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Ein weiteres Mal Nein zum Faschismus!*

Nach der Ausweisung der Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya aus den Niederlanden gaben AKP- und Regierungsvertreter Erklärungen ab, die die diplomatische Krise vertieften. Sie sind Ausdruck einer pragmatistischen Haltung, mit der man im Vorfeld des Referendums innenpolitisches Kapital schlagen möchte. Nach dem Ankara-Massaker vom 10. Oktober 2015 hatte der damalige Ministerpräsident Davutoglu erklärt, dadurch habe die AKP ihren Stimmenanteil erhöhen können. Jetzt erklärte Hüseyin Kocabıyık, AKP-Abgeordneter für den Wahlkreis Izmir: “Wir sollten den Niederlanden nicht böse, sondern dankbar sein. Sie können sicher sein, dass der Anteil der Befürworter der Verfassungsänderung um zwei Prozentpunkte gestiegen ist.”

Zugunsten nationalistischer Hetze schafft die Regierung immer wieder neue Feindbilder. Nun sind die Niederlande und andere EU-Länder an der Reihe. Damit versucht sie, den Rückgang bei den Ja-Stimmen zu stoppen. Mit antiwestlichen Reden soll ihr Stand konsolidiert werden. Zu diesem Zweck wurden auch die in den Niederlanden lebenden Türkeistämmigen mobilisiert.

Die AKP-Regierung wurde im Nahen Osten in die Enge getrieben und beim Referendum, bei dem das Ein-Mann-Regime zur Abstimmung steht, sah sie sich vom gewünschten Ausgang weit entfernt. Vor diesem Hintergrund ist die Krise mit den Niederlanden ein wahres Geschenk. Dass die AKP-Regierung, die die von der Bevölkerung gewählten Abgeordneten in die Gefängnisse steckte, HDP-Minister an der Weiterfahrt nach Cizre hinderte, Akademiker und Staatsbedienstete entließ, jetzt Deutschland und die Niederlande als Faschisten beschulldigt, macht jede Kommentierung überflüssig.

Andererseits versuchen heute faschistische Parteien in allen europäischen Ländern die Migrationsfrage zu instrumentalisieren, um ihren Stimmenanteil zu erhöhen. Das führt jedoch nicht nur zur Erhöhung ihres Stimmenanteils, sondern zu einer allgemeinen Stärkung der Reaktion auch bei in politischer Mitte angesiedelten Parteien. Diese Reaktion ernährt sich aus der Migrationsproblematik. Migranten werden zu Sündenböcken für den Abbau bestehender Rechte und damit zur Zielscheibe gemacht und gegen die Werktätigen ausgespielt. Damit wird die Feindseligkeit zwischen den Völkern verstärkt. Die AKP-Regierung spekulierte mit dieser gesellschaftlichen Verwerfung und versucht, für sich den größten Nutzen aus dieser sozialen Spaltung zu ziehen.

Die AKP-Regierung, die den Führungen anderer Länder Faschismus vorwirft, bereitet gerade mit der angestrebten Verfassungsänderung die Grundlage für den Faschismus in der Türkei. Ein Systemwechsel, bei dem die ganze politische Macht in die Hände eines Einzelnen gelegt wird, ernährt sich aus derselben Quelle wie die nationalistischen, rassistischen und faschistoiden Strömungen in Europa.

Es ist wichtig, dass die in Europa lebenden Türkei-stämmigen Werktätigen sich nicht von dieser Hetze beeinflussen lassen, für die sie selbst und auch die Türkei einen hohen Preis bezahlen müssen. Sie müssen einen Strich durch diese Rechnung ziehen und in Solidarität mit den europäischen Werktätigen gemeinsam dafür sorgen, dass der Faschismus in ihren Ländern nicht institutionalisiert wird. Beim Referendum mit Nein zu stimmen, ist gleichzeitig die Voraussetzung dafür, dass die demokratischen Institutionen in Europa geschützt werden.

Auch die Werktätigen in der Türkeit müssen angesichts möglicher Provokationen auf internationaler und innenpolitischer Ebene wachsam sein und erkennen, dass ihre Urheber damit die Zustimmung zur Verfassungsänderung verfolgen. Wir werden uns nicht von der Hetze irreführen lassen und einem Ein-Mann-Regime, das die Türkei zu einem von allen Seiten durch Feinde umzingelten Land machen würde, Einhalt gebieten.

Der Faschismus wird besiegt, die Werktätigen der Welt werden siegen.

* Im folgenden dokumentieren wir die Erklärung der Vorsitzenden der Partei der Arbeit (EMEP), Selma Gürkan zu der diplomatischen Krise zwischen der Türkei und einer Reihe von EU-Staaten

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