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Initiative Deutsche Wohnen und Co. Enteignen rechtlich zulässig

Dilan Baran

Nach monatelangen rechtlichen Prüfungen hat die Berliner Innenverwaltung ein geplantes Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne für zulässig erklärt. Das teilte die Verwaltung am 17. September mit. 

Immer wieder hatte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ der Innenverwaltung vorgeworfen, die Prüfung dazu hinauszuzögern. Nun hat die Verwaltung ihre Einschätzung mitgeteilt, nach der das Volksbegehren formal rechtlich zulässig sei. Damit könnte in wenigen Monaten eine großangelegte Unterschriftensammlung beginnen. Wie schon beim jüngst beschlossenen Mietendeckel würde Berlin auch damit das erste Land bzw. die erste Stadt sein, die mit dieser Art Vorstoß bundesweit ein Zeichen setzen könnte.

Die Initiative will Unternehmen in Berlin „vergesellschaften“, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. In einem ersten Schritt hatte sie im Juni 2019 rund 77 000 Unterschriften eingereicht, um den Start des Volksbegehrens zu beantragen. Die vorgeschriebene rechtliche Prüfung durch die Innenverwaltung zog sich seit deutlich mehr als einem Jahr hin. Als nächstes müssen sich Senat und Abgeordnetenhaus dazu positionieren.

Durch ist das Thema damit aber nicht, im Gegenteil. Als nächstes muss der Senat eine inhaltliche Stellungnahme abgeben, dafür hat er 15 Tage Zeit. Wenn sie vorliegt, muss sich anschließend das Abgeordnetenhaus mit dem Thema beschäftigen. Die Parlamentarier haben dafür vier Monate Zeit.

Gibt es eine Mehrheit für das Anliegen der Enteignungsinitiative, dann würde das Landesparlament den Senat unverbindlich auffordern, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung […] erforderlich sind“, wie es im Text der Initiative heißt.

Die SPD hat sich allerdings bereits deutlich dagegen ausgesprochen, die Oppositionsparteien sowieso. Es ist also nicht davon auszugehen, dass der Senat oder die Mehrheit im Berliner Parlament der Initiative zustimmen.

Wenn es dort keine Mehrheit gibt, steht die zweite Stufe des Volksbegehrens an: Dann müsste die Initiative wieder Unterschriften sammeln. Diesmal müssen es mindestens 7 Prozent der Wahlberechtigten sein, rund 175 000. Nur wenn die erreicht werden, kommt es zu einem Volksentscheid. Nach einer Ablehnung durch das Parlament hat die Initiative laut Abstimmungsgesetz dafür ebenfalls vier MonateZeit. Die Initiative erwartet, im Februar mit der Unterschriftensammlung starten zu können.

Der Volksentscheid könnte dann parallel zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 stattfinden. Das würde es der Initiative erleichtern, auf mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten zu kommen, die dafür vorgeschrieben sind. Beim Volksentscheid selbst ist eine einfache Mehrheit erforderlich.

Wie es damit weitergeht, hängt dann wieder vom zukünftigen Senat ab. Der müsste ein entsprechendes Gesetz für die Vergesellschaftung erarbeiten. Dass dieser Prozess selbst bei politischem Willen scheitern oder sehr lange dauern und dann ein fauler Kompromiss werden wird, ist, wenn man ehrlich ist, abzusehen, denn die Immobilienunternehmen werden sich natürlich mit allen Mitteln wehren. Und das bürgerliche Parlament ihnen dabei entgegenkommen. 

Die Linksfraktion in Hamburg hat z.B. jüngst zum Vorschein gebracht, dass der Hamburger Senat in Zeiten von Kurzarbeit, Stellenabbau und Mietenwahnsinn weitere 1000 Wohnungen der städtischen Wohnungsgenossenschaft SAGA privatisieren möchte.

Berliner CDU-Fraktionschef Burkard Dregger hat zudem verlangt, sich klar vom Anliegen der Initiative zu distanzieren und angekündigt, notfalls vor das Landesverfassungsgericht zu ziehen.

Berlin fehlen derzeit mehr als 310.000 bezahlbare Wohnungen, das hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung 2018 ergeben. Und: Die Versorgungslücke wird weiter wachsen, so die Prognose der Forscher. Zwar wird jetzt vielerorts vermehrt gebaut, doch in fast allen Großstädten sind die Mieten bei Neuvermietung höher als bei Bestandsmieten – und damit für viele unerschwinglich.

Für die Untersuchung haben Stadtsoziologen der Humboldt-Universität Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt die Einkommen von Großstadthaushalten mit dem lokalen Angebot an Mietwohnungen verglichen. Das Ergebnis: In den 77 deutschen Großstädten von Aachen bis Wuppertal fehlen mehr als 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen.

Spitzenreiter sind Berlin und NRW, doch selbst in Städten, in denen die Lücke von Einkommen und Mietniveau vergleichsweise gering ist, übersteigt die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum das Angebot bei weitem.

Die Deutsche Wohnen ist mit einem Bestand von rund 164.000 Wohnungen und Gewerbeimmobilien nach Vonovia die Nummer zwei auf dem Markt für Wohnimmobilien.

Die meisten Immobilien des Unternehmens liegen in Ballungszentren, wo es immer weniger bezahlbaren Wohnraum für geringere Einkommen gibt. Knapp drei Viertel der Wohnungen befinden sich in Berlin.

Außerdem setzt der zweitgrößte deutsche Wohnungskonzern seine Expansion im Geschäft mit Pflegeheimen fort. Das Unternehmen erwarb 2018  30 Pflegeeinrichtungen mit rund 4700 Pflegeplätzen, wie der Konzern mitteilte. Mit über 12.000 Pflegeplätzen will das Unternehmen laut Konzernchef Michael Zahn als einer der größten Eigentümer von Pflegeimmobilien in Deutschland von den positiven Makrotrends im Pflegemarkt profitieren.

Die Entwicklungen des Kampfes der Initiative Deutsche Wohnen und co. Enteignen wird deshalb aus der ganzen Bundesrepublik mit Spannung beobachtet. 

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