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Fridays for Future Sommerkongress

MIRKAN DOĞAN

Seit mehr als einem Jahr ist nun die Jugendbewegung „Fridays für Future“ für eine gerechte Klimapolitik, jeden Freitag, auf den Straßen. Die Organisation dieser Bewegung findet meistens auf WhatsApp oder über Telefonkonferenzen statt. Zum ersten Mal sind 1300 aktive Jugendliche der Bewegung auf dem Sommerkongress in Dortmund, vom 31.07. bis zum 04.08., zusammengekommen.

Schon am Bahnsteig, auf dem Weg zum Kongressgelände ertönten die ersten Slogans, wie „What do we want? Climate Justice!“. Die gute Stimmung der Kongressteilnehmer ist kaum zu überhören und hat auch den Kongress über angehalten. Auf dem Tagesprogramm standen Workshops, Vernetzungen für Arbeitsgemeinschaften und Regionen und Abends gab es Konzerte, Podiumsdiskussionen und Comedy Shows.

Der Begriff des Kongress ist für diese Tage irritierend. Die gute Stimmung, die beschrieben wurde, ist keine Atmosphäre, um politische Diskussionen auf Bundesebene zu führen oder wegweisende Entscheidungen über die Basis dieser sozialen Bewegung zu treffen. Es herrscht Festival-Stimmung. Der Kongress hat keine Entscheidungskraft, dies haben im Vorhinein die Delegierten der Bundesebene entschieden. Damit wurde auch jeder fruchtbare Boden genommen, um die Bewegung inhaltlich weiterzutragen.

Inhaltlich wurden auch zahlreiche Positionen ausgeschlossen. Es gab ein Flyerverbot für zivilgesellschaftliche Organisationen. Mit diesem Verbot wurden wichtige Akteure ausgeschlossen, die diese Bewegung weitertragen könnten. Es war schon verpönt sich in einem Verband zu organisieren.

Die Workshops waren gut besucht und auch die Diskussionen waren interessant zu beobachten. Besonders Theorien, wie Postwachstum oder Green Growth, haben großen Zulauf. Diese Theorien basieren auf der aktuellen Wirtschaftsweise, dem Kapitalismus und suggerieren, dass eine ökologisch gerechte Klimapolitik auch im Kapitalismus möglich sei.

Dass diese Theorien zahlreiche Anhänger in der Bewegung haben, war spätestens bei der Fishbowl Diskussion zu „Systemkritik vs. Konsumkritik“ zu beobachten. Für viele junge Menschen ist Systemkritik kaum vorstellbar. Die meisten Jugendlichen bleiben bei der Konsumkritik des Einzelnen, anstatt die Klimakrise gesellschaftlich mit dem Aspekt der sozialen Frage zu diskutieren.

Bei Systemkritik überwiegt das Gefühl der Angst, um die Bewegung. Würde man dann nicht die Mehrheit dieser engagierten Menschen verlieren? Die gleichen Sorgen bestehen auch zum 20.09. Fridays for Future ruft zum 20. September alle gesellschaftlichen Gruppen zum Streik auf. Die Begrifflichkeit für diesen Tag wurde auch auf dem Sommerkongress diskutiert. „Klimastreik“ oder „Generalstreik“? Die Plattform für Antikapitalismus plädierte für den Begriff des Generalstreiks, denn dieser richtet sich wirklich an die breite arbeitende Masse und dieser hätte auch in Deutschland eine neue Debatte zum politischen Streikrecht angestoßen. Letztendlich hat man nach dem Sommerkongress diese beiden Begriffe zur Abstimmung gestellt und die Mehrheit der Delegierten war für den Begriff des Klimastreiks.

Am Freitag während des Kongresses wurde, wie jeden Freitag auch, gestreikt. Jedoch lief dieser Streik anders. Schon auf dem Kongress wurden verschiedene Aktionen geplant. Ab einem bestimmten Punkt in der Demonstration hat sich die Demonstration aufgeteilt in verschiedene Gruppen, die verschiedene Aktionen geplant haben.

Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und auch noch inhaltlich ein Zeichen zu setzen. Das war das Ziel.

Die interessanteste Aktion fand vor dem RWE Tochterkonzern innogy statt. Man hat die Aktion „Aufblühen“ genannt. Eine große Gruppe hat sich von der Demonstration abgekoppelt und ist durch die Innenstadt zu innogy gelaufen. Schon auf dem Weg dorthin hat man erkannt, dass diese Menge von Jugendlichen den Hauptverursacher der Klimakrise erkannt hat: Die Banken und Konzerne.

Neben Sprüchen, wie „Kapitalismus raus aus den Köpfen“, kamen auch Slogans zu Antifaschismus.

An der innogy Zentrale war der Öffentlichkeit nur eine Mahnwache bekannt. Es war aber viel mehr geplant. Nach einiger Zeit kamen mit einem Wagen Erde und Pflanzen. Diese wurden direkt vor die innogy Zentrale gepflanzt. Dass diese Bewegung demokratische Defizite hat wurde spätestens an diesem Tag für jeden bekannt. Während zahlreiche Jugendliche, spontan, den Eingang der Geschäftszentrale blockierten, hat die Bewegung sich über Twitter kurzer Hand distanziert. Wie diese Distanzierung legitimiert ist, kann niemand erklären.

Dieser Kongress war eine Art Wiederbelebung für die Bewegung. Kaum jemand aus der Bewegung hat damit gerechnet, dass man die Sommerferien überleben könnte. Nun sieht das Ganze anders aus. Die Ortsgruppen sind gestärkt und motiviert vom Sommerkongress und arbeiten in den Bündnissen am 20.09.

Gewerkschaftsjugendverbände, wie IG Metall, Verdi, GEW rufen zu Solidarität auf. Die Klimakrise hat die Aufmerksamkeit der gesamten Gesellschaft verdient. Der 20.09 hat das Potenzial nun auch die arbeitenden Massen in die Bewegung mit einzubinden. Lasst uns gemeinsam auf die Straßen!

 


Auszug aus dem Aufruf von Gewerkschafter*innen

Gewerkschafter*innen fordern:

Für einen offiziellen Streikaufruf für den 20.09.2019!

Für den 20. September ruft Fridays for Future (FFF) zu einem “globalen Streik” unter dem Motto #AlleFürsKlima auf. Häufig fällt in dem Zusammenhang das Wort vom “Generalstreik für das Klima”. Als Gewerkschafter*innen begrüßen wir den Aufruf von FFF, dass sich die Gewerkschaften und alle Beschäftigten an den Klimastreiks beteiligen sollen.

  1. Der menschengemachte Klimawandel geht uns alle an: Wenn die aktuelle Wirtschaftsweise die Natur zerstört und im schlimmsten Fall große Teile der Erde unbewohnbar macht, ist es unsere Pflicht, gegen die Umweltzerstörung zu kämpfen und einen ökologischen Umbau zu fordern.
  2. Dieser ökologische Umbau darf nicht auf dem Rücken der Arbeiter*innen, der Jugend und der Rentner*innen vollzogen werden. Die größten Klimakiller sind große Industrie- und Handelskonzerne. Sie sollen die Hauptlast tragen. Ökologie und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
  3. Wir begrüßen den Aufruf von FFF an die Gewerkschaften, weil wir der Meinung sind, dass die Arbeiter*innenbewegung ihre wichtigste Waffe – den Streik – in die Waagschale legen sollte, um die Umstrukturierung zu erzwingen.

In dem Sinne finden wir es einen Fortschritt, dass Frank Bsirske, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, am 5. August in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) angekündigt hat: “Wir werden zur Teilnahme an den Veranstaltungen aufrufen. Es geht darum, Flagge zu zeigen – wir brauchen ein deutlich konsequenteres Handeln der Politik beim Klimaschutz.”

Diese Unterstützung für FFF ist ein wichtiger erster Schritt. Doch das reicht noch lange nicht aus. Bsirske hat – wie viele seiner Kolleg*innen aus anderen Gewerkschaftsführungen – verkündet: “Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. Es wird auch nicht jeder seine Arbeit unterbrechen können. Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen.”

Wir halten diese Aussage für falsch:

  1. Denn wer kann tatsächlich ausstempeln oder Urlaub nehmen? Sicher nur eine kleine Minderheit aller Beschäftigten und sicher nicht die große Masse.
  2. Gewerkschaften haben in der Vergangenheit immer wieder politisch gestreikt: gegen die Rente mit 67 und erfolgreich für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
  3. Nur eine aktive Haltung der Gewerkschaften kann die Trennung zwischen Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung aufheben.

Aus diesem Grund wenden wir, die Unterzeichner*innen, uns mit diesem Statement an die Spitzen von ver.di, IG Metall und allen Gewerkschaften, auch außerhalb des DGB: Ruft offiziell zu einem ordentlichen Streik auf! Die Zukunft aller Arbeiter*innen ist vom Klimawandel betroffen!

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