Written by 17:30 HABERLER

„Unsere Jungs“ – wie divers darf die Nationalmannschaft sein?

Doguş Birdal

Kaum eine andere öffentliche Institution wird so sehr als Projektionsfläche für rassistische Debatten genutzt, wie die deutsche Fußballnationalmannschaft. Ob Özil, Rüdiger oder Gündogan – fast jeder Spieler mit Migrationshintergrund stand schon einmal im Fokus einer solchen Debatte. Singt er die Nationalhymne mit? Singt er sie auch mit Überzeugung? Darf er ein Bild posten, auf dem er betet oder den muslimischen “Fingergruß” zeigt? Gehört der Islam überhaupt zu Deutschland? Oder hat er die „Bierdusche“, die mittlerweile „Deutsche Leitkultur“ ist, verweigert und sich das Recht verwirkt, Deutschland auf dem Feld zu repräsentieren?

Zwar gibt es eine Vielzahl solcher Debatten und sie rücken mal mehr, mal weniger in den Fokus der Öffentlichkeit. Dieses Mal gab es zumindest öffentlich (noch) keine. Der WDR wollte aber scheinbar so kurz vor der EM doch nicht ohne Rassismus-Debatte ins Turnier starten.

Im Zusammenhang mit seiner Dokumentation „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ hat der WDR eine Umfrage in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche „Rolle“ Rassismus im Fußball und bei der Fußballbegeisterung der Deutschen für die Nationalmannschaft spielt. Es wurden drei Fragen gestellt:

„-Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen“.

– „Ich finde es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben“.

– „Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft türkische Wurzeln hat.“

Diesen Aussagen sollte man „voll und ganz zustimmen, eher zustimmen, eher nicht zustimmen oder überhaupt nicht zustimmen“.

Das Ergebnis lautete: Rund ein Fünftel wünscht sich mehr Nationalspieler mit weißer Hautfarbe – 65 Prozent stimmen dem eher nicht oder überhaupt nicht zu.

Zwar ist die Dokumentation an sich nicht problematisch und hat teilweise auch wertvolle Beiträge, die nicht Herkunft oder Religion, sondern den meist in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Sportler zeigen. Jedoch sind die Fragen der Umfrage schon so suggestiv gestellt, dass man dadurch auch manche Antworten heraufbeschwört hat. Nationalspieler Joshua Kimmich nannte die Umfrage „rassistisch“. Von solchen „Scheiß-Umfragen“ wolle er nichts mehr hören, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Gerade, wer im Fußball aufgewachsen ist, weiß, dass das natürlich absoluter Quatsch ist. Fußball ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man verschiedene Nationen, Religionen und Hautfarben vereinigen kann“, fügte Kimmich hinzu. Aber ist dem wirklich so? Ist der Fußball nicht auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie nationalistisches Denken durch eine harmlos wirkende Sportveranstaltung wieder salonfähig gemacht werden kann? Das sogenannte „Sommermärchen 2006“ war ein gutes Beispiel dafür. Seitdem wurde es wieder in, Fahne zu zeigen und stolz zu sein, ein Deutscher zu sein. Aber auch für das Anheizen von rassistischen Debatten eignet sich der Fußball sehr gut.

Der gesellschaftliche Rechtsruck hält auch nicht vor dem Sport an. Der Anteil derer, die sich eine „weißere“ Nationalmannschaft wünschen, ist fast deckungsgleich mit dem Anteil der AfD-Wähler in Deutschland in der jungen Altersgruppe. Und diese Entwicklung ist Grund zur Sorge.

Close