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Für eine Forschung ohne Feindbilder!

Eren Gültekin 

Ruud Koopmans ist Wissenschaftler und seit einigen Jahren für seine fragwürdigen Thesen und Aussagen bekannt. Sein Versuch, fundamentalistische Einstellungen unter Muslimen in Europa zu untersuchen, sorgte für großes Aufsehen. Dieser wiederum wurde von Rechtspopulisten wie Thilo Sarrazin, Geert Wilders oder der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry begrüßt und mehrfach zitiert.

Koopmans leitet am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) die Abteilungen Migration, Integration und Transnationalisierung und lehrt seit Jahren am Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Ferner war er bis 2019 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), wodurch er seine Thesen verbreiten konnte. So wurde auch Anfang Januar in der FAZ seine Forschungsarbeit vorgestellt, die er gemeinsam mit Liav Orgad mit dem Titel „Minority Constellations: Towards A Group-Differentiated Approach (2020)“ veröffentlichte, die vom Befinden der deutschen Mehrheitsgesellschaft handelt. 

Kritik von eigenen Studenten 

Immer wieder geriet der Wissenschaftler in Kritik für seine Studien, die vor allem durch seine eigenen Studierenden an der HU kam – zu Recht. So betonte die Fachschaft in der Vergangenheit in ihrer Erklärung, dass seine Ergebnisse „normativ zweifelhaft“ sowie „nicht ansatzweise repräsentativ“ seien. Wie sehr er an seiner Arbeit festhält und sich den Debatten mit seinen Berufskollegen über Kritik seiner Studien entzieht, wird dadurch deutlich, dass er von Zusammenschlüssen wie dem „Rat für Migration“ bewusst fernbleibt, in dem Wissenschaftler seines Fachs gemeinsam agieren. Dass er der Kritik seiner Kollegen fernbleiben möchte wundert nicht, wenn man bedenkt, mit welchen Zielsetzungen er sich beschäftigt und zu welchen Ergebnissen er dabei kommt. So auch sein aktuelles Diskussionspapier, in dem er mit Orgad die Mehrheitsgesellschaft, ihr Befinden und ihre Sorgen erforscht und versucht, die Frage zu klären, ob aufnehmende Mehrheitsgesellschaften einen besonderen Schutz benötigen. Das klingt wie ein schlechter Witz, ist jedoch der tatsächliche Inhalt dieser Arbeit.

Die Kernaussagen der Arbeit: Die Minderheit, also Zugewanderte, solle sich auf die Kultur der Mehrheit einlassen. Durch gesellschaftliche Prozesse und Veränderung der Zusammensetzung der Gesellschaft sei die Mehrheit verletzbar geworden und brauche daher besonderen Schutz. Dass ,,Multikulturalismus“ als ein Eigenleben betrachtet werden müsse, welches nur in eine Richtung gehe und Probleme in sich berge, ist die Schlussfolgerung dieser Thesen. Koopmanns und Orgad sehen das Anwachsen von Minderheitsgesellschaften als einen Anlass für die Mehrheitsgesellschaft, sich wie „Fremde im eigenen Land“ zu fühlen. Es bleibt nicht nur bei dieser Aussage, vielmehr sind sie auch der Überzeugung, dass das nicht nur als eine Behauptung von rechtspopulistischen Parteien zu bewerten sei. Weiter behaupten die Autoren, dass jeder Zuwanderer einen Integrationsvertrag unterschreiben müsse und dieser die Akzeptanz der universalen Werte der aufnehmenden Kultur der Mehrheitsgesellschaft verlange – da ihrer Ansicht nach diejenigen, die schon in diesem Land leben, die Mehrheit des Staatsvolkes bilden und diese Dinge hier schon immer so gemacht wurden. Die Mehrheit, so die Wissenschaftler, könne Respekt für ihre Kultur erwarten.

„Segregation unter Muslimen groß“

Bereits in einem früheren Interview mit der FAZ aus dem Jahre 2016, hatte Koopmans sich ähnlich geäußert. Im Interview sagte er in Bezug auf das Thema Arbeitsmarkt und Migration, dass soziale Unterschiede, die mit Argumenten wie „Diskriminierung durch die Arbeitgeber“ erklärt würden, nur auf allgemeine Daten basierende Studien seien und es an spezifischen Faktoren fehle, die für Migranten eine entscheidende Rolle spiele. Diese seien für ihn Sprachkenntnisse oder die speziellen Vorstellungen über die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die viele Migranten hätten. Und zur Frage, ob Muslime eher unter sich bleiben, antwortete er: ,,[…] diese soziale Segregation unter Muslimen ist hoch, auch im Vergleich zu allen anderen Migrantengruppen. Da brauchen Sie sich häufig nur die Wohnsituation anzuschauen.“ – als ob der Migrant die Schuld trägt, dass sie sich keine hohen Mieten in schicken Gegenden leisten können. Auf die Frage, ob in seinen Befunden die Diskriminierung also keine Rolle spiele, erklärte er, dass es keine signifikanten statistischen Unterschiede gebe und, dass es zwar sicherlich Diskriminierung gebe, jedoch dies viel geringer ausfalle, als man es behaupte.

Thesen, die Vorurteile nur bekräftigen 

Er referierte auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung 2018 zum Thema „Zwischen Assimilation und Multikulti“ und betonte, dass die Aufgabe der Wissenschaft sei, Untersuchungsergebnisse zu präsentieren, die als Grundlage politischer Prozesse dienen soll und Politiker diese Informationen für ihre Arbeit nutzen sollen.  Die Verwertung seiner Informationen ließ nicht lange auf sich warten und erfolgte noch im selben Jahr bei Bundestagsdebatten. Seine verfassten Zahlen im WZB-Diskussionspapier waren Gegenstand eines Antrags der AfD-Fraktion. Das Ganze geschah wenige Wochen nach den rechten Ausschreitungen von Chemnitz. Diese vermeintlich wissenschaftlichen Arbeiten, die im Grunde nur Feindbilder schaffen, sind in Zeiten wie diesen, in denen rechtes Gedankengut salonfähig gemacht wird, gefährlicher denn je und finden auch schnell Anklang in der Politik für spalterische Stimmungsmache. Zunächst einmal muss man sagen, dass Forschung vielseitig sein soll und auch kritische Fragen stellen darf. Aber die Schlussfolgerungen, die Koopmans seit Jahren zieht, tragen weder zu einer Lösung des Problems bei noch dienen sie einem anderen Zweck als eindeutig nur stigmatisierende Thesen zu bestätigen. Die Behauptungen werden gestellt, ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse und den Gesamtkontext in Betracht zu ziehen, d.h., ohne darauf einzugehen, worin der Ursprung liegt, weshalb überhaupt eine Gesellschaft in Mehrheit und Minderheit geteilt wird oder wo die Grenzen innerhalb der Gesellschaft liegen. In der Gesellschaft gibt es durchaus eine Mehrheit und Minderheit, die aber nicht zwangsläufig mit „Alteingesessen“ oder „Zugewandert“ erklärt werden muss. Denn diese Kategorien wie Religion oder Kultur heben die Hauptgegensätze der Gesellschaft nach Klassen nicht auf.  Arbeiten und Aussagen dieser Art gießen lediglich mehr Öl ins Feuer und sorgen dafür, dass falsche Bilder, die Rechtspopulisten erzeugen, sich mehr in den Köpfen festsetzen können. Wissenschaft sollte Grenzen und Mauern in den Köpfen beseitigen, statt diese zu befestigen und Schlussfolgerungen sollten zum Wohle der Menschheit gezogen werden, nicht dazu beitragen, eine spalterische Stimmung zu schüren. Um die Thesen wie jene Koopmans zu widerlegen, braucht es mehr Forschung aus der dialektisch-materialistischen Perspektive, die eben fundierte Antworten auf diese Fragen geben werden. 

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