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Schlechtes Angebot für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst

Die Schlichtungskommission im Öffentlichen Dienst (ÖD) hat einen Vorschlag unterbreitet, der die Reallöhne senken würde. Abgesehen von den Löhnen ist der Vorschlag auch deshalb unannehmbar, weil der Vertrag eine Laufzeit von 24 Monaten hat. Die Tarifvertragsparteien haben die Verhandlungen wieder aufgenommen und hoffen, bis Ende des Monats zu einem Ergebnis zu kommen.

UMUT YAŞAR

Die Tarifverhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte auf kommunaler und Bundesebene werden am 22. April wieder aufgenommen. Die Gewerkschaften, die den Tarifvertrag aushandeln (die DGB-Mitgliedsgewerkschaften Ver.di, GEW, IG BAU, GdP und die Beamtengewerkschaft DBB) hatten am 30. März bekannt gegeben, dass die Verhandlungen sich in einer Sackgasse befinden.

Die Arbeitgeber des ÖD riefen daraufhin die Schlichtungskommission an und forderten ein Schlichtungsangebot. Am 6. April trat die Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Henning Lühr zusammen und einigte sich am Abend des 14. April auf einen Kompromissvorschlag (siehe Kasten).

„EINE GUTE INVESTITION FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST“

Lühr, der von Ver.di als Vorsitzender der Kommission vorgeschlagen wurde, erklärte, dass der erarbeitete Kompromiss von einer überwältigenden Mehrheit der Kommission angenommen worden sei. Es gebe einen Inflationsausgleich für 2023, eine prozentuale Erhöhung für dauerhafte Lohnerhöhungen ab 1. März 2024 und einen Sockelbetrag. Dieser Mix sei ein fairer Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld ausgegeben werden müsse. Prof. Dr. Georg Milbradt, von den öffentlichen Arbeitgebern vorgeschlagener Vertreter der Kommission, empfahl den Arbeitgebern ebenfalls die Annahme des Kompromisses, der unter Berücksichtigung der hohen Inflationsraten, der Interessen der Beschäftigten, aber auch der Steuer- und Abgabenzahler eine schnelle und einvernehmliche Beilegung des Tarifkonflikts bedeute.

DER „INFLATIONSAUSGLEICH“ GLEICHT DIE INFLATION NICHT AUS!

Ein Blick auf den „Einigungsvorschlag“ zeigt, dass es sich im Grunde um ein schlechtes Angebot handelt. Seit Mitte 2021 hat die steigende Inflation die Reallöhne um fast 20 Prozent sinken lassen. Die exorbitanten Steigerungen bei Energie und Lebensmitteln treffen die Arbeiterhaushalte besonders hart. Der von der Regierung vorgeschlagene „Inflationsausgleich“ von 3.000 Euro ist daher weit davon entfernt, die Inflation auszugleichen.

Außerdem werden die Löhne für die ersten 14 Monate des Vertrags mit einer Laufzeit von insgesamt 24 Monaten eingefroren. Mit anderen Worten: Die Reallöhne werden 14 Monate lang in Höhe der Inflation weiter sinken und die vorgeschlagenen 220 Euro Sockel + 5,5 % gelten somit nur für 10 Monate. Mit diesem Angebot wird die Kaufkraft der öffentlichen Bediensteten weiter sinken.

WORIN BESTEHT DER UNTERSCHIED ZUM VORHERIGEN ANGEBOT?

Bekanntlich hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Tag des Scheiterns der Verhandlungen verkündet, dass die öffentlichen Arbeitgeber ein Angebot von 8 Prozent und eine Mindestlohnerhöhung von 300 Euro vorgelegt hätten. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke wies darauf hin, dass das Angebot von 300 Euro für eine Laufzeit von 24 Monaten gelten solle, also somit im Durchschnitt 150 Euro für je 1 Jahr. Das sei kein soziales Angebot.

Im Kompromiss wird jedoch eine Grundlohnerhöhung von 340 Euro vorgeschlagen – nur 40 Euro mehr als beim letzten Angebot!

Ver.di gewann in dieser Tarifperiode mehr als 70.000 neue Mitglieder und will diesen Trend bei den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes nicht stoppen. Diese Tatsache könnte die Kompromissempfehlung also mit entscheiden.

KEIN AKZEPTABLES ANGEBOT

Die Gewerkschaften waren mit der Forderung nach einer 10,5-prozentigen Erhöhung bei einer Vertragslaufzeit von 12 Monaten, mindestens aber mit einer monatlichen Festlohnerhöhung von 500 Euro in diese Tarifrunde gegangen. „Mit unserer Forderung nach mindestens 500 Euro wollen wir die Einkommen der Beschäftigten, insbesondere in den unteren Lohngruppen, erhöhen und die Inflationsverluste ausgleichen“, hatten die Gewerkschaften erklärt.

Der heutige Vorschlag gleicht jedoch die inflationsbedingten Lohnverluste vor allem in den unteren Lohngruppen nicht aus und vergrößert generell die Lohnschere zwischen den Beschäftigten des ÖD. Tatsächlich wird die Forderung nach einer festen Lohnerhöhung auch erhoben, um zu verhindern, dass sich der Lohnabstand in diesem Sektor weiter vergrößert. Die Forderung nach einer rein prozentualen Lohnerhöhung hingegen führt zu einer kontinuierlichen Vergrößerung dieses Unterschieds. Kurzum, das Angebot ist für die Beschäftigten im ÖD nicht akzeptabel.

Die Gewerkschaften möchten nun in die betriebliche Diskussion einsteigenund entscheiden, ob man diesen Kompromiss eingehen soll. Grundlage dafür sind konkrete Tabellen und Beispielrechnungen, die Ver.di veröffentlicht hat.

Wir sind der Meinung: Alle öffentlich Bediensteten sollten ohne Zeitverlust in die Diskussion einsteigen und den Vorschlag entschlüsseln. Der Vorschlag garantiert keine Erhöhung der Reallöhne, sondern bedeutet eine Senkung. Es ist sehr wichtig, die Mitglieder der Tarifkommission anzurufen, bevor sie nach Potsdam fahren und ihnen diesen faulen Kompromiss mitzuteilen, aber es ist auch sehr wichtig, den Druck aufrechtzuerhalten.

Es muss sehr deutlich gemacht werden, dass die Forderung „10,5 Prozent für 12 Monate – aber mindestens 500 Euro mehr Lohn“, die vor drei Monaten zu Beginn der Verhandlungen erhoben wurden, weiterhin gerechtfertigt sind.


KOMPROMISSVORSCHLAG

– Die Dauerlöhne der Beschäftigten des TVÖD werden vom 1. Januar 2023 bis zum 29. Februar 2024 (14 Monate) eingefroren. Anstelle einer Erhöhung der Stammbezüge wird vom 1. Juni 2023 bis zum 29. Februar 2024 ein Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro – steuer- und abzugsfrei – gezahlt. Beginnend am 1. Juni 2023 mit einer Zahlung von 1.240 Euro, wird die Zulage von Juli 2023 bis Februar 2024 mit monatlichen Zahlungen von 220 Euro fortgesetzt.

– Ab dem 1. März 2024 werden die festen Bezüge zunächst um 200 Euro (Sockelbetrag) und dann um 5,5 Prozent erhöht. Wenn diese Erhöhung nicht zu einer Gesamterhöhung von mindestens 340 Euro führt, wird die Lohnerhöhung um den Betrag ausgeglichen.

– Auszubildende und Praktikanten erhalten am 1. Juni 2023 einen Inflationsausgleich in Höhe von 620 Euro und vom 1. Juli 2023 bis zum 29. Februar 2024 in Höhe von 110 Euro pro Monat, vorbehaltlich der oben genannten Regelungen. Die Vergütungen von Auszubildenden und Praktikanten werden ab dem 1. März 2024 um 150 Euro erhöht.

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