Written by 10:24 HABERLER

DITIB: „Staatliche Gemeinde“ in Deutschland

Die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion), die nach dem verhinderten Putschversuch in der Türkei sich offen zu Erdogan und der AKP bekannte, wird in Deutschland nun wieder zum Gegenstand der Diskussion. Bundesländer, die der DITIB die Lehrbefähigung des Islam-Unterrichts übertragen haben, wollen diese Entscheidung erneut prüfen. Hat Deutschland aber wirklich jetzt erst bemerkt, dass die DITIB eine inoffizielle türkische staatliche Organisation ist? Oder was möchte Deutschland mit dieser neuen Diskussion erreichen?

Auch wenn die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion nach offiziellen Angaben am 12. Mai 1985 in Köln gegründet wurde, wurde sie in Wirklichkeit 1982 in Berlin gegründet. Die erhoffte Resonanz fand die in gegründete Organisation jedoch nicht. Daraufhin wurde sie einige Jahre später ein zweites Mal in Köln gegründet, um, wie es auch dem Namen nach zu erkennen ist, Türkeistämmige für die „türkisch-islamische Weltanschauung“ der nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei vorherrschte, zu gewinnen. Nachdem 1961 nach dem deutschen Anwerbeabkommen viele Türkeistämmige nach Deutschland migrierten, fingen 1965 verschiedene islamisch-politische Strömungen an, sich in Deutschland zu organisieren. Zunächst waren die stärksten Verbände die Milli Görüs, die sich an dem politischen Ziehvater von Recep Tayyip Erdogan, Necmettin Erbakan, orientierte und die Islamischen Kulturvereine (IKM), die sich an Süleyman Hilmi Turanli orientierte. In den 70`er Jahren, in denen in der Türkei wichtige gesellschaftliche Prozesse in Gang waren, versuchte der türkische Staat über ihre Konsulate und die oben genannten Verbände Einfluss auf die „Türken“ auszuüben. Nach dem Militärputsch im September 1980 ließ der Staat in europäischen Ländern, allen voran in Deutschland, die DITIB gründen, um ihre in Europa lebenden Staatsbürger in staatlich-regierungskonformer Linie zu halten, statt sie dem Einfluss von anderen islamischen Strömungen zu überlassen. Die DITIB hatte also vor allem auch die Aufgabe, als härtester Konkurrent gegen die anderen türkisch-religiös-nationalistischen Verbände zu agieren. Aus diesem Grunde waren damals militärische Zeichen und Spuren in Vereinen und Moscheen der DITIB deutlich zu spüren. Bis zur Regierungszeit der AKP hatte der „Koordinationsrat der türkischen Vereine“ die Aufgabe, die Mitgliedsvereine der DITIB zu leiten. Es gab auch viele Vermutungen und Gerüchte, dass dieser Koordinationsrat mit dem türkischen Militär in unmittelbarem Kontakt stand.

Eine Gemeinde, dessen Vertreter Beamte sind

Da die DITIB eine „staatliche Gemeinde“ war, bestanden die Leitungen immer aus Staatsbediensteten. Die Vorsitzenden in den Jahren 1985-2014 waren Beamte aus dem (türkischen) Präsidium für Religionsangelegenheiten. Die DITIB entwickelte sich zu einer Organisation, die zu einem Teil der türkischen Botschaften in Deutschland wurde. Obwohl die DITIB nach deutschem Vereinsrecht gegründet worden war und somit bestimmte demokratische Verfahren einhalten musste, wurde deutlich, dass es keine demokratisch gewählten Personen waren, sondern dass staatliche Anordnungen beim Besetzen von Leitungspositionen das Leitprinzip war. In dem Sinne, dass die DITIB eine „staatliche Gemeinde“ ist, ist vielleicht sogar die Frage nach Mitarbeitern wichtiger, als die nach den Leitungspositionen. Nach offiziellen Angaben hat die DITIB in Deutschland 900 Vereine und Moscheen. Aufgrund der Antworten auf eine Anfrage der Linkspartei kann man folgende Tatsachen festhalten: Das (türkische) Präsidium für Religionsangelegenheiten stellt insgesamt 824 von ihr bezahlte Imame (mit türkischem Beamtenstatus) für die DITIB bereit. Davon wurden 665 Imame für fünf Jahre und 159 Imame für zwei Jahre abgeordnet. Das bedeutet, dass in fast in jeder DITIB Moschee ein Imam arbeitet, der offiziell Beamter des türkischen Staates ist. Die deutsche Regierung betont aber in der Antwort auf die Anfrage der Linkspartei, dass diese Zahlen nicht überrpüft seien.

Was bezweckt Deutschland?

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die DITIB seit ihrer Gründung eine halboffizielle staatliche Organisation ist, dessen Ziel die Anbindung der türkischen Migranten an die türkische staatliche Politik ist. Dass dies so ist, ist seit langem bekannt. Diese Situation wurde auch in der deutschen Presse vielfach zu verschiedenen Anlässen thematisiert.

Ungeachtet dieser Tatsache haben die Bundes- und Landesregierungen die „staatliche Gemeinde“ DITIB als eine zivilgesellschaftliche Organisation behandelt und ihr finanzielle und politische Unterstützung gewährt. Die DITIB bekommt für verschiedene Kurse von deutschen Stiftungen und Ministerien große finanzielle Unterstützung. Sie genießt ein hohes Ansehen bei der deutschen Regierung, sie wurde eingeladen zur Islam- und Integrationskonferenz.

Als ob dies an sich nicht reichen würde, wurde die Lehrbefähigung für den islamischen Unterricht in vielen Ländern der DITIB übertragen. Auch die Reaktionen der DITIB nach der Armenienresolution und des Putschversuches am 15. Juli diesen Jahres, bewiesen, dass sie ein verlängerter Arm der AKP-Regierung in Deutschland ist. Während und zu den letzten zwei Wahlen in der Türkei (!) hat die DITIB in Deutschland wie ein Parteibüro der AKP agiert. Die Demonstration am 31. Juli in Köln wurde offiziell von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) organisiert, inoffiziell war jedoch die DITIB treibende und mobilisierende Kraft. Die Landesregierung Niedersachsen (SPD/Grüne) hat vor kurzem die geplante „Islam-Vereinbarung“ gestoppt. Laut Vereinbarung sollte die DITIB die Lehrbefähigung für den Islamunterricht, Beerdigungsaufgaben in Krankenhäusern und Gefängnissen und die Aufgabe vom Bau von Moscheen bekommen. Anders gesagt, sollte die DITIB Kompetenzen bekommen, die in christlichen Kontexten lediglich die Kirchen haben. Ähnlich sieht es auch in Rheinland-Pfalz aus. Auch sie hat die Vereinbarung auf Eis gelegt, mit der Begründung, es gibt Zweifel an der Unabhängigkeit der DITIB. Deutschland fordert von der DITIB eine Distanzierung von der Türkei und eine Entwicklung zu einer deutschen Organisation. Dies erscheint jedoch unmöglich. Die politischen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland spiegeln sich selbstverständlich auch auf die Äußerungen der DITIB wieder. Insofern ist es zu erwarten, dass die Äußerungen der DITIB in naher Zukunft an zugespitzter sein werden. Denn türkische Organisationen in Deutschland müssen parallel zu den politischen Diskussionen zwischen beiden Staaten ihre Standpunkte deutlich machen. Eine Organisation wie die DITIB wird das ganz unmissverständlich tun. Die Idee, aus der DITIB einen Ansprechpartner zum Thema Islam zu machen, hat ausgedient. Eine Organisation, die nationale und religiöse Gefühle provoziert, den Glauben der Menschen ausnutzt und das Interesse von einer Regierung und einer Partei im Zentrum seines eigenen Interesses hat, hat den türkeistämmigen Migranten in Deutschland nichts Gutes zu bieten.

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