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Die Kaufkraft der Arbeiterinnen und Arbeiter sinkt

Serdar Derventli

Die Energie- und Nahrungsmittelpreise sind in den letzten Monaten rapide gestiegen. „Die Schwankungen auf den Energiemärkten haben sich noch nicht vollständig auf die Lebensmittelpreise niedergeschlagen“, sagen Experten, die in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der Inflation auf 5,5 % rechnen. Während die Einkommen der Arbeiter und Angestellten rapide sinken, brechen die Energiemonopole Gewinnrekorde. Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirkt dagegen die Wirkung des den Geringverdienern versprochenen Heizkostenzuschusses.

Christine Lagarde, Präsidentin der EZB (Europäische Zentralbank), sagte Mitte Dezember, dass „die Inflation in diesem Monat zu sinken beginnen wird. Im Januar wird sie auf einem niedrigen Niveau sein“. Zwei Wochen nach der Ankündigung stieg die Inflationsrate erneut an. Diesmal erreichte sie den höchsten Stand der letzten 30 Jahre in Deutschland: 5,3 %! Auch im Januar fiel sie nicht „wie erwartet“, sondern lag bei 4,9 %.

Ähnliche Aussagen werden nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch in Deutschland gemacht. In dem vom Bundeswirtschaftsministerium am 14. Februar veröffentlichten Monatsbericht wurde behauptet, dass die Ölpreise wie folgt sinken würden: „ Für den weiteren Jahresverlauf deuten die Terminkontrakte Rohöl auf eine gewisse Entspannung der Energiepreise hin. Wenn sich zusätzlich die Lieferengpässe weiter verringern, sollte auch der Inflationsdruck perspektivisch nachlassen”.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts stieg der Preis für ein Barrel (159 Liter) Öl auf dem Ölmarkt auf 96 $. Vor einem Monat (Mitte Januar) lag der Preis für ein Barrel Öl bei 86 $ und vor zwei Monaten (Mitte Dezember) bei 74 $. Nach Angaben der Agenturen erreichte der Ölpreis den höchsten Stand seit Ende 2014. Experten erwarten, dass der Ölpreis in den kommenden Wochen über 100 $ steigen wird.

Die fünf größten Ölmonopole der Welt, Exxon, Shell, Total, Chevron und BP, haben das Jahr 2021 mit Rekordgewinnen abgeschlossen. Der Nettogewinn dieser fünf Monopole betrug ungefähr 90 Milliarden Dollar.

DIE ENERGIEPREISE GEHEN DURCH DIE DECKE!

Der Anstieg des Rohölpreises lässt die Preise aller fossilen Energieträger steigen. Heizöl, das im Januar 2021 bei 57,71 Cent pro Liter lag, stieg im Januar 2022 auf 87,68 Cent. Mit anderen Worten, es wurde in einem Jahr um 51,9 % teurer. Ähnlich verhielt es sich mit anderen Energieträgern (siehe Kasten).

Laut dem Preisvergleichsportal Check24 kostete eine Kilowattstunde im Januar rund 43 Cent, 41 % mehr als im Vorjahresmonat. Ein Drei-Personen-Haushalt, der das ganze Jahr über 3.500 Kilowattstunden Strom verbraucht, muss in diesem Jahr rund 435 Euro mehr zahlen.

Viele Energieunternehmen haben begonnen, Briefe, die die Energiepreiserhöhungen beinhalten, an ihre Kunden zu versenden. Entweder beugt man sich den erhöhten Tarifen aus dem Vertrag oder nutzt das “Sonderkündigungsrecht” und beendet den Vertrag. In diesem Fall besteht jedoch die Gefahr, bei einem neuen Energieunternehmen einen viel höheren Betrag zu zahlen. Für Millionen von Werktätigen mit niedrigem Einkommen ist dies buchstäblich eine Falle – eine Falle, deren Legitimität außer Zweifel steht.

DER TROPFEN AUF DEM HEIßEN STEIN…

In den kommenden Wochen beginnen die Jahresabrechnungen für die Mieter. In den Jahresabschlüssen, in denen diverse Nebenkosten vertragsgemäß abgerechnet werden, enden die Mieter fast immer verschuldet. Hinzu kommen Jahresabrechnungen für Strom, Gas und Wasser, bei denen die Verbraucher ebenfalls oft nachzahlen müssen.

In diesem Jahr wird die Heizkostenabrechnung besonders wehtun. Da das Wetter in diesem Winter bereits einen Monat früher abgekühlt hat, hat dieser Winter lange gedauert – obwohl es vielerorts keinen Schnee gab. Deshalb hat die Regierung Anfang Februar beschlossen, Haushalten, die Wohnhilfe beziehen, einen einmaligen „Heizkostenzuschuss“ zu zahlen.

Bezieher von Wohngeld erhalten einen einmaligen Heizkostenzuschuss (135 Euro für eine alleinstehende Person, 175 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt und 35 Euro pro weiterer im Haushalt lebenden Person). Diejenigen, deren Gehalt die Obergrenze um einige Euro übersteigt und die deshalb keinen Anspruch auf Wohngeld haben, beziehen auch keinen Heizkostenzuschuss.

Nachdem sie zuvor angekündigt hatte, dass 700.000 Haushalte von dieser Hilfe profitieren werden, gab die Regierung nun bekannt, dass sie den Umfang des Zuschusses ausgeweitet hat und nun 2,1 Millionen Menschen davon profitieren würden. Demnach können Studierende, die BAfög beziehen, und Auszubildende, die eine Zusatzhilfe erhalten, weil ihr Gehalt nicht ausreicht, „Heizgeld“ beantragen. Der Heizkostenzuschuss wird automatisch an Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld und an Auszubildende mit Zusatzhilfe ausgezahlt. Studierende, die BAfög beziehen, müssen das „Heizgeld“ gesondert beantragen.

Neben der unzureichenden Höhe der Hilfe zeigt die Beschränkung auf eine bestimmte Gruppe, dass die Regierung hier eine Show abzieht. Im vergangenen Jahr wurden Strom und Heizung von rund 300.000 Haushalten abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Kurz gesagt, diese sogenannte „Hilfe“ wird nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben!

NEUE PREISSTEIGERUNGEN KOMMEN FÜR LEBENSMITTEL

Energiepreissteigerungen schlagen sich auf alle anderen Produkte nieder. Steigende Energiepreise führen zu erhöhten Kosten für Rohstoffe, Produktion, Markteinführung und alle anderen damit verbundenen Phasen.

Experten verschiedener Banken und Wirtschaftsforschungsinstitute sind der Meinung, dass „sich die Schwankungen auf den Energiemärkten noch nicht vollständig auf die Lebensmittelpreise niedergeschlagen haben“. Es ist deutlich, dass die Tatsache, dass insbesondere die Ölpreise in den letzten Monaten wieder gestiegen sind und dass die im vergangenen Jahr angekündigten, aber in diesem Jahr in Kraft tretenden Energiepreiserhöhungen große Auswirkungen auf die Landwirtschaft und den Lebensmittelsektor haben werden.

Experten rechnen in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der durchschnittlichen Inflation auf 5,5 % und mit hohen Preissteigerungen vor allem bei Lebensmitteln.


ENERGIEPREISERHÖHUNGEN

Heizöl: + 51,9 %

Erdgas: + 32,2 %

Strom: + 11,1 %

Benzin: + 31,7 %

Diesel: + 38,48 %

Quelle: www.destatis.de/ 11. Februar 2022


LEBENSMITTELPREISERHÖHUNGEN

Obst und Gemüse: + 18,3 %

Milchprodukte: + 22,0 %

Rindfleisch: + 27,7 %

Hammelfleisch: + 18,4 %

Quelle: www.destatis.de/ 14. Februar 2022


REKORDGEWINNE DER ÖLMONOPOLE

Exxon 23,0 Milliarden Dollar

Shell 20,1 Milliarden Dollar

Total Energ. 16,0 Milliarden Dollar

Chevron 15,6 Milliarden Dollar

BP 12,8 Milliarden Dollar

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