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Die HDP und die legale Politik

İhsan ÇARALAN

Die HDP hält ihren 3. Ordentlichen Parteitag ab. Offiziell handelt es sich zwar dabei um einen “Ordentlichen” Parteitag. Allerdings wird er unter Bedingungen abgehalten, deren Einstufung als “außerordentlich” eine Untertreibung wäre. Diese Bedingungen sind gekennzeichnet von Verhaftungen mit ungewissem Ausgang, Durchsuchungen in Parteibüros und Wohnungen von Parteifunktionären. Es sind sozusagen “erschwerte Notstandsbedingungen”.

Schauen wir uns an, mit welchen Mitteln die HDP bekämpft wird:

– Ihre Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sind seit 15 Monaten ohne Anklage in Haft;

– Neun ihrer Abegeordneten sind inhaftiert und sieben Abgeordnete wurden ihres Mandats enthoben;

– Rund Hundert gewählte Kommunalpolitiker wurden abgesetzt, viele von ihnen inhaftiert, viele Kommunen unter Zwangsverwaltung gestellt;

– Tausende von Parteimitgliedern wurden mit dem Vorwurf “Kontakte zur Terrororganisation” in Haft genommen;

– während die Medien die Fraktionssitzungen der anderen drei Parteien im Parlament live übertragen, werden die Sitzungen der HDP-Fraktion mit keinem Wort erwähnt;

– wenige Tage vor dem Parteitag der HDP wurden gegen die aktuelle Ko-Vorsitzende Serpil Kemalbay, den Co-Vorsitzenden der HDK, Prof. Dr. Onur Hamzaoğlu sowie führende Funktionäre der Parteien und Organisationen, die der HDK angehören, Haftbefehle erlassen;

– lokale und regionale HDP-Organisationen und deren Funktionäre stehen im Mittelpunkt von Polizeirazien und werden mit willkürlichen Verboten belegt;

– die Teilnehmer des Parteitags werden von der Verwaltung der Hauptstadt schickaniert und an der Teilnahme behindert.

Kurzum: Erdoğan und die AKP-Regierung sowie ihr Koalitionspartner MHP konnten sich damit nicht abfinden, dass die HDP mit den Stimmen von 6 Mio. Wählern als die drittstärkste Fraktion ins Parlament gewählt wurde. Vielmehr wird sie von der Regierung als eine “illegale Partei” behandelt und steht unter der Belagerung von Sicherheitskräften, Staatsanwälten und Richtern.

Insbesondere nach dem Putsch vom Juli 2016 setzten Erdoğan und die AKP-Regierung alle Hebel in Gang, um die HDP aus dem Feld der legalen politischen Tätigkeit herauszubewegen. Somit sollte der rechtliche Rahmen ihrer Tätigkeit so eng wie möglich gehalten und ihr Einfluß zurückgedrängt werden. Man versucht heute die HDP durch den Druck auf ihre Wählerschaft zu isolieren.

Damit möchten Erdoğan und die AKP-Regierung die kurdische Frage auf eine “Frage des Terrors” reduzieren und die HDP daran hindern, bei der friedlichen Lösung dieser Frage eine Rolle zu übernehmen.

Selbstverständlich spielt die HDP im Kampf der Kurden um Gleichberechtigung eine wichtige Rolle. Ihr kommt allerdings auch im Hinblick auf die Demokratisierung der Türkei eine wichtige Rolle zu. Im Kampf um die Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten ist sie eine unverzichtbare Stütze.

Deshalb möchten Erdoğan, die AKP und die MHP, die HDP zum Verlassen der demokratischen Stellungen bewegen und isolieren. Allerdings entstand die HDP auf den Erfahrungen des jahrzehntelangen Kampfes gegen Repressionen. Deshalb wird sie es verstehen, ihre demokratische Stellung zu verteidigen.

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