Die Tarifrunde der Länder wird generell als die kleine Version der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst des Bundes betrachtet. Jedoch ist das zu kurz gefasst und gibt nicht die wahre Bedeutung dieses Arbeitskampfes wider.
In der Tarifrunde der Länder verhandeln verschiedene Gewerkschaften mit den jeweiligen Bundesländern über die Entgelte und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Länder. Neben den DGB-Gewerkschaften, wie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), oder der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sitzt auch der Deutsche Beamtenbund (dbb) am Verhandlungstisch. Tonangebend ist hier, wie auch im Öffentlichen Dienst des Bundes und vielen anderen Bereichen die stärkste Gewerkschaft, nämlich die ver.di.
Am 1. und 2. November fand der zweite Verhandlungstermin für die Tarifrunde der Länder 2021 statt und war, wie zu erwarten, eine Enttäuschung für alle Beschäftigten. Trotz massiv steigender Lebenserhaltungskosten und der immensen Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich hat die Tarifgemeinschaft der Länder, also die Seite der Arbeitgeber, keinerlei Mühe gezeigt, auf die Forderungen der Gewerkschaften einzugehen.
Im Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde hatte Frank Werneke, Vorsitzender der ver.di, noch verkündet „[…] es braucht eine deutliche Erhöhung für dieses Jahr und nächstes Jahr, damit am Ende nicht weniger Geld im Portemonnaie bleibt.“ Doch das Ergebnis der bisherigen Gespräche zeigt erneut, dass Tarifverhandlungen nicht am Verhandlungstisch, sondern zwischen den Gesprächsrunden, auf den Straßen und vor den Betrieben, Dienststellen und Kliniken entschieden werden. Darauf ging der Gewerkschaftsvorsitzende nach den Verhandlungen mit den folgenden Sätzen ein. „… Wenn wir diese Tarifrunde erfolgreich bestehen wollen […], dann müssen wir jetzt gemeinsam Druck machen, demonstrieren, streiken, müssen erkennbar sein auf den Straßen, auf den Plätzen und richtig richtig Kraft aufbauen für den dritten Verhandlungstermin.“
Die Schuldigen für die Streiks sind nicht die Streikenden
In den nächsten Wochen wird folgen, was folgen muss, wenn in Tarifverhandlungen keine Ergebnisse erzielt werden, nämlich Arbeitskämpfe. Diese sind nach deutschem Recht gesetzlich geschützt und die Gewerkschaften dürfen ihre Mitglieder und alle Belegschaften zu Streiks aufrufen. Die Tarifgemeinschaft der Länder hingegen wird alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um öffentlich Gegendruck zu erzeugen. Bereits jetzt ist absehbar, dass es in wenigen Tagen heißen wird, die Streiks seien eine Gefährdung für Patientinnen und Patienten, seien überzogen oder unverhältnismäßig. Sie sind aber insbesondere eins, sie sind vermeidbar gewesen. Dafür hätten die Arbeitgeber nur auf die Forderungen der Beschäftigten eingehen müssen.
Den Kolleginnen und Kollegen in diesen Bereichen bleibt nichts anderes übrig, als nun mit Streiks ihren Forderung lautstark Nachdruck zu verleihen. Ganz vorne bei dem Streik sind die Azubis. Vor allem die Auszubildenden der Unikliniken der Länder stehen hierbei im Fokus der Streiks und somit auch im Mittelpunkt der Gegenangriffe der Arbeitgeber. Aus vielen Kliniken wird bereits jetzt berichtet, dass den Auszubildenden ein schlechtes Gewissen eingeredet wird, sie würden die Kolleginnen und Kollegen im Stich lassen mit der Arbeitsbelastung. Auch werden sie indirekt bedroht, sie würden ihre Ausbildung gefährden etc. Unter anderem auch aus diesem Grund gehen insbesondere die Auszubildenden in Probezeit meistens nicht streiken.
„Wir brauchen Auf- und keine Abwertung!“
Wir haben über die bevorstehenden Arbeitskämpfe mit Maximilian Kadach, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Bereich Jugend gesprochen.
Was sind die Forderungen der Gewerkschaft im Bereich der Länder und warum gerade diese Forderungen?
Unsere Forderungen sind aus den Befragungen der betroffenen Beschäftigten hervorgegangen. Wir fordern für alle 5% aber mindestens 150€ plus! Die prominenteste und aus meiner Sicht einer der wichtigsten Forderungen ist jene für das Gesundheitswesen. Hier fordern wir mindestens 300€ Gehaltsplus. Hiermit wollen wir zum einen dem Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen durch eine Steigerung der Attraktivität entgegenwirken und zum anderen die Leistungen in der Pandemie angemessen honorieren. Zusätzlich fordern wir studentische Beschäftigte endlich zu tarifieren. Darüber hinaus möchten die Arbeitgeber die Axt an die „Arbeitsvorgänge“ legen. Sollten sie damit Erfolg haben, würde das eine massive Verschlechterung der Eingruppierung für die betroffenen Beschäftigen bedeuten. Unsere Forderung hier ist klar: Finger weg! Wir brauchen AUF- und keine Abwertung!
Warum ist die Tarifrunde der Länder so bedeutsam?
Mal abgesenen davon, dass hier für Millionen betroffene Beschäftigte verhandelt wird, gibt es noch mehrere weitere Gründe: Zum einen aufgrund der nun deutlichen Inflation von um die 4%, die nach einem Ausgleich verlangt. Und zum anderen, weil in diesem Bereich auch die Unikliniken enthalten sind. Die Kosten der Krise sollen aus Sicht der Arbeitgeber offensichtlich mit Einsparungen bei den Beschäftigten finanziert werden. Dem müssen wir mit aller Kraft entgegenwirken. Gerade das perfide Vorhaben der Arbeitgeber, die Arbeitsvorgänge so zu verändern, dass eine Verschlechterung der Eingruppierung die Folge wäre, zeigt, dass die Arbeitgeber dieses Mal nicht nur „alles beim Alten“ sondern „Wir wollen es noch schlechter“ als Losung ausgegeben haben.
Wie ist die derzeitige Situation rund um die Verhandlungen?
Die Arbeitgeber haben eine klare Position: Keinerlei Zugeständnisse. Die Argumente sind dermaßen absurd, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass sie das wirklich ernst meinen können. Bei der Inflation rechnen sie es mit der geringen der letzten Jahre gegen und sagen, das fällt nicht ins Gewicht. Und beim Gesundheitsbereich meinen sie, es gäbe eigentlich keine nennenswerte Mehrbelastung! Blanker Hohn, vor allen Beschäftigten gegenüber und ein Signal: Das Geld, um die Krise zu bezahlen, holen wir uns „von unten“ – wenig überraschend.
Auf Grund der Pandemie liefen 2020 weniger Streiks. Wie ist die Stimmung bei den KollegInnen heute?
Die Stimmung ist überraschend kämpferisch. Die Arbeitgeber haben mit ihrer Arroganz eine Welle der Wut ausgelöst. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass gerade auf Landesebene der gewerkschaftliche Organisationsgrad wirklich sehr ausbaufähig ist und die Pandemie nun, wenig überraschend, wieder ordentlich Fahrt aufnimmt, was die Sache natürlich nicht einfacher macht. Eine Prognose würde ich mir nicht zutrauen. Wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen.