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Der Rassismus, den wir kommen sahen

Sinan Cokdegerli

Erneut blickt Deutschland auf Wochen der politischen „Ratlosigkeit“ entgegen. So zumindest ist der entstehende Eindruck, wenn man sich die Wahlergebnisse der letzten Zeit vor Augen führt. Jeder scheint verwundert über ein zwar erwartetes und dennoch mahnendes Bild, das sich entwickelt hat: Alle haben verloren, nur die AfD nicht.

Rund 821.000 Menschen, also 61,6% der 1,3 Millionen Wahlberechtigten gingen an die Urnen und stimmten darüber ab, wer sie von nun an im Landtag vertreten darf. Dabei verloren nahezu alle Parteien Stimmen im Vergleich zu den Landtagswahlen 2011. Die Alternative für Deutschland (AfD) jedoch wurde die zweitstärkste Kraft im Landesparlament. Mit 55,5% war auch die Wahlbeteiligung an den Kommunalwahlen in Niedersachsen ähnlich gering. Mit 40% und 45 % war die Gruppe der Nichtwähler eindeutig die größte Gruppe, die bei den Wahlanalysen eher verschwiegen wurde, aber die Unzufriedenheit mit dem bestehenden System deutlich vor Augen führt.

Ein erwartetes Ende

Betrachtet man aber die öffentliche Diskussion im Allgemeinen aber auch speziell bei linksorientierten Wählerkreisen, herrscht generell viel Staunen und kontroverse Diskussionen werden in Bezug auf das Wahlergebnis der AfD geführt.

Die Tatsache, dass eine rechtspopulistische und rassistische Partei wie die AfD über 20% der Stimmen bekommt, hat dafür gesorgt, dass sich die progressiven Kräfte über sich und ihre Handlungen Gedanken machen und umso stärker ihre Positionen verteidigen! Wer dieses Ergebnis nicht kommen sah, dürfte die politische Lage, in der sich dieses Land befindet, in den letzten Jahrzehnten und vor allem in den letzten 3-4 Jahren nicht mitverfolgt haben.

Dasselbe Bild wie nach jedem Wahlsonntag

Wieso die AfD so viel Zustimmung bekommt, wurde bereits mehrmals thematisiert. Eine Politik, die immer mehr den Kapitalbesitzern und den Konzernen dient, fehlende Aufarbeitung des Rassismus und rassistischer Verbrechen, eine rechtspopulistische und teilweise rassistische Wortwahl, die nicht nur von konservativen und rechten Parteien und Politikern verwendet wird, sondern von Zeit zu Zeit auch bei Politikern aus dem „linken Spektrum“ auftritt, die wachsende Altersarmut, Perspektivlosigkeit und prekäre Lebensstandards…

Statt jedoch die sozialen Missstände anzugreifen, den gesellschaftlichen Kontext aufzuzeigen und gegen die Probleme vorzugehen, wegen denen der Rassismus immer wieder Fuß fassen kann, klammern viele Politiker, Organisationen und Verbände diese „Wurzel des Übels“ aus. Während Konservative sich immer mehr der rechtspopulistischen Phrasendrescherei annähern, suche Linke vermehrt die Nähe von sozialdemokratischen Kreisen, um mit regieren zu können und vergessen dabei, dass unter anderem die SPD mit ihrer Agenda 2010 und Harzt-IV-Politik Mitschuld an der jetzigen Situation trägt.

Die AfD ist mit hohen Prozentzahlen an Stimmen in viele Landtage eingezogen. Auch die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Niedersachsen, wo die AfD 7,8 Prozent der Stimmen gekriegt hat, bestätigt die Tendenz des „Rechtsrucks“ . Das gesellschaftliche Klima und die Jahre lang herrschende Politik machten es der AfD sicherlich nicht besonders schwer, Stimmen einzufangen. Jedoch ist das nicht nur ihr Verdienst, sondern vielmehr die Niederlage der anderen Parteien. Das Linke-Spektrum steht vor der Aufgabe mit einem „neuen“ Ansatz die Menschen besser zu erreichen. Demotiviert und kraftlos aus diesem Ausgangspunkt herauszugehen wäre kontraproduktiv, sondern die nötigen und richtigen Schlüsse daraus ziehen ist die zukünftige Aufgabe.

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