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Ermittlungen gegen 20 Personen wegen Tätigkeit für MIT in Deutschland

Gegen 20 Personen, denen man vorwirft, nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei insbesondere Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausgespäht und die gesammelten nachrichtendienstlichen Informationen an Ankara weitergegeben zu haben, wurde nun Anklage erhoben. Einen Großteil der Verdächtigen bilden Imame, die von der türkischen Religionsbehörde Diyanet als Beamte nach Deutschland entsendet wurden.

Nachdem der türkische “Nationale Nachrichtendienst” (MIT) gesammelte Informationen über 358 Personen sowie 200 Schulen, Stiftungen, Betriebe und Vereine mit einem Amtshilfeersuchen an den Bundesnachrichtendienst BND übergeben hat, wird inzwischen in Deutschland gegen 20 Personen wegen Verdachts der Agententätigkeit für den MIT ermittelt. In einer vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Günter Krings, unterzeichneten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen heißt es, in den eingeleiteten Verfahren werde gegen im MIT-Auftrag tätige Agenten bzw. Imame von Diyanet ermittelt.

Auch wenn in der Anfrage die Rede von “unbekannt” ist, geht man davon aus, dass der deutsche Geheimdienst die Namen und Adressen der mutmaßlichen Spitzel kennt.

Zu den Personen, gegen die ermittelt wird, gehören auch Imame, die nach dem Putschversuch vom Juli 2016 im Auftrag von Diyanet die Gülen-Bewegung ausgespäht und die gesammelten Informationen nach Ankara weitergegeben haben. Ein Teil dieser Imame wurde nach Bekanntwerden des Vorfalls in die Türkei zurückbeordert, um einer Verhaftung zu entgehen.

Im Gespräch mit der Tageszeitung “Evrensel” erklärte Dağdelen, der Verdacht der “Agententätigkeit, die man den DITIB-Moscheen vorwirft, ist in einem Rechtsstaat inakzeptabel.” Die Bundesregierung und den Generalstaatsanwalt forderte Dagdelen auf, gegen das Agentennetzwerk des Staatpräsidenten Erdoğan in Deutschland effektiv vorzugehen. “Erdoğans Spitzel können sich ohne Schwierigkeiten in die Türkei zurückziehen, weil man nichts unternimmt. Die Bundesregierung muss diese Zusammenarbeit mit Erdoğan sofort beenden”, so Dağdelen.

Sie wies auch darauf hin, dass die der türkische Geheimdienst MIT die DITIB im Auftrag der türkischen Regierung gegen oppositionelle Kräfte in Deutschland einsetze. Es sei ein Skandal, dass die Bundesregierung nicht dagegen vorgehe.

EIN HOCHRANGIGER DIYANET-LEITER STEHT AUCH AUF DER LISTE

Zu den Personen, gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, gehört auch Halife Keskin, ein honchrangiger Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Er steht im Verdacht, den Auftrag der Agententätigkeit an die DITIB-Imame erteilt zu haben. Obwohl Keskin in Vergangenheit Attaché für Religionsfragen beim türkischen Generalkonsulat in Brüssel tätig war, wurde er gleichzeit zum Vizevorsitzenden der DITIB in Deutschland gewählt. Außer Keskin sind weitere 12 Imame auf der Liste, gegen die die Generalstaatsanwaltschaft derzeit ermittelt. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass der türkische Geheimdienst MIT die aus der Türkei entsendeten Imame als Spitzel einsetzt.

Der Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hatte in früheren Erklärungen darauf hingewiesen, dass es ausländischen Geheimdiensten in Deutschland untersagt sei, eigene Staatsbürger auszuspähen und entsprechende Maßnahmen gegen die Aktivitäten von MIT angekündigt. Bisher ist nichts geschehen.

VISAERTEILUNGEN AN IMAME RAPIDE ZUGENOMMEN

Laut Angaben aus deutschen Geheimdienstquellen sind derzeit rund 6.000 türkische Spitzel und Agenten in Deutschland aktiv. Bei einem Großteil von ihnen soll es sich um Staatsbedienstete handeln, die die Türkei entsendet hat. Und die Imame sollen in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle spielen.

In den DİTİB-Moscheen arbeiten aktuell rund 900 Imame, die von Diyanet bezahlt werden und entsendet wurden. Sie halten sich in der Regel fünf Jahre als türkische Beamte in Deutschland auf. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Laut Bundesregierung als Antwort auf die Anfrage von Dağdelen wurden im letzten Jahr an 345 Imame Visa erteilt. Diese Zahl lag 2015 bei 240 und 2014 bei 200. Im Vergleich zu 2011 hat sich die Zahl der in Deutschland eingesetzten Imame 2016 verdoppelt. Dieser rapide Anstieg ist ein Beleg für den Versuch der AKP-Regierung, ihren Einfluss in Deutschland mithilfe der Diyanet-Imame zu organisieren.

Dağdelen sagt, die Entwicklungen belegten, dass die DITIB als verlängerter Arm Erdoğans in Deutschland arbeite: “’Deshalb müssen in Deutschland Sanktionen gegen die DITIB beschlossen werden, die mit ihren Aktivitäten die Integration der Türkei-stämmigen Migranten in Deutschland verhindert.”

Trotz der Kritik an DITIB setzen einige Bundesländer die Zusammenarbeit mit ihr fort. So wird z.B. in Hessen der Islam-Unterricht von DITIB-Mitarbeitern gehalten.

Viele Länder werden nach Abschluss der Ermittlungen der Generalsstaatsanwaltschaft ihr Verhältnis zur DITIB überprüfen müssen.


Bundesfamilienministerium setzt Kooperation mit DITIB aufs Eis

Das Bundesfamilienministerium beschloss im vergangenen Januar wegen der mutmaßlichen Agententätigkeit von DITIB-Imamen, drei in Kooperation mit dem Verband durchgeführte Projekte zu beenden. Ein Ministeriumssprecher erklärte, darunter seien auch Programme mit dem Ziel, minderjährige Flüchtlinge an Pflegefamilien zu vermitteln.

„Die Vorwürfe gegen DITIB sind sehr schwerwiegend“, sagte er. DITIB müsse offenlegen, ob es sich bei den Vorwürfen um Einzelfälle handelt und die erforderlichen Konsequenzen ziehen.

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