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Der 2. NSU Untersuchungsausschuss in Bayern

Alev Bahadir

Seit über einem Jahr beschäftigt sich der 2. NSU Untersuchungsausschuss mit der Rolle des NSU in Bayern. Der Ausschuss hat nun seine Arbeit beendet und wird noch vor der Landtagswahl am 8. Oktober seinen Abschlussbericht vorlegen. Aufklärung, das kann man schon sagen, gab es nicht. Entsetzen, was so alles im Raum stehen blieb, jedoch öfter.

Land der meisten NSU Opfer

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hat zehn Morde und drei Bombenanschläge, von denen wir wissen, begangen. Nirgendwo gab es so viele Verbrechen, wie in Bayern. In Nürnberg ermordete der NSU Enver Şimşek im Jahr 2000, im nächsten Jahr Abdurrahim Özüdoǧru und 2005 İsmail Yaşar. 1999 zündeten die Rechtsterroristen eine Bombe in einer Gaststätte in Nürnberg, der 18-jährige türkeistämmige Besitzer der Kneipe überlebte nur schwerverletzt. 2001 ermordete der NSU Habil Kılıç in seinem Obst- und Gemüsehandel in München, auch Theodoros Boulgarides wurde 2005 in München ermordet. Fünf Morde waren der Grund, warum der sogenannte NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten in München geführt wurde. Dass der Bombenanschlag in Nürnberg dem NSU zuzuordnen ist, kam erst beim Prozess heraus. Dabei hatte Mehmet O., dem die Gaststätte Sonnenschein damals gehörte, bei einer Befragung durch die Polizei, Susann Eminger auf Fotos wiedererkannt. Susann Eminger, die Frau von Andre Eminger, der im NSU Prozess ebenfalls auf der Anklagebank saß und zu nur zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Susann Eminger, die nachweislich Beate Zschäpe ihren Ausweis und ihre Identität zur Verfügung stellte. Doch wie so oft im NSU Komplex bestand kein Interesse daran, diese Verbindung zu sehen.

Forderung nach einem 2. Untersuchungsausschuss

Der 1. NSU Untersuchungsausschuss in Bayern beendete seine Arbeit noch bevor der Prozess in München begann. Deshalb gab es von vielen Initiativen und Vereinen, die aktiv in dem Themenfeld sind, die Forderung nach einem 2. Untersuchungsausschuss in Bayern. Der 1. Hatte, da die Verbindung ja noch gar nicht gezogen war, z.B. den Sprengstoffanschlag in Nürnberg überhaupt nicht auf die Tagesordnung genommen. Viele Erkenntnisse, die wir heute über den NSU Komplex und die rechte Szene in Bayern, allen voran Nürnberg, haben, wurden von Rechercheteams von Zeitungen und Fernsehen erarbeitet. Vieles davon auch „erst“ nach Ende des 1. Untersuchungsausschusses. Deshalb war die Forderung nach einen 2. Ausschuss, der sich mit den Erkenntnissen, die in der Zwischenzeit gewonnen wurde, eine wichtige und nachvollziehbare. Auch wenn Untersuchungsausschüsse Gremien der Landesparlamente, oder des Bundestags, sind und somit nur so produktiv sind, wie die Mitglieder in ihnen ein echtes Interesse an Aufklärung haben, können sie doch ein wichtiges Mittel sein, um die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NSU und dem Komplex in der öffentlichen Wahrnehmung zu halten. Deshalb hat z.B. auch die Nicht-Bereitschaft der Hamburgischen Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss einzurichten, zurecht für Aufregung gesorgt.

Umgang mit Betroffenen, Umgang mit Nazis

Ein parlamentarischer Ausschuss ist in einem Fall, in dem die Ermittlungsbehörden so eine große Rolle gespielt haben, schlussendlich auch auf diese in der Aufklärungsarbeit angewiesen. Doch bereits von Beginn an haben diese gemauert. So löschte das bayerische Landeskriminalamt „aus Versehen“, kaum wurde der 2. UA eingerichtet, Datensätze mit Bezug zum NSU. Der bayerische Verfassungsschutz erlaubte seinem ehemaligen V-Mann Kai Dalek, der eine bedeutende Rolle im NSU Komplex in Nürnberg gespielt hat, nur eingeschränktes Aussagerecht. Die Oppositon war den CSU- und Freie Wähler-Mitgliedern des Ausschusses immer wieder vor, wichtige Anträge, die für Erkenntnisse notwendig seien, zu blockieren. So auch, wenn es um Kai Dalek ging. Erschreckend jedoch ist auch die Herangehensweise, wie wer befragt wurde. Mehmet O., Überlebender des sogenannten „Taschenlampenattentats“ in Nürnberg 1999, wurde vehement, teils aggressiv im Oktober 2022 vom UA befragt. Nach dreistündiger Befragung verließ er den Raum unter Tränen und teilte mit, sich „zum Teil wie ein Schuldiger“ gefühlt zu haben. Daneben konnte Beate Zschäpe bei ihrer Befragung im Mai 2023 ihr Märchen von der Unbeteiligten von neuem erzählen. Ihre angebliche Reue, die Taten nicht verhindert zu haben, kaufte ihr der UA-Vorsitzende Toni Schuberl (die Grünen) ab. Auch besagter Andre Eminger berichtete vor dem UA, von den Morden nichts gewusst zu haben, er sei sogar aus der Szene ausgestiegen. Für die Teilnahme am Aussteigerprogramm in Sachsen wurde Eminger übrigens das letzte Jahr seiner Haftstrafe erlassen, aber sicherlich hat der engste Vertraute des Trios, der ihnen Fahrzeuge und eine Wohnung besorgte, wie er selbst sagt, nur über „alltägliches“ mit ihnen gesprochen, nie über Morde oder Banküberfälle und Bombenanschläge. So hat der 2. Untersuchungsausschuss in Bayern leider kaum echte Erkenntnisse gebracht, aber stattdessen bleibt der üble Nachgeschmack, dass Menschen, wie Beate Zschäpe sich erneut inszenieren konnten, während Betroffene sich fühlen mussten wie Schuldige.

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