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Der Faktor Putin in Erdoğans Libyen und Syrien-Strategie

İhsan ÇARALAN

Die Vertreter des AKP-MHP-Bündnisses und regierungstreue Medien kennen nur eine Wahrheit: „Das, was Erdoğan sagt!“

Wenn Erdoğan irgendeine Erklärung abgibt, tun sie alles, um diese „Wahrheit“ überall durchzusetzen. Für viele wird das nicht verwunderlich sein. Schließlich kommt die Wahrheit in einem Ein-Mann-Staat schließlich aus dem Munde des Alleinherrschers.

Das letzte Beispiel hierfür sahen wir nach dem Erdoğan-Putin-Gipfel am 8. Januar. Erdoğan und seine Ja-Sager hatten bisher Verhandlungen mit kurdischen Kämpfern mit der Begründung abgelehnt, man dürfe mit Terroristen keinen Waffenstillstand vereinbaren. Auch auf die Kritik am türkischen Einsatz in Libyen bzw. die Forderung, die Türkei soll bei dem Konflikt lediglich eine Vermittlerrolle übernehmen, hatten sie eine ähnliche Antwort parat: Wir dürfen nicht zwischen Putschisten (gemeint ist das Haftar-Lager) und der anerkannten Regierung vermitteln. Vermittlungen kann es nur zwischen zwei legitimen Parteien geben!

Nach dem Erdoğan-Putin-Gipfel am 8. Januar vollzogen die türkischen Offiziellen eine Kehrtwende: Sie riefen beide Konfliktparteien zum Waffenstillstand auf und erklärten, die Türkei und Russland seien bereit, in dem Konflikt zwischen den Haftar-Kräften und der international anerkannten Regierung zu vermitteln.

ERDOĞAN „SCHWENK VON DER MILITÄRISCHEN ZUR FRIEDENSSTRATEGIE“

Eine ähnliche Kehrtwende legten auch die „Experten“ und „Kommentatoren“, die als deren Sprachrohre in den regierungsnahen Medien auftreten, an den Tag. Während sie bis zum Abend des 8. Januar nur eine militärische Lösung im Konflikt als die einzig mögliche Lösung zuließen und Erdoğan als das Militär-Genie feierten, stimmten im Anschluss an den türkisch-russischen Gipfel Lobeshymnen auf das „friedensdiplomatische Genie Erdoğans“ ein. Der Widerspruch zwischen beiden Haltungen der türkischen Führung wurde von ihnen als „Ausdruck eines erfolgreichen diplomatischen Manövers“ gefeiert. Dass sie seit Jahren sämtliche Akademiker, Menschenrechtler etc., die sich für den Frieden einsetzen, als Terrorunterstützer verunglimpfen, spielte bei diesem U-Turn keine Rolle.

Die Befürworter der „Ein-Mann-Herrschaft“ machen sich seit den Abendstunden des 8. Januar auch dafür stark, dass die Türkei in Libyen eine Vermittlerrolle übernimmt. Erdoğan spielt in dieser Inszenierung natürlich die Hauptrolle, alle anderen folgen seinen Instruktionen. Danach führt Erdoğan Gespräche mit Merkel und Putin. Der türkischen Außen- und Verteidigungsminister besuchen auf seine Anweisung Russland. Selbst der italienische Premier Conte übernimmt eine Nebenrolle als Überbringer von Botschaften Haftars.

WAS PASSIERTE AM ABEND DES 8. JANUAR?

Dabei passierte am Abend des 8. Januar nichts anderes, als dass die Türkei in der Libyen-Frage auf die Linie Putins bzw. Russlands gebracht wurde. So wie in Syrien, wo die Türkei nach unzähligen Manövern an einem Punkt angelangt ist, bei dem sie ohne die Zustimmung Putins (und Trumps) keinen einzigen Schritt tun kann, kann sie nunmehr auch in Libyen keinen eigenständigen Schritt unternehmen.

Deswegen werden die Geschichtsschreiber den 8. Januar als den Tag, an dem die türkische Libyen-Politik an die russische Politik angepasst wurde, in die Geschichtsbücher eintragen.

Da stellt sich die Frage, ob die Türkei ihre „neo-osmanischen“ Pläne, in Libyen eine Regierung der Muslimbrüder zu installieren, ein großes Stück vom libyschen Kuchen abzubekommen, mit dem Sprungbrett Libyen auf den afrikanischen Kontinent zu kommen etc. aufgeben wird.

Sicherlich wird sie sie nicht aufgeben. Allerdings wird sie sie nur in dem Maße verfolgen können, in dem sie von Russland zugelassen werden, und indem sie sie mit den russischen Plänen kompatibel gestalten kann. Putin und Trump haben nun die Schwächen Erdoğans erkannt und werden sie für sich weiternutzen.

FÜR EINE NACHHALTIGE FEUERPAUSE…

Am 8. Januar gab es den Aufruf zum Waffenstillstand an zwei verschiedenen Orten. Der erste galt für Libyen und der zweite für Idlib in Syrien.

An beiden Schauplätzen willigten die Konfliktparteien dem Waffelstillstand ein. Allerdings wird er kurzzeitig und fragil bleiben, solange die Gründe des Bürgerkriegs in beiden Ländern weiterexistieren. So gibt es bereits heute Nachrichten aus beiden Regionen über die Verletzung der vereinbarten Feuerpause.

Deshalb muss man sich in Libyen und Syrien, wenn man in diesen Ländern für den Frieden eintreten möchte, gegen alle Imperialisten sein, die das Ziel verfolgen, aus dem Bürgerkrieg Kapital für sich zu schlagen und die eigenen Interessen durchzusetzen. In Ländern wie Syrien und Libyen, wo zahlreiche Regional- und imperialistische Mächte intervenieren, wird dieser Ansatz umso wichtiger.

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