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“Kein Platz für den Arbeiterfeind Yusuf Yerkel in unserer Stadt”

Özgün Önal / Frankfurt

2014 hat sich in der türkischen Stadtgemeinde Soma in der Provinz Manisa ein Minenunglück ereignet. 301 Bergbauarbeiter kamen, aufgrund der sehr niedrig gehaltenen Arbeitssicherheit, ums Leben. Der Frust der Kollegen und Angehörigen war sehr groß. Waren doch viele Opfer vermeidbar gewesen, hätten die Verantwortlichen sich an die Vorgaben gehalten und die Behörden ihre Kontrollen sorgfältig durchgeführt. Die AKP-Regierung stritt jegliche Verantwortung ab und beschuldigte die Opfer, sich nicht an Anweisungen gehalten zu haben. Das Unglück wurde als Schicksal bezeichnet, die Angehörigen der toten Kollegen wurden damit getröstet, dass ihre Toten nun an einem besseren Ort seien.

Auf einer Protestveranstaltung trat Yusuf Yerkel, ehemaliger stellvertretender Stabschef von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, auf dem Weg nach Soma einen am Boden liegenden Minenarbeiter. Yerkel wurde daraufhin für 7 Tage wegen „starken Fußschmerzen“ als arbeitsunfähig gemeldet. Der Minenarbeiter Erdal Kocabıyık, der von Yerkel getreten wurde, wurde angezeigt und vom Gericht verurteilt, „Privateigentum beschädigt zu haben“.

Foto: Evrensel

Yerkel wird nun als Handelsattaché gehandelt

Nach nun über 7 Jahren wird Yusuf Yerkel Medienberichten zufolge als „Handelsattaché“ im Frankfurter Konsulat gehandelt. Ihm soll der Job des Attachés mit einem Monatsgehalt von 6000 Euro plus weiterer Zulagen angeboten worden sein. Als diese Infos sich herumsprachen, formte sich umgehend Protest. Mehrere Hundert Menschen versammelten sich vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt und forderten von deutschen Behörden, Yerkel zur diplomatischen „persona non grata“, zur unerwünschte Person, zu erklären. Viele Institutionen und Organisationen, darunter auch die DIDF Frankfurt, das alevitische Gemeindezentrum und weitere lokale Vereine beteiligten sich an der Aktion. Auch Gewerkschaften und deutsche Parteien- und Vertreter verschiedener Organisationen unterstützten die Aktion.

Auf der Aktion wurde die beidsprachige Erklärung des Bündnisses in Deutsch und Türkisch verlesen. In der gemeinsamen Erklärung, heißt es, dass Yusuf Yerkel ein Feind der Arbeiter ist. Gemeinsam wird erklärt: „Wir wollen nicht, dass eine Person, die die Menschenwürde nicht achtet, als Diplomat durch unsere Stadt irrt. Wir wollen Yerkel nicht in unserer Stadt und in unserem Land.“

„Er verdient keinen Diplomatenstatus“

Die Amtszeit von Tansu Günendi, der seit vier Jahren Handelsattaché am türkischen Generalkonsulat in Frankfurt ist, endet turnusgemäß Ende Januar. „Mit ihm haben wir, ebenso wie mit dem Generalkonsul Erdem Tunçer sehr gut zusammengearbeitet“, sagt Ertan Köse vom Vorstand des Arbeitgeber-Dachverbands Atiyab. „Mit einem Menschenfeind wie Yerkel wollen wir nicht zusammenarbeiten. Durch ihn werden die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei bestimmt nicht besser.“

Zeliha Dikmen, Vorsitzende des Volkshauses Frankfurt, betonte in ihrer Rede, dass der frühere Erdogan-Berater keinen Diplomatenstatus verdiene. Ob die Personalentscheidung nun feststeht oder doch nur ein Gerücht ist – der Widerstand gegen die Entsendung von Yerkel nach Frankfurt wird sicher auch in Ankara wahrgenommen werden. Taylan Burcu, Landtagsabgeordneter der Grünen, hofft daher auch, dass die lautstarke Kritik bei den türkischen Verantwortlichen ein Umdenken veranlasst und die angebliche Nominierung Yerkels widerrufen werden wird.

„Das ist eine Blamage für unsere Demokratie“, sagt Bektas Maksut, Mitglied des Alevitischen Kulturvereins. Yerkel sei „kein Diplomat, sondern ein Provokateur“. Ihm trotz seines Fehlverhaltens einen gut bezahlten und hochangesehenen Job zu verschaffen, setze ein falsches Zeichen. „Sein Verhalten darf nicht ohne Strafe bleiben.“, so Maksut weiter.

Kritik von der Partei die Linke

Auch deutsche Parteien taten auf der Protestveranstaltung ihre Meinung kund. „Wir erwarten von der deutschen Regierung, sich mit der Öffentlichkeit zu solidarisieren und ein klares Zeichen gegen Yerkel zu setzen“, meint die Landtagsabgeordnete Saadet Sönmez (Die Linke). Die vermeintlichen Pläne der türkischen Regierung nennt sie einen „Schlag ins Gesicht der Betroffenen“: „Yerkels Tritt damals war auch ein Tritt gegen die 301 Menschen, die bei dem bewusst hingenommenen Unglück in Soma ums Leben gekommen sind.“, so Sönmez weiter. Sie ergänzt: „Wir lehnen die Position dieser Person als Diplomat ab. Wir akzeptieren nicht, dass Yusuf Yerkel nach Frankfurt kommt. Alle Verantwortlichen, die Behörden, das Auswärtige Amt müssen ihren Beitrag leisten und erklären, dass sie diese Person nicht wollen“

Der Grünen-Politiker Taylan Burcu erklärte: „Diese Ernennung schadet der türkischen Diplomatie. Diese Ernennung wird definitiv negative Auswirkungen haben. Die Ernennung von jemandem mit einem solchen Image schadet dem türkischen Volk. Dies wird in erster Linie die Entscheidung der türkischen Regierung sein. Sollte diese Entscheidung bestehen bleiben, erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie die Initiative ergreift und diese Ernennung aufs Schärfste kritisiert“.

DGB Hessen: „Herr Erdogan, ändern Sie Ihre Politik!“

Auch die Gewerkschaften kamen zu Wort. Philipp Jacks, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB Hessen, merkte an, dass er sofortiges Feedback von acht Mitgliedsgewerkschaften zur Vertretung erhalten habe und richtete seine Rede direkt an den Präsidenten Erdoğan: „Ändern Sie Ihre Politik und die Entscheidung zur Ernennung. Ihre Politik ist nicht für das 21. Jahrhundert geeignet.“ Jacks merkte an, dass der Vorfall ein grundlegendes Menschenrechtsproblem sei, und sagte: „Das Bild, wie der wehrlose Arbeiter zu Boden getreten wird, ist ein Bild, das die Haltung von Erdogans Bürokraten offenbart. Ich möchte gar nicht daran denken, was diejenigen, die sich vor laufenden Kameras so verhalten, hinter verschlossenen Türen tun könnten. Yerkel sagt, er habe sich bei dem Bergmann entschuldigt. Lüge. Während er seine Karriere fortsetzte, verlor der von Yerkel getretene seinen Job als Bergmann und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.“


„Wir sind auch in Deutschland nicht sicher“

Per Liveschalte wurden die Reden der Beteiligten in den wenigen verbliebenen kritischen und unabhängigen Medien übertragen. Livestreams auf Instagram oder Youtube sollten die Geschehnisse für Personen in der Türkei zugänglich machen. Eine Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, erzählt von der Angst der Teilnehmenden um ihre Familien in der Türkei. Doch auch in Deutschland fühlten sich Regime- und Erdogan-Kritiker nicht hundertprozentig sicher: Die Konsulate seien „Geheimdienstzentralen“, die als „langer Arm Erdogans“ die türkische Politik unterstützten. „Kurdisch- und armenischstämmige werden hier seit Jahren systematisch und gezielt ausspioniert und eingeschüchtert“, sagt die Demonstrantin. Umso wichtiger sei es, dass mit Yusuf Yerkel nicht ein weiterer Unterstützer Erdogans in die Bundesrepublik komme. Es wurde in vielen Redebeiträgen betont, dass der Protest weitergehen wird, solange nicht öffentlich erklärt wird, dass die Nominierung von Yerkel zurückgezogen ist.

Während am Ende der Aktionen die Demonstranten vor dem Generalkonsulat einen schwarzen Kranz niederlegten, sprach die Vorsitzende des Gemeindezentrums Halkevi, Zeliha Dikmen „Wir als Gruppe türkeistämmiger Nichtregierungsorganisationen und deutscher Gewerkschaften protestieren gegen diese Ernennung und erklären Yusuf Yerkel zur unerwünschten Person, zur Persona non grata“.

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