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Corona-Krise trifft kaputtgespartes Gesundheitssystem

Deniz Çelik

Die aktuelle Krise einer Corona-Epidemie ist nicht lediglich durch die Ausbreitung einer gefährlichen Krankheit versursacht. Sie stößt auch auf ein an private Investoren ausgeliefertes und kaputtgespartes Gesundheitssystem, das bereits vor der Krise kaum in der Lage war eine bedarfsorientierte und menschenwürdige Versorgung sicherzustellen. Chronischer Personalmangel, Bettensperrungen und Schließung von Krankenhäusern rächt sich angesichts der Corona-Krise. Angesichts der schnellen Ausbreitung des Virus und der schweren Verläufe unter älteren und chronisch kranken Mitmenschen droht ein Kollaps des Gesundheitssystems. Wenn der steile Anstieg der Fälle nicht abnimmt, wird laut Prognosen spätestens bis Mitte Mai keine freie Betten in der Intensivstation und bis Juni in allen übrigen Stationen vorhanden sein. Die Corona-Krise legt die Schwachstellen unseres marktorientierten und zu großen Teilen privatisierten Gesundheitssystems dar. Es werden keine Reserve-Kapazitäten vorgehalten, weil es sich nicht rechnet. Eine Just-in-Time Versorgung scheitert aber in der Krise. Es wurde jahrelang am Personal gespart und Menschen aus Pflegeberufen vergrault, die jetzt händeringend gesucht werden. Es fehlt an Schutzmasken, Schutzkleidung und Corona-Test-Stäben, weil aus Kostengründen die Pandemie-Lager nicht gefüllt wurden.

Wie konnte es dazu kommen

Jahrelang wurde das Märchen erzählt, dass die Gesundheitskosten explodieren, zu viele Ressourcen verschwendet werden und dass Deutschland zu viele Krankenhäuser besitzen würde. Dabei bewegen sich die Ausgaben für die Gesundheit seit Jahrzenten stabil zwischen rund 10-11,5% Anteil am Bruttosozialprodukt bei einer immer älter werdenden Bevölkerung. In Wahrheit gab es großen Druck von Seiten des Kapitals auf die Politik die Gesundheitsversorgung für private Investoren zu öffnen. Seit der Ölkrise fielen die Gewinnmargen in weiten Teilen der klassischen Wirtschaftsbranchen und das Gesundheitssystem mit stabilen Einnahmen durch die Krankenversicherungen ist eine krisenfeste Branche, die große Profite verspricht. Deshalb wurde das Gewinnverbot in den Krankenhäusern aufgehoben und ein enormen Wettbewerbsdruck durch die Einführung des Fallpauschalensystems entfacht. Es entstand ein großer Kostendruck in den Krankenhäusern und die klammen Kommunen begannen zu privatisieren. Und viele kommunale Krankenhäuser die Verluste erwirtschafteten wurden geschlossen.

 Seit 1992 wurde die Zahl der Krankenhausbetten um gut 30 Prozent reduziert. Es kam buchstäblich zu einem Krankenhaus-Sterben. 60% bis 70% der Kosten in einem Krankenhaus sind Personalkosten. Der Kostendruck hatte auch zur Folge, dass massiv am Personal gespart wurde. Reinigung und Servicekräfte wurden häufig ohne Tarifverträge in Tochterunternehmen ausgegliedert und die Zahl der Pflegekräfte hat rapide abgenommen. Viele von ihnen haben aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen den Beruf gewechselt. Laut Angaben der Gewerkschaft Verdi fehlen aktuell in Deutschland 162.000 Beschäftigte, um eine zufriedenstellende Versorgung der Patienten zu ermöglichen. 63.000 Fachkräfte müssten zusätzlich im Bereich der stationären Altenpflege eingestellt werden.

Die Corona-Epidemie legt jetzt in der Krise die Schwachstellen des kommerzialisierten, auf Profit ausgerichteten Gesundheitssystems offen. Es fehlt an ausreichender Zahl an Intensiv- und Quarantänebetten. Bereits vor der Corona-Epidemie waren 80% der 28.000 Intensivbetten belegt, eine ausreichende Zahl an Beatmungsmaschinen oder nur entsprechende Schutzausrüstung für das medizinische und pflegerische Personal kann nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt werden. Mitten in der Corona-Epidemie entziehen sich private Kliniken ihrer Verantwortung und nehmen medizinisch nicht dringliche Operation vor und verheizen unverantwortlich Personal und Material, die für die Bekämpfung der Pandemie notwendig wäre. Oder sie beantragen Kurzarbeit für die Pflegekräfte und zeigen, dass ihnen ihre Profite wichtiger sind als die Rettung von Menschenleben.

Was tun in der Krise?

Das Personal in den Krankenhäusern darf in den nächsten Wochen nicht als Kanonenfutter verheizt werden. Der Staat muss das Marktversagen korrigieren und die Kontrolle über die privaten Kliniken übernehmen. Er muss schnellstmöglich Schutzmasken, Schutzkittel und Beatmungsgeräte herstellen lassen. Das gesamte Personal in den Krankenhäusern muss einen hohen Risikozuschlag erhalten und Berufsaussteiger*innen – 120.000 bis 200.000 Pflegekräfte können sich bei guten Bedingungen eine Rückkehr vorstellen – müssen gezielt angeworben werden. Alle planbaren und nicht dringenden Operationen müssen verschoben werden und das frei werdende Personal, Materialien und Geräte in Belegkrankenhäusern, Reha-Kliniken und im ambulanten Bereich zur Bekämpfung der Corona-Krankheit eingesetzt werden.

Lehren aus der Corona-Krise:

Die Krise zeigt, dass die Marktorientierung und Gewinnstreben in Krisenzeiten unsere Gesundheitsversorgung zum Kollaps bringt und Menschenleben kostet. Gesundheitsversorgung gehört in staatliche Hände und eine gute Versorgung erfordert kräftige Investitionen in Personal und Ausstattung. Ein auf Profit orientiertes Gesundheitswesen ist nicht imstande eine Pandemie zu bewältigen und eine menschenwürdige Versorgung sicherzustellen. Deshalb müssen alle privaten Krankenhäuser zum Schutz der öffentlichen Gesundheit enteignet werden.

Die Krise zeigt auch, dass die Schließungen von Krankenhäusern die Kapazitäten reduziert hat und sich in der Krise rächt. Wir brauchen flächendeckende und gut ausgestattete Krankenhäuser und höhere Investitionen in Personal und Ausstattung. Wettbewerb und Profitlogik darf es in den Krankenhäusern nicht geben. Deshalb müssen Fallpauschalen abgeschafft und eine bedarfsgerechte Finanzierung eingeführt werden. Krankenhäuser dürfen weder Gewinne noch Verluste erzielen.

Die Krise lehrt uns aber auch, dass der Staat in Zukunft jederzeit auf eine Pandemie vorbereitet sein muss. Es darf nie wieder passieren, dass es in Krankenhäusern an Schutzmasken, Schutzkitteln und lebenserhaltenden Geräten fehlt.

 

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