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„Durch und durch ein gemeinschaftliches Projekt“

Alev Bahadir

Bereits zum 5. Mal findet am 22. Juni 2019 das Straßenfest gegen Rassismus und Diskriminierung – für ein besseres Zusammenleben in Nürnberg am Aufseßplatz statt. Das alljährliche Fest wird von über 50 Organisationen unterstützt. Wir haben uns mit Eylem Gün, DIDF Nürnberg, die zum Organisationskreis des Straßenfestes gehört, über die Vorbereitungen zum Fest unterhalten.

Dieses Jahr hat das Straßenfest sein 5. Jubiläum. Es war damals eure Initiative. Kannst du uns kurz den Anfang dieses Projekts erläutern?

Das erste Straßenfest hat 2014 stattgefunden. In Nürnberg wurden drei Menschen vom NSU ermordet, zuvor hatten die Rechtsterroristen bereits einen Bombenanschlag auf eine Gaststätte in der Nürnberger Südstadt verübt, wobei der Besitzer schwere Verletzungen erlitten hatte. Selbstverständlich hat die Nürnberger Stadtgesellschaft das ganze nicht einfach so hingenommen, sondern es gibt bis heute jedes Mal, wenn die Rechten in Nürnberg auftreten wollen, auch starke Gegenaktionen. Als der NSU Prozess im Mai 2013 begann, war leider abzusehen, dass das mediale Interesse mit der Zeit immer weniger würde. Also entstand die Idee, etwas zu schaffen, bei dem möglichst viele Organisationen zeigen, dass sie einerseits die Opfer des NSU und jeglicher rechter Gewalt nicht vergessen haben, aber auch, dass wir unsere Stadt nicht den Rassisten überlassen. Wie könnte man so eine Idee besser in die Gesellschaft tragen, als mit einem Fest, wo die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen oder einfach nur gemeinsam feiern können. Unsere beiden Vereine, DIDF und DIDF-Jugend Nürnberg, engagieren sich bereits seit Jahren in Nürnberg für alle möglichen Belange, also waren wir schon sehr gut vernetzt. Als wir den Aufruf für ein Vorbereitungstreffen für das erste Straßenfest veröffentlicht haben, sind dem gleich über 30 unterschiedliche Organisationen gefolgt. Das Straßenfest findet seitdem jedes Jahr im Juni am Aufseßplatz statt. Zeit und Ort sind auch nicht zufällig gewählt. Der Aufseßplatz ist im Herzen der Südstadt, wo zwei der Morde und der Sprengstoffanschlag begangen wurden. Alle drei Taten wurden im Juni begangen. Heute ist das Straßenfest mit jedem Jahr größer geworden und nicht mehr aus Nürnberg wegzudenken.

So viele Organisationen unter einem Dach zusammenbringen ist sicherlich nicht einfach, oder?

Wie intensiv sich die einzelnen Organisationen in das Straßenfest einbringen, ist unterschiedlich. Es gibt welche, die sich lediglich mit ihrem Namen und einem Geldbetrag einbringen, auch wenn sie bei Vorbereitungen außen vor bleiben. Aber auch das ist in Ordnung und zeigt, dass sie sich in irgendeiner Form einbringen wollen. Gleichzeitig gibt es auch viele Organisationen, die sehr aktiv in den Vorbereitungen stecken. Die Vorbereitungen für das Straßenfest 2019 haben bereits im Herbst 2018 begonnen. Es gab und gibt offene Vorbereitungstreffen, wo über die einzelnen Teile des Straßenfestes diskutiert und entschieden wird. Bei den ersten Vorbereitungstreffen wurden AGs bestimmt, die sich damit inhaltlich auseinandersetzten. Also z.B. die Programm AG, die sich Gedanken zum Bühnenprogramm macht und Vorschläge ans Plenum richtet, die AG Öffentlichkeitsarbeit, die die Homepage pflegt, den Flyer erstellt, Pressemitteilung usw. verfasst. Die AG Finanzen, die sich um Fördermittel und Spenden für die Finanzierung des Fests kümmert. Vom Bühnenprogramm bis hin dazu, welches Bier auf dem Fest verkauft wird, wird also alles gemeinschaftlich geplant. Im Vorfeld wird ein Plan erstellt und die unterschiedlichen Organisationen planen auch, wann und wo gemeinsam Flyer verteilt werden. Auf dem Straßenfest selbst gibt es einen zentralen Infostand, wo die unterschiedlichen Gruppen Helfer für den Infostand bereitstellen. Auf dem Fest hat jede Organisation, die mitmacht, die Möglichkeit mit einem Infostand dabei zu sein. Es gibt nur einen zentralen Essensstand und einen Getränkestand. Die Erlöse daraus, sowie die Teilnahmebeiträge, die die Gruppen leisten, wandern direkt wieder in die Straßenfestkasse, um es zu finanzieren. Es ist also durch und durch ein gemeinschaftliches Projekt.

Welche Highlights erwarten uns am 22. Juni auf der Bühne?

Dass unser Straßenfest so vielfältig ist, spiegelt sich auch im Bühnenprogramm wieder. Wir haben Bands, die mit Popsongs für gute Stimmung sorgen. Wir haben unterschiedliche Kulturvereine, deren Tanzgruppen auftreten oder eben auch die Tanzgruppe der Lebenshilfe, die aus Menschen mit Behinderung besteht. Ein Highlight ist natürlich auch immer die letzte Band, die auftritt. Dann sind die Infostände abgebaut und alle sind in Feierlaune. Dieses Jahr konnten wir Feryal Öney und ihre Gruppe gewinnen. Feryal Öney ist vielen bekannt aus ihrem anderen Engagement in der bekannten mehrsprachigen Gruppe „Kardeş Türküler“. Ich glaube, die Band ist ein gelungener Abschluss. Ein Highlight haben wir jedoch noch. Wir hatten als Act den bekannten Liedermacher und Künstler Konstantin Wecker angefragt. Leider ist er am 22. Juni verhindert, doch hat ihm das Konzept des Straßenfestes so gut gefallen, dass er für uns eine Videobotschaft aufnimmt, die wir beim Straßenfest zeigen werden.

Nun ist ja der NSU-Prozess kurz nach dem 4. Straßenfest zu Ende gegangen. Beate Zschäpe ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden, ihre Mitangeklagten kamen mit kürzeren Strafen davon. Mit der AfD sitzt eine offene rechte Partei im Bundestag und in allen Landtagen, auch in Bayern. Was ist eure Motivation weiterzumachen?

Genau das! Das Kapitel NSU ist erst geschlossen, wenn wir, die Zivilbevölkerung es zulassen. Und das dürfen wir eben nicht. Besonders, wenn wir uns die Wahlerfolge der AfD usw. anschauen. Wenn nicht wir immer wieder an die Opfer des NSU erinnern, werden sie irgendwann vergessen sein. Wenn nicht wir uns PEGIDA, der AfD usw. in den Weg stellen, werden sie weiter Hass säen. Deshalb müssen wir genau in dieser Zeit zeigen, dass sie eben nicht die Meinung der Vielen vertreten. Dass wir die Vielen sind, die heute, morgen und übermorgen, zusammen feiern, zusammen etwas schaffen und zusammen eben auch stärker sind als ihr Hass.

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