Alea Schmidt
Schon in den ersten Wochen des neuen Jahrs zeigt sich, dass die Preise weiterhin teuer sind und teurer werden. Check24 schätzt, dass 2024 die Heizkosten in einem vier-Personen-Haushalt um etwa 60€ steigen, weil die Energiepreisbremse für Heizkosten ausläuft. Auch der Zuschuss für die Stromnetze wird gestrichen, weswegen auch die Stromkosten um etwa ein Drittel steigen werden. Nicht nur die Nebenkostenabrechnung, auch Lebensmittel werden 2024 teuer bleiben. Obwohl die Inflationsrate sinkt, erwarten Verbraucherzentralen nur geringfügige Preisrückgänge.
Kleine Trostpflaster
Allerdings gibt es aber auch ein paar Erhöhungen im sozialen Bereich, die das Leben von Menschen an oder unter der Armutsgrenze verbessern sollen, unter anderem die Erhöhung des Bürgergelds um 12 %. Das Bürgergeld wurde schon letztes Jahr eingeführt, um das von Sozialverbänden kritisierte Hartz IV zu ersetzen. Schon bei der Einführung wurden wichtige Verbesserungen gestrichen, um einen Kompromiss mit der CDU zu finden. 2024 soll das Bürgergeld um 12 % steigen. Alleinstehende erhalten dieses Jahr 61 Euro mehr, 563 statt 502 Euro im Monat. Die Bürgergelderhöhung ist eine Anpassung an die Inflation und Preissteigerungen 2023, also ein nachträglicher Angleich an die gestiegenen Kosten im letzten Jahr. Lebensmittel und Strom sind allerdings teurer als die Inflationsrate und im Regelsatz sowieso sehr knapp bemessen. Deswegen führt die Erhöhung nicht dazu, dass Empfänger mehr kaufen können. Das ausgezahlte Geld wird berechnet auf Grundlage des „Regelbedarfs“, der von bestimmten Kosten ausgeht, die Menschen im Monat damit decken. Das Jobcenter übernimmt die Miete und Krankenversicherung in einem bestimmten Rahmen. Alles andere zahlen die Empfänger selbst. Für Nahrungsmittel sind das etwa 200 Euro im Monat, für Strom und Wohnen 42,55 Euro und 2 Euro für Bildung. Zusatzversicherungen, ein Auto oder ein Feierabendbier sind nicht vorgesehen. Für ein menschenwürdiges Leben reicht das nicht: Laut dem paritätischem Wohlfahrtsverband wären 813 Euro nötig um die Existenz der ärmsten Menschen der Gesellschaft zu sichern.
Trotzdem gibt es Stimmen, die behaupten, dass es sich gar nicht mehr lohnen würde zu arbeiten, wenn man sowieso Geld vom Staat bekommt. Tatsächlich haben Arbeiter im Niedriglohnsektor aber häufig Ansprüche auf Sozialleistungen, weil ihr Lohn ihre Existenz nicht sichern kann, dazu zählt zum Beispiel Wohngeld oder das Aufstocken mit Bürgergeld. Diese Menschen haben mehr Geld zur Verfügung, als Bürgergeldempfänger die nicht arbeiten gehen. Dass man trotz Vollzeitjob zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen ist, ist nicht die Schuld der Bürgergeldempfänger. Von Arbeitern, die Lohn unter dem Existenzminimum bekommen können, profitieren vor allem die Arbeitgeber, deren Profit sich durch günstige Produktionsbedingungen erhöht. Bürgergeldempfänger werden somit zur Konkurrenz für Arbeiter, die einen höheren Lohn bekommen.
Hartz IV und der Tag gehört dir?
Die 44% der erwerbsfähigen Arbeitslosen sind dazu verpflichtet, eine „zumutbare“ Arbeit anzunehmen, künftig soll diese nicht mehr existenzsichernd sein müssen. Ein Bürgergeldempfänger muss also eine Arbeit annehmen, selbst wenn er trotzdem Bürgergeldempfänger bleiben sollte, weil der Lohn zu niedrig ist. Nehmen sie eine Arbeit nicht an, können sie sanktioniert werden. Unter Hartz IV konnten bis 30% des Bedarfs gestrichen werden, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will künftig alles, außer Miete und Heizkosten für bis zu zwei Monate streichen können – kein Geld mehr für Strom, Nahrung oder Verkehrstickets. Ein einigermaßen menschenwürdiges Leben kommt also nur noch für solche Menschen in Frage, die – egal unter welchen Bedingungen – produzieren. Der Anteil von Arbeitslosen, die ein Arbeitsangebot ablehnen ist in Wirklichkeit allerdings gering, weswegen es fraglich ist, ob diese Änderung überhaupt eine Auswirkung auf die Arbeitslosenquote in Deutschland hat oder nur weiter dazu führt, dass Bürgergeldempfänger und Arbeiter gegeneinander ausgespielt werden. Deutsche Politiker und Medien schüren Neid zwischen den beiden Gruppen und schießen dabei auf die Bürgergeldempfänger. Dabei ignorieren sie völlig die soziale Realität dieser Gruppe und die Gründe, warum Menschen Bürgergeld empfangen.
Auch Hubertus Heil schließt sich mit seiner Sanktionspolitik einem Vorwurf an, der häufig genannt wird: Dass arbeitslose Menschen nicht arbeiten wollen und damit dem Staat auf der Tasche liegen, der deswegen an anderen Stellen kürzen müsste. Dabei wird ausgeblendet, dass 2024 sowieso an jeder Ecke gespart wird, da dem Bundeshaushalt mehrere Milliarden fehlen, die im vergangenen Jahr für Rüstungsausgaben verausgabt wurden. Zum Beispiel wird 2024 der Bürgergeldbonus gestrichen, der bisher Empfängern ausgezahlt wurde, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Arbeitslose, die also versuchen ihre Berufschancen zu verbessern und wieder arbeiten zu gehen, werden somit abgestraft. Außerdem können über die Hälfte der Bürgergeldempfänger nicht arbeiten gehen, denn sie sind keine Arbeitslosen: 56 % der Empfänger stocken mit Bürgergeld ihren Niedriglohn auf, machen eine Ausbildung oder Weiterbildungsmaßnahmen, pflegen Angehörige, sind Kinder oder können wegen Alter oder Krankheit nicht mehr arbeiten. Diese Menschen werden auch von den Kürzungen im Gesundheitssysteme und der Bildung 2024 verstärkt getroffen.
Das Bürgergeld wurde mit dem Versprechen eingeführt, mehr Chancengleichheit und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Doch das wird den Bürgergeldempfängern auch im neuen Jahr nicht zugestanden. Die Chancen auf Bildung und Weiterbildung sind für Bürgergeldempfänger gering, weswegen sie weniger Chancen bekommen, sich beruflich zu qualifizieren. Der wirtschaftliche Druck, der 2024 nicht weniger wird, zwingt sie dazu, schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen und nimmt ihnen die Möglichkeit, sich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen einzusetzen.