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Frauenstreik 2019

Ceyda Tutan

Weltweit demonstrierten am 8. März die Menschen für die Rechte der Frauen auf den Straßen. Hunderttausende forderten mehr Chancengleichheit, gleiche Bezahlung und verurteilten die Gewalt gegen Frauen.

Dieses Jahr hatte der 8. März in Deutschland eine ganz besondere Bedeutung – nicht nur weil in Berlin seit diesem Jahr der 8. März ein Feiertag ist – auch weil seit 1994 das erste Mal wieder zu einem Frauenstreik aufgerufen wurde. Schon damals wehrten sich die Frauen mit dem Streik gegen wachsende Armut, prekäre Arbeitsbedingungen und Erwerbslosigkeit, gegen den Abbau von Sozialleistungen und Diskriminierung.

Über die Welt breitet sich eine Bewegung von streikenden Frauen und Queers* aus, von Polen bis Argentinien, von New York bis Hongkong, von Spanien über Nigeria bis Australien.

Der Streik von sechs Millionen Frauen in Spanien am 8. März im letzten Jahr und die Demonstrationen für das Abtreibungsrecht haben dazu beigetragen, dass diese Bewegung auch in Deutschland ankam.

In Deutschland begann man mit der Planung, nachdem man sah was in Spanien möglich war, in den USA, in Mexiko oder in Brasilien, wo Frauenstreiks gegen die Wahl des rechten Präsidenten Bolsonaro stattgefunden haben. „Dabei geht es gleichermaßen gegen die unsoziale wie rechte Politik. Das Erstarken rechter Parteien und Stimmungen in der Gesellschaft sind eng verbunden mit antifeministischen Tendenzen“, so Wolter eine der Organisatorinnen des Frauenstreiks. Was in Island, der Schweiz und in Spanien, aber auch in anderen besagten Ländern gelang, sollte auch in Deutschland stattfinden.

„Wenn wir streiken steht die Welt still!“ Mit diesem Slogan sind bundesweit am Freitag den 8. März am internationalen Weltfrauentag über zigtausende Frauen in den Streik getreten. In mehr als 40 Städten, darunter Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf, Freiburg, München u.a. gab es Bündnisse, die sich in den letzten Monaten gegründet hatten um diesen Tag zu planen und vorzubereiten. Die streikenden Frauen wollten sich dabei nicht nur auf die Lohnarbeit beziehen, sondern auch die Arbeit sichtbar machen, die Frauen erledigen, welche weitestgehend unsichtbar bleibt, wie etwa die Sorgearbeit, Hausarbeit oder Kinderbetreuung.

Aber auch Frauen, die in Pflege oder Erziehung arbeiten, sind besonders betroffen von den Sparprogrammen der Regierung. Sie haben schlecht bezahlte Jobs, meist nicht tarifgebunden und arbeiten in unsicheren Arbeitsverhältnissen.

Weitere Forderungen der Frauen ist die Abschaffung des Paragraphen 218 und 219a. Die Frauen wollen über ihre Körper selbst bestimmen und Entscheidungen treffen können ohne dafür bestraft zu werden.

Bundesweit wurde dazu mobilisiert fünf Minuten vor zwölf mit dem Stuhl auf die Straße zu sitzen und dort mit Transparenten deutlich zu machen, wofür oder wogegen sie streiken. Um 17 Uhr wurde mit lautem Schreien, wütend oder zornig, aber auch mit Stolz und Spaß auf Arbeitskämpfe und fehlenden Klimaschutz aufmerksam gemacht. Der Frauenstreik ist auch ein Streik für die Erhaltung der Umwelt und die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen für alle. Dabei schrie jede mit ihrer eigenen Geschichte die Ungerechtigkeit heraus, die sie an diesem Tag bekämpfen wollte.

Die Frauen protestierten gegen die frauenfeindliche, rassistische Politik der AfD und setzen ein wichtiges Zeichen gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung. Sie protestierten gegen Krieg für eine Welt in Frieden, gegen Waffen und Aufrüstung.

Die Gewerkschaften riefen nicht zum Streik auf, wegen der rechtlichen Lage hierzulande. Politisch motivierte Arbeitsniederlegungen in Deutschland sind nicht zulässig. Die Gewerkschaften erklärten sich aber zumindest solidarisch. So wurde auch zu kreativen Streikformen aufgerufen, ohne eine Kündigung zu riskieren.

Bei einer kämpferischen Mittagspause konnte die Pausenzeit für Protestaktionen genutzt werden. Die Arbeit wurde nicht außerhalb der erlaubten Pause niedergelegt, eine kämpferische Mittagspause ist nicht rechtswidrig.

Eine weitere Idee war eine Betriebsversammlung am 8. März einzuberufen und einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Gleichstellung von Männern und Frauen im Betrieb zu legen und sich solidarisch zu zeigen, Flyer zu verteilen und sich im Vorfeld an der Organisation von Aktionen zu beteiligen.

Es gab viele gute kreative Ideen, am 8. März ein Zeichen gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu setzen und auf die Forderungen aufmerksam zu machen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Schichten, Alter kamen zusammen, um für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Vor allem auffallend junge Frauen engagierten sich schon in den Planungen und Vorbereitungen.

In einige Städten war die Beteiligung an den Demonstrationen schon seit Jahren nicht mehr so hoch. Das motiviert und macht Mut für folgende Kämpfe. Denn dieser Frauenstreik sollte nur der Anfang sein. Die Gruppen und Bündnisse, die entstanden sind, sollen weiter fortgeführt werden, um im nächsten Jahr noch mehr Menschen noch lauter für ihre Rechte auf die Straßen zu bringen. Ob sich der Streik tatsächlich in der Arbeit und in den Betrieben sichtbar gemacht hat, ist zu bezweifeln, war vorerst einmal auch nicht geplant. Aber für die folgenden Jahre gilt: Was nicht ist, kann noch werden.


Gegen patriarchale Dominanz und Benachteiligung

Sebahat Aslan befragte Frauen in Berlin, was für sie der Frauenstreik bedeutet.

Ilayda Kaplan (Studentin): Frauenstreik, Frauenbewegung und Frauenkampf bedeutet für mich die solidarische Vereinigung und der Zusammenhalt von Frauen aus allen ethnischen Hintergründen, religiöser Überzeugungen und sexueller Orientierungen, in dem alle gemeinsam an einem Strang ziehen und die Benachteiligungen, die für sie durch die patriarchalische Dominanz einhergehen, adressieren und dagegen protestieren. Wenn ich kämpfe, heißt es, dass ich für jede Frau kämpfe und andersherum kämpft jede Frau für mich. Darüber hinaus ist es wichtig, sich über seine Privilegien im Klaren zu sein und Frauen sowie weiteren benachteiligten Personen der LGBTQ Community, die weniger privilegiert sind, den Rücken zu stärken und für sie ebenfalls laut zu werden.

Hanife Arduc (Arzthelferin): Für mich hat der Frauenstreik eine sehr tiefsinnige Bedeutung. An diesem Tag soll es nicht nur einen freien Tag geben, sondern vor allem jeder Frau Mut machen, dass sie nicht alleine sind. Vor allem, dass sie immer kämpfen sollen. An diesem Tag wird für mich sehr sichtbar, mit wie viel Unterdrückung das weibliche Geschlecht immer konfrontiert wird. Deshalb muss jedes Jahr, nein jeden Tag, um gleiche Rechte gekämpft werden.

Ayse Pektas Harman: Frauenstreik bedeutet für mich wie vielen Frauen auch Boykott, da in Deutschland politisch nicht gestreikt werden darf, Kampf für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Solidarität und gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus.

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