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Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Galeria/Kaufhof

Sidar Carman

Jede Branche hat ihre spezifischen Besonderheiten und Bedingungen, unter denen die lohnabhängig Beschäftigten arbeiten müssen. Der Einzelhandel zählt rund 3 Millionen Beschäftigte. Nicht ohne Grund wird der Einzelhandel als eine Frauenbranche bezeichnet. Der Frauenanteil liegt bei 70%. Besonders hoch ist ihr Anteil unter den Teilzeitbeschäftigten (rund 90%). Es ist eine Branche, in der sich die Widersprüche in den Arbeitsverhältnissen zunehmend vertiefen und zum Vorschein treten. Die Arbeitsbedingungen und Löhne sind geprägt von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, (gezwungener) Teilzeit; zunehmender Leiharbeit und Werkvertrag, Befristungen, flexibler Arbeitszeit und geringen Löhnen. 60-70% der Verkäufer*innen arbeiten in Teilzeit. Jede/r Dritte arbeitet zu Niedriglöhnen. Wer bei diesen Zahlen und Fakten nun vermutet, dass sie nur für Discounter zulässig seien, müssen wir enttäuschen. Gleiches gilt auch für Geschäfte und Labels mit teuren bis hin zu luxuriösem Warensortiment. In vielen Fällen verdienen hier die Verkäuferinnen unterhalb des üblichen Tariflohns (zwischen 13 – 16 Euro die Stunde, je nach Berufsjahr). „Verkäufer sprechen mit den Kunden, Minijobber machen die Kasse, Leiharbeiter arbeiten im Lager, Werknehmer räumen offiziell eigenständig die Regale ein – die traditionell gemischte Arbeit von Verkäufern und Einzelhandelskaufleuten wird zerlegt in immer kleinere Häppchen, erledigt von der dafür jeweils am billigsten verfügbaren Arbeitskraft“ (brandeins 04/2013).

Die Einkaufsgeschäfte meiner Kindheit wurden nach dem Geldbeutel meiner Eltern bestimmt. Einkaufen in bestimmten Kaufhäusern konnten wir uns nicht leisten und wenn, dann wurde für den Einkauf wochenlang hingespart. Sicherlich, daran hat sich bis heute nicht viel verändert. Mit Kaufhof verbinden vielleicht viele von uns eines dieser Kaufhäuser, die in unseren Augen und auch im Geldbeutel riesig erschienen und es auch noch womöglich heute tun. Doch genau hinter diesen Hochglanzfassaden großer Warenhäuser verdienen Verkäufer*innen häufig weniger als bei H&M oder Primark. Die krassen Widersprüche in den Arbeitsbeziehungen sind in Kauf- und Warenhäusern allgegenwärtig. So auch bei Galeria Karstadt Kaufhof, ehemals Horten. Rund 34.000 Beschäftigte bei Galeria Karstadt Kaufhof– überwiegend Frauen –  stehen jetzt vor einem Kahlschlag. Der Unternehmenseigner René Benko will 80 von 170 Filialen streichen. Das sind mehr als 10.000 Vollzeitstellen. In den verbleibenden Standorten soll das Personal um 10% abgebaut werden. Doch wer sind die Menschen hinter den Zahlen, die durch die Schlagzeilen rasen? Wie geht es ihnen und was fordern sie angesichts drohender Filialschließung und Arbeitsplatzabbau? Die Antworten geben drei Verkäuferinnen von Galeria Karstadt Kaufhof aus dem Raum Stuttgart und Heilbronn.


Meinungen… Meinungen… Meinungen

Elif Ari: Ich habe meine Ausbildung bei Kaufhof gemacht. Aber Kaufhof kenne ich noch aus der Zeit von Horten. Zu besonderen Anlässen, war ich immer dort mit meiner Mutter einkaufen, weil sie die besten Kleider hatten. Zum Zuckerfest beispielsweise, haben wir immer bei Horten eingekauft. Kaufhof oder Horten waren für uns etwas ganz besonders. Zum Einkaufen aber auch zum Arbeiten. Jetzt aber ist alles sehr schwierig. Die Stimmung unter den Kolleg*innen ist bedrückend. Es gibt so viele Fragen und Angst. Wenn bspw. eine Durchsage kommt – wie „Nummer 99 bitte zur Geschäftsleitung“ schrecken einige auf und fragen sich, ob wieder etwas passiert ist. Ich musste alle meine privaten Pläne jetzt zurückstellen. Meine Arbeit, meine finanzielle Sicherheit – alles ist so unsicher. Doch wir halten hier im Haus alle zusammen. Der Zusammenhalt ist heute sogar stärker, als früher.

Sandra Casabona: Ich habe meine Ausbildung bei Horten gemacht. In der Dekoration. Nach meiner Ausbildung wechselte ich das Unternehmen und bekam Kinder. Ich bin dann als Aushilfe wieder zu Kaufhof zurück. Jetzt arbeite ich als Führungskraft und Betriebsratsvorsitzende. Ich liebe meine Arbeit. Warum? Wegen meiner Kolleg*innen. Unser Verdienst ist eh knapp, worauf sollen wir denn noch verzichten? Das Schlimmste ist, dass wir nicht wissen, wie es weitergeht. Es sind viele Kolleg*innen, die seit Jahrzehnten im Unternehmen arbeiten, zwischen 10-40 Jahren, 90% Frauen. Viele von ihnen in Teilzeit. Wir halten alle zusammen. Aber wir wissen auch: Wir kriegen unseren Kampf nicht alleine gestemmt.

Iris Geiger: Ich habe 1986 bei Horten mit einer Lehre angefangen. Während meiner Lehre fanden Betriebsratswahlen statt. Meine Ausbilderin hat mir gesagt, dass unbedingt Frauen gesucht werden und mich gefragt, ob ich denn nicht Interesse hatte. So stand ich dann nicht nur auf der Liste, sondern wurde auch später Betriebsratsvorsitzende. Früher waren wir über 400 Beschäftigte, jetzt sind es nur noch ca. 90. Früher haben wir gegen die Verlängerung der Arbeitszeit gekämpft. Heute erlebe ich die Kämpfe härter. Uns allen wird die Perspektive weggenommen. Und das seit langem. Es ist eigentlich ein Sterben auf Raten. Was sollen wir denn noch geben? Wir brauchen mehr Personal. Wir leisten momentan Akkordarbeit. Wir rennen den ganzen Tag wie ein aufgescheuchtes Huhn. Es ist weniger die Angst, was die Kolleg*innen umtreibt, als die Wut über den Arbeitgeber. Wir haben nichts zu verlieren. Die Situation ist schwer, wir werden nicht klein beigeben. Wir werden nicht wie fleißige Bienen weiterarbeiten, sondern Sand in die Getriebe streuen.

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