Written by 14:00 DEUTSCH

Die Gefahr eines regionalen Krieges

Yekta Dogan

Nach dem israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem sieben Beamte, darunter zwei ranghohe Generäle, getötet wurden, blieb die Frage offen, wann und wie der Iran auf Israel reagieren würde und ob diese Reaktion zu einem regionalen Krieg im Zusammenhang mit der Besetzung und dem Krieg in Gaza führen würde.

Der Iran beantwortete diese Frage, indem er in der Nacht zum 13. April einen Angriff mit Drohnen und Raketen auf Israel startete. Die Tatsache, dass die vom Iran abgeschossenen Drohnen und Raketen mit Unterstützung der von den US-amerikanischen und britischen Stützpunkten in der Region startenden Flugzeuge weitgehend neutralisiert wurden, deutet jedoch auf die Fortsetzung der Strategie der „kontrollierten Spannung“ zwischen den USA und dem Iran in der Region hin. Dass die Bedrohung durch einen regionalen Krieg verschwunden ist, kann man allerdings noch nicht sagen, da die Netanjahu-Regierung in Israel versucht, den Krieg zu eskalieren, indem sie nicht nur die Besetzung, die Massaker und die Angriffe gegen Palästina im Gazastreifen fortsetzt, sondern auch andere Kräfte in der Region ins Visier nimmt, die sie als Feinde betrachtet, wie z.B. den Angriff auf das iranische Konsulat in Syrien.

Iran möchte Gesicht wahren

Obwohl die Propaganda des Iranischen Regimes lautet, dass man sein Gesicht gewahrt habe, sich befriedigt sehe und die Angelegenheit damit als erledigt betrachte, wenn Israel nicht darauf reagiert, erinnert dieser Angriff an die Reaktion auf die USA nach der Ermordung des Quds-Force-Befehlshabers Qassem Soleimani, einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Iran in der Region. Nach der Ermordung Soleimanis durch die USA am 3. Januar 2020 in Bagdad wurde tagelang darüber gesprochen, wie der Iran Vergeltung an den USA üben würde. Die iranische Antwort bestand in einem Raketenangriff auf US-Stützpunkte im Irak, der begrenzte Schäden verursachte und mehrere US-Soldaten verletzte. Der Iran ließ also nicht nur den Angriff der USA nicht unbeantwortet, sondern reagierte auch „kontrolliert“ und genau „dosiert“, so dass es nicht zu einer Eskalation der Spannungen und Konflikte kam.

Der Angriff des Irans mit Hunderten von Drohnen und Raketen war ohne Zweifel eine Machtdemonstration gegenüber seinen Freunden und Feinden in der Region. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass der Iran wusste, dass dieser Angriff weitgehend neutralisiert und wenig Schaden zufügen werden würde. Die Erklärungen, die von iranischer Seite nach dem Angriff abgegeben wurden, haben nicht nur das Ausmaß dieser Antwort offenbart, sondern auch gezeigt, welche Haltung der Iran angesichts möglicher künftiger Entwicklungen einnehmen will.

In einer Erklärung der Ständigen Vertretung des Iran bei den Vereinten Nationen hieß es, der Angriff sei „in Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta und als Reaktion auf den Angriff auf die diplomatische Vertretung in Damaskus“ erfolgt. Weiter hieß es, dass man im Falle einer Reaktion Israels auf diesen Angriff noch härter reagieren würde und die Vereinigten Staaten wurden gewarnt, „sich fernzuhalten“. Diese Warnung macht deutlich, dass der Iran im Moment nicht daran interessiert ist, den Konflikt eskalieren zu lassen.

Heuchelnder Westen

Die USA und die EU, die trotz der UN-Resolutionen zu Palästina die größten Unterstützer der israelischen Besatzung und Aggression sind, haben mit ihrer Haltung nach dem jüngsten iranischen Angriff einmal mehr ihre heuchlerische Politik in Bezug auf das Völkerrecht unter Beweis gestellt. Die USA und die westlichen Mächte, die kein Wort gegen den Angriff Israels auf die diplomatische Vertretung des Irans erhoben haben, setzten ihre Tradition fort, sich nur dann an das UN-Recht zu erinnern, wenn es ihnen passt, indem sie nach dem iranischen Luftangriff eine „scharfe Verurteilung“ aussprachen. Israel, dass völkerrechtswidrig eine diplomatische Vertretung eines souveränen Staates (Iran) auf dem Boden eines anderen souveränen Staates (Syrien) angegriffen, mehrere Menschen getötet und damit offen einen Krieg provoziert hat, bleibt von einer „scharfen Verurteilung“ weitestgehend verschont.

Trotz dieser „scharfen Verurteilung“ des Irans und der offenen Unterstützung Israels hat die USA bisher eine Haltung eingenommen, die zu verhindern versucht, dass Israels Angriffe, Besetzungen und Massaker gegen Gaza zu einem regionalen Krieg führen. Der Grund dafür ist, dass die USA befürchtet, dass die Aggression Israels, wenn sie neue Konflikte auslöst, die eigenen regionalen Basen schwächen und verheerende Auswirkungen auf die Zusammenarbeit haben könnte, die die USA zwischen Israel und den arabischen Regimen am Golf aufzubauen versucht.

Als ob sie nicht die größten Unterstützer der zionistischen Aggression und der Massaker in Palästina wären, kritisieren US-Präsident Biden und Außenminister Blinken Netanjahus „Exzesse“ und versuchen, ihre Kollaborateure in der Region mit Botschaften der „Versöhnung“ während ihrer aufeinanderfolgenden Reisen auf ihrer Seite zu halten.

Israel provoziert Eskalation

Heute stellt das Beharren Israels auf einer kriegstreiberischen Haltung in der gesamten Region, zusätzlich zu der andauernden Besatzung und den Massakern in Gaza, ein ernsthaftes Risiko für die Strategie der „kontrollierten Spannung“ dar, die sowohl die USA als auch der Iran verfolgen und erhöht die Gefahr eines regionalen Krieges. Das reaktionäre Netanjahu-Regime in Israel, gegen das die Bevölkerung seit langem protestiert, versucht, diese Kriegstreiberei in eine Gelegenheit zu verwandeln, um sein politisches Leben zu verlängern. Das Israel andere Ziele verfolgt und in einer Versöhnungspolitik Risiken für seine regionale Existenz und Position sieht, ist spätestens seit dem großen Widerstand gegen das zwischen den USA und dem Iran während der Obama-Ära unterzeichnete „Nukleare Kooperationsabkommen“ deutlich geworden.

Alles deutet darauf hin, dass Israel die derzeitigen Spannungen mit dem Iran verschärfen will. Die israelische Regierung, die unter dem Vorwand, die Hamas zu bekämpfen, mehr als 35.000 Menschen in Gaza massakriert hat, steht unter innen- und außenpolitischem Druck. Der Krieg zieht sich immer länger und das Ziel, die Hamas zu vernichten, kann nach dem jetzigen Stand der Dinge nicht erreicht werden. Das Bild, dass der riesige Staat Israel nicht in der Lage ist, mit einer Organisation fertig zu werden, die in einem winzigen Gebiet gefangen ist, wird immer erdrückender.

In der Weltöffentlichkeit ist die Unterstützung für Israel größtenteils der Kritik gewichen. Mit anderen Worten: Israel kämpft seit geraumer Zeit um die Konsolidierung seiner öffentlichen Meinung und seiner internationalen Unterstützung. So sehr, dass sogar die Vereinigten Staaten, die nicht zögern, ihre Unterstützung für Israel unter allen Umständen zu verkünden, begannen zu betonen, dass die Angriffe auf Gaza aufhören müssen und dass es katastrophal wäre, wenn Israel einen Bodenangriff auf Rafah starten würde.

Die israelische Regierung sieht die Lösung darin, die Spannungen und den Druck, der durch den Gaza-Krieg entstanden ist, auf die Region auszuweiten und dadurch eine innen- und außenpolitische Entlastung herbeizurufen. So wird sich der Blick auf die gesamte Region verlagern und ausweiten.

Indem Israel den Iran mit seinen Angriffen unter Druck gesetzt und zu einem Schritt gezwungen hat, scheint es sein Ziel, den Druck zu zerstreuen und die Aufmerksamkeit auf die Region zu lenken, vorerst auch teilweise erreicht zu haben. Doch auch wenn der Iran mit seinem „dosierten“ Angriff immer noch versucht, einen regionalen Krieg zu vermeiden, ist es durchaus möglich, dass die Spannungen in den kommenden Tagen wieder zunehmen. Der Verlauf des Prozesses wird davon abhängen, ob Israel einen Gegenangriff starten wird und wenn ja, in welchem Umfang. Es bleibt abzuwarten, ob die USA und der Westen, die einen größeren regionalen Krieg vermeiden wollen, Israel überzeugen können, einen solchen nicht zu provozieren.

Close