Dirimsu Derventli
Ein Interview mit einer kölner Krankenpflegerin zum neuen Studiengang „Klinische Pflege“
Die Universität zu Köln bietet zum Wintersemester 2017/18 erstmalig einen neuen dualen Studiengang „Klinische Pflege“ als Bachelorstudiengang an. Dieses Angebot ist so in seiner Form nicht das erste und wird bereits an den staatlichen Universitäten in Frankfurt, Osnabrück, Stuttgart, Ulm und Würzburg angeboten. Das Studium soll vier Jahre dauern und erzielt eine „pflegewissenschaftliche Ausbildung zur selbstständigen Gestaltung und Steuerung von Pflege und Versorgungsprozessen“. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Krankenpfleger folgt ein weiteres Jahr, in dem die Bachelorprüfung an der Universität absolviert wird. Henrike Fohrmann ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Krankenpflegerin in Köln und erzählt, wie sie die Situation einschätzt. (Bemerkung: Obwohl der Begriff Krankenschwester nicht mehr verwendet werden soll, sieht es in der Realität immer noch so aus, dass überwiegend Frauen den Beruf ausüben. Entsprechend konnte die Natur des freien Gespräches, während des Interviews, nicht vermeiden, statt dem Begriff „Schwester“, Pfleger zu nutzen.)
„Wichtig ist praktische Erfahrung!“
Was halten die Kolleginnen auf deiner Station über die „Klinische Pflege“?
Das ist im Moment so ein Thema. Viele Kolleginnen regen sich darüber auf. Sie können das nicht so ganz nachvollziehen, warum die Arbeit akademisiert werden soll. Sie befürchten, dass nur noch „bessere Menschen“ den Beruf ausüben werden, anstelle von Leuten mit zum Beispiel einem Hauptschulabschluss.
Und wie stehst du dazu?
Es gibt immer auch noch die andere Seite: die normale Ausbildung wird nicht wegfallen. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, den Beruf der Krankenschwester komplett in einen Studiengang zu packen. Da können sie sich doch gar nicht leisten! Also ich meine, wer studiert denn Pflege? (lacht) Die Massen werden das nicht sein! Das ist ja trotzdem ein Beruf, wo die meisten Leute wissen „Gut, dass kann ich mit einem Realschulabschluss auch noch machen“, deswegen wird es niemals so sein, dass die Berufsausbildung zur Schwester nur über einen Studiengang geht.
Früher gab es Mechaniker, Elektroniker und Maschinenschlosser. Heute macht das alles der Mechatroniker. Per se klingt das doch gut, oder? Wie beurteilst du das in Bezug auf das Gesundheitssystem?
In Amerika ist es auch so: Da gibt es die Oberkrankenschwester, die Assistentin von der Oberkrankenschwester, die wiederum auch eine Assistentin hat. Ich kann mir vorstellen, dass man dieses Modell auch hier einführen möchte.
Also…
Also finde ich das eigentlich eine ganz gute Sache. Stell dir mal vor, du hast eine Station, mit zwei Schwestern, die studiert haben. Die haben ein bisschen mehr Verantwortung, mehr Plan und können dazu noch ein bisschen Wissen an die anderen weitergeben. Ich finde das nicht schlecht. Im Moment ist es ja so, dass wir auf der Station alle alles machen; auch die Azubis müssen alles machen. Bei uns gibt es keine Aufgabenverteilung. Unsere Arbeitsverhältnisse kennt man ja auch. Ich kann mir gut vorstellen, dass dann weniger Stress in einem Team ist. Natürlich muss man auch dann die Schichten verbessern und auch mehr Schwestern einstellen.
Trotzdem gibt es Nachteile. Wie siehst du die Ausbildungs- und Einstellungschancen für Schwestern ohne Bachelor?
Genau da ist das Problem. Bis dieses neue Modell in Deutschland überhaupt funktioniert, werden die studierten Pfleger auch mehr als „normale“ Pfleger eingestellt werden. Ich meine, es ist jetzt ja nicht anders: Abiturienten bekommen eher einen Ausbildungsplatz, als die mit Haupt- und Realschulabschluss. Da wird es nicht anders sein.
Kann dieser Studiengang so in dieser geplanten Form denn überhaupt Erfolg haben?
Da steht ja duales Studium – ich muss sagen, der Beruf der Krankenschwester ist ein Beruf, der sehr praktisch gelernt werden sollte. Dieses ganze Theoretische kann man nie so gut umsetzten. Deswegen sind auch die ganzen Medizinstudenten so überfordert, wenn sie auf die Patienten losgelassen werden. Während ihres Studiums haben sie nie wirklich praktische Erfahrung gesammelt. Da mach ich mir auch etwas Sorgen, dass es mit den studierten Pflegern genauso sein wird.
Würdest du selber Pflege studieren?
Ich würde nicht freiwillig Pflege studieren, aber wenn es da so eine große Nachfrage geben sollte: Bitte, warum nicht! Vielleicht bekommt der Job dann auch endlich mal einen besseren Ruf.