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Die Forderungen werden der Frage von Platzwahl geopfert

İhsan Çaralan

Die Aufgabe von Gewerkschaften oder anderen Arbeiterorganisation ist es nicht, für eine Verwirrung bei Arbeitern zu sorgen oder die Verrirchtung einer Arbeit zu erschweren. Vielmehr haben sie die Aufgabe, eine gemeinsame Willensbildung bei Arbeitern zu erreichen. Und wenn es um den 1. Mai geht, wird die Rolle von Gewerkschaften umso wichtiger, die bei den Maifeiern eine historische Verantwortung übernehmen müssten.

In den letzten Jahren spielten sie jedoch in dieser Frage eine Rolle, die zum Gegenteil dieser Verantwortung führte. Türk-İş und Hak-İş haben in den letzten Jahren ganz darauf verzichtet, den Tag der Arbeit gemeinsam zu feiern. Sie suchen jeweils eine Stadt aus, wo sie ihre zentrale Maifeier abhalten, wo sie aber auch gleichzeitig den Arbeitermassen so fern wie nur möglich sein können. Dagegen verfolgt die DİSK gemeinsam KESK, TMMOB und TTB eine Linie, die alle Aktivitäten um die Mai-Feiern herum auf die Frage des Kundgebungsplatzes reduziert. Auch dieses Jahr sieht es nicht anders aus

Dabei stehen die Arbeiter und Bediensteten im Öffentlichen Dienst vor wichtigen Entscheidungen:

– Im Parlament stehen Beratungen über den Gesetzentwurf zur Leiharbeit und privaten Arbeitsvermittlung

– Bei der Abschaffung von Abfindungsentschädigungen steht die Regierung kurz vor der Entscheidung

– Entscheidungen stehen auch bei der Verbreitung von Flexibilisierung und der Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen an

– Es werden Gesetzesänderungen zur Erleichterung von Werkverträgen vorbereitet

– Gewerkschaftsrechte werden mit Füssen getreten und das Recht auf Tarifverhandlungen wird zu einem Privileg für eine Handvoll Gewerkschaftsfunktionäre ausgehöhlt

– In einem Teil des Landes werden Ausgangssperren verhängt und Militäroperationen durchgeführt. Das Land wird gezwungen, im Konfessionskrieg in der Region Partei zu ergreifen und wird sehenden Auges in einen Krieg getrieben.

Unter diesen Bedingungen werden Türk-İş ihre zentrale Maifeier in Çanakkale und Hak-İş in Sakarya abhalten. DISK legte wieder ihren „Taksim-Fetischismus“ an den Tag und erklärte wie in den letzten drei Jahren auch dieses Jahr, den 1. Mai gemeinsam mit KESK, TMMOB und TTB auf dem Taksim-Platz feiern zu wollen.

Mit den ausgesuchten Städten für ihre zentralen Maifeiern verstossen Hak-İş und Türk-İş nicht nur gegen die Grundsätze des 1. Mai als Tag der Einheit, Solidarität und des Kampfes. Sie versuchen auch, ihre Mitglieder von Feiern fernzuhalten. Arbeiter, die von der Verwirrungstaktik der Gewerkschaftsführungen halbwegs verschont geblieben sind, erkennen die Sinnlosigkeit von solchen zentralen Feiern, zu denen sie kilometerweit gekarrt werden sollen. Sie sagen, dass bei dem 1. Mai nicht zentrale Plätze, sondern ihre zentralen Forderungen stehen müssen. Sie fragen sich auch, warum nicht Industrieregionen als Orte für zentrale Feiern ausgewählt werden.

Auch im Falle von DISK, TTB, TMMOB und KESK muss eine ähnliche Frage gestellt werden: Warum stellen sie sich nicht ihrer Verantwortung, möglichst breite Massen der Beschäftigten zu diesem Feiertag des Kampfes zu organisieren? Warum ziehen sie es vor, die zentralen Probleme und Forderungen in Diskussionen um den Taksim-Platz zu ersticken? Dabei haben wir doch in den letzten Jahren auch die Erfahrung gemacht, dass Gewerkschaften Millionen von Arbeitern und Angestellten zu Mai-Feiern mobilisieren können, wenn sie sich zusammentun. Diese könnten auch dieses Jahr wiederholt werden. Mit Blick auf die Erfordernisse des Kampfes müssten sie sogar wiederholt werden.

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