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Mehr Kampf und noch mehr Kampf

Die Leiharbeit war im letzten Vierteljahrhundert der größte, gegen die erkämpften Rechte der Arbeiter gerichtete Angriff. Anfang der 1990er Jahre begann diese Praxis in den kommunalen Unternehmen und verbreitete sich nach und nach auch in der Privatwirtschaft. Das führte zu einer Deregulierung, Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, bei denen der Mindestlohn eigentlich als Höchstlohn die Regel war. Dabei blieben auch gewerkschaftliche Rechte auf der Strecke.

Die Aktionen von Genel-İş haben Vorbildcharakter

Vor einigen Tagen organisierte die Gewerkschaft Genel-İş Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen gegen die Leiharbeit, die von Mitgliedsgewerkschaften von DİSK und KESK unterstützt wurden. Diese Aktionen bieten die Möglichkeit, eine Wende im Kampf gegen Leiharbeit einzuleiten. Diesen Kampf organisierte die Gewerkschaftsführung in Zusammenarbeit mit den Belegschaften in den Betrieben. Sie versuchten die Leiharbeiter und Stammbelegschaften im öffentlichen Dienst in diesen Kampf mit einzubeziehen. Deshalb ist er für Gewerkschaftsführungen und Beschäftigte sehr lehrreich.

Berichte aus Betrieben zeigen, dass Leiharbeiter und Stammbelegschaften, aber auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erkannt haben, welche Gefahr die Leiharbeit mit sich bringt und dass sie eine menschenfeindliche Form von Beschäftigung ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis, auf die man sich bei der Verbreitung des Kampfes stützen kann.

Ohne Kampf keine Rechte

Die AKP hatte im Wahlkampf versprochen, die Leiharbeit aus dem öffentlichen Dienst zu verbannen. Dies hatte sicherlich zu ihrem Wahlerfolg beigetragen. Jetzt fordern die Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Umsetzung dieses Versprechens. Die AKP hatte die Zusage, die Leiharbeiter in Regelbeschäftigung zu übernehmen, auch in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Allerdings war im jetzt verkündeten Regierungsprogramm diese Zusage nicht mehr zu finden. Der Grund dafür ist bestimmt nicht eine simple „Vergesslichkeit“. Viel mehr rechnete die AKP damit, mit der Übernahme von wenigen Leiharbeitern, die sich dieses Recht vor Gericht erkämpft haben, dieses Thema abzuschließen. Das widerum zeigt, dass die Arbeiter selbst für die Umsetzung der Versprechen im AKP-Wahlprogramm kämpfen müssen.

Der Kampf gegen Leiharbeit ist auch ein Kampf für „gesicherte Arbeitsverhältnisse“

Zusammengefasst ist das Wahlversprechen bezüglich der Leiharbeit der Bereich, in dem sich die AKP-Regierung am stärksten wehren wird. Denn die Leiharbeit ist der „Motor der Flexibilisierung der Arbeitswelt“, mit dem man die Arbeiter ihrer mit einem 200-jährigen Kampf erkämpften Rechte berauben und die Ausbeutung ins Unermessliche steigern kann. Ohne die Leiharbeit würde dieser Plan zusammenbrechen.

Deshalb geht die Forderung nach „Abschaffung der Leiharbeit“ und „gesicherten Arbeitsverhältnissen für alle Beschäftigten“ nicht nur die Leiharbeiter, sondern auch die Stammbelegschaften sowie die Beschäftigten im öffentlichen Dienst an, auch wenn sie heute relativ gesicherte Arbeitsverhältnisse haben. Nur mit dem Kampf gegen Leiharbeit können sie sich bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und sicherere Arbeitsplätze erkämpfen. Denn mittelfristig würden mit der Leiharbeit die Standards heruntergedrückt. Und von den Unternehmern zu erwarten, dass sie freiwillig auf den Einsatz von Leiharbeitern verzichten würden, wäre eine große Illusion.

Jetzt den Kampf verstärken

Deshalb kann man von den Regierungen des Kapitals nicht erwarten, dass sie ohne den Druck und den Kampf der Beschäftigten die Leiharbeit von sich aus abschaffen würden. In den letzten Monaten erstarkte dieser Kampf zusehends. Jetzt muss man ihn vor dem Hintergrund der Wahlversprechen der AKP neu auflegen. Er kann zugleich als ein Kitt verwendet werden, mit dem man die einzelnen Arbeitskämpfe zusammenfügen kann. Der von Genel-İş gestartete Kampf zeigt, dass die geeignete Basis dafür vorhanden ist.

İhsan ÇARALAN

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