampfwillen für höhere Löhne und verkürzte Arbeitszeiten.

Die Hafenbeschäftigten zeigten, was sie von den Privatisierungsplänen halten

Doch es ging bei den Kämpfen der Beschäftigten nicht nur um Geld und Arbeitszeit, sondern auch gegen Privatisierungen. In Hamburg setzten sich die Hafenbeschäftigten gegen die Privatisierungspläne des Hafens ein. Zeitweise kam es am Hafen auch zu wilden Streiks gegen die Privatisierung, also zu Streiks ohne einen Aufruf der Gewerkschaft.

Starke Jugend

Die Jugend zeigt in vielen Tarifrunden Kampfgeist und ging mit eigenen Forderungen in die Tarifverhandlungen. So war es bei der Metall- und Elektroindustrie 170 Euro mehr für Azubis. Bei den Gebäudereinigern mindestens um 150 Euro pro Ausbildungsjahr. Mit den Jugendforderungen der Gewerkschaften waren auch viele junge Beschäftigte und Azubis auf den Warnstreiks und Aktionen. In der Metall- und Elektroindustrie zeigte sich das nochmal deutlicher, indem man Jugendstreiktage in einigen Regionen organisiert hat, wie beispielsweise in Bayern. Dort beteiligten sich über 600 Auszubildende, um für ihre Forderung einzustehen. Mit diesem Engagement kam die Jugend auch vergleichsweise besser aus der Tarifrunde. Denn sie hat in der IG Metall von Anfang an den Druck hochgehalten und versucht Kollegen, die nicht mehr in der Ausbildung sind, zu überzeugen.

Doch auch das Gebäudereiniger Handwerk lohnt es sich nochmals anzuschauen. Denn vor allem im Bereich der Gebäudereiniger arbeiten viele migrantische Frauen für wenig Geld. Während der gesetzliche Mindestlohn in diesem Bereich den Tarifvertrag fast eingeholt hatte, forderte die Gewerkschaft IG Bau 3 Euro pro Stunde mehr. Das, was erstmal nach wenig klingen mag, ist für die Beschäftigten in der Gebäudereinigung einiges.

Um jeden Arbeitsplatz kämpfen

Besonders zum Herbst hin, hat vor allem ein Thema die volle Aufmerksamkeit: Den Erhalt der Arbeitsplätze in der Industrie. In vielen Unternehmen gibt es Auseinandersetzungen zu Sozialtarifverträgen. Im ersten Teil des Jahres wurde zum Beispiel Ford Saarlouis abgewickelt. Nun droht Ford mit weiteren Entlassungen auch im Stammwerk in Köln. Bei Stellantis, also Opel, läuft in diesen Tagen die Kurzarbeit an. Auch wenn hier noch keine Entlassungen angekündigt wurden, kann man damit in den kommenden Monaten rechnen. Daneben laufen Auseinandersetzungen bei Volkswagen, Bosch, Continental, ZF und vielen mehr um Stellenabbau. Hier wird es 2025 nicht nur weitergehen, sondern es wird sich auch herausstellen, welche Einschnitte es für die Beschäftigten beim größten Autobauer Volkswagen geben wird.

Das Jahr 2024: Kämpfe mit Gewinnen und Verlusten

Die gewerkschaftlichen Kämpfe im Jahr 2024 zeigen, dass die Kollegen bereit sind, sich mehr einzubringen. An der einen oder anderen Stelle gelingt das dann doch, stellenweise kleinere und größere Erfolge zu erzielen. Diese geben der Bewegung Selbstbewusstsein und Stärke, noch einen weiteren Schritt nach vorne zu machen. In den Betrieben ist es vor allem die Aufgabe kämpferischer Gewerkschafter breitere Debatten anzustoßen und diese organisiert zu führen.

Im kommenden Jahr wird die Tarifrunde im öffentlichen Dienst in die heiße Phase laufen und abschließen. Angesichts einer Regierung auf Abruf dürften ernsthafte Ergebnisse noch nicht zu erwarten sein, jedoch zeichnen sich auch hier harte Kämpfe ab. Die ver.di fordert 8 Prozent mehr, aber mindestens 350 Euro. Und für Azubis 200 Euro.

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