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Mit Saudi-Arabien für eine sichere und bessere Zukunft

Nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock ist die Bundesregierung bereit, der Lieferung weiterer Eurofighter an Saudi-Arabien nicht länger im Weg zu stehen. Bei ihrem Israelbesuch verwies Baerbock darauf hin, dass die saudische Luftwaffe gegen Israel gerichtete Raketen der Huthi-Miliz im Jemen abschieße und damit maßgeblich zur Sicherheit Israels und der Stabilität im Nahen Osten beitrage. Saudi-Arabien kenne schon seit geraumer Zeit die Gefahr, die von den Huthi für die Sicherheit in der Region ausgehe. „Dass die saudische Luftwaffe dabei auch Eurofighter einsetzt, ist, glaube ich, ein offenes Geheimnis“, ergänzte sie. Die Regierung in Riad zeige ihre Bemühungen um eine bessere Zukunft in der Region. Die Ministerin nannte es bemerkenswert, dass Israel und Saudi-Arabien ihrem Normalisierungskurs nach den Terrorattacken der islamistischen Hamas am 7. Oktober keine Absage erteilt hätten und äußerte ihre Dankbarkeit gegenüber Saudi-Arabien für ihr Vorgehen gegen die jemenitischen Huthis.

Wenn man nicht wüsste, um welches Land es sich bei dieser Lobeshymne Baerbocks handelt, könnte man meinen, dass die Welt nur noch eine deutsche Waffenlieferung von der Sternstunde des Friedens und der Menschenrechte entfernt ist. Bei genauerer Betrachtung der gepriesenen Bündnispartner offenbaren Baerbock und die Bundesregierung lediglich ihren Zynismus, geben ein weiteres Beispiel für die Doppelmoral des Westens und legen den Stellenwert von Grundrechten in ihrer Außenpolitik offen.

Der Westen: seine Handels- und Bündnispartner

Mit der Reformagenda „Vision 2030“ versucht Saudi-Arabien schon seit einigen Jahren durch das Versprechen von Reformen das eigene Image aufzubessern. Dies kommt natürlich auch den westlichen Handelspartnern zugute, die gerne mit Saudi-Arabien Handel betreiben, aber aufgrund internationalen Drucks und dem Druck der eigenen Bevölkerung nicht drumherum kommen, den Handelspartner für seine Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, was sie allerdings trotzdem nicht davon abhält die Handelsbeziehungen zu pflegen oder sogar zu erweitern. Dabei messen Saudi-Arabien und andere Golfstaaten wie Katar, die Emirate usw. vor allem dem sog. „Sportswashing“ (=die Bestrebungen, das Ansehen des eigenen Landes durch die Veranstaltung von Sport-Events zu verbessern) eine hohe Bedeutung zu, wie z.B. die WM in Katar 2022, die FIFA-Club-WM in Saudi-Arabien 2023, das Anlocken von Stars mit bis zu neunstelligen Millionengehältern oder den Kauf von europäischen Fußballmannschaften wie Newcastle United. All das, um sich modern und weltoffen zu zeigen. Doch hinter der Fassade wächst die Repression und die Zahl der Todesurteile steigt dramatisch. In Saudi-Arabien wird das Antiterrorgesetz benutzt, um hart gegen die Zivilgesellschaft, vor allem gegen Menschenrechtsaktivisten, vorzugehen. 2023 hat Saudi-Arabien 170 Menschen und damit sogar mehr als im Vorjahr hingerichtet. Die Zahl der Hinrichtungen hat sich seit 2015 fast verdoppelt. Human Rights Watch veröffentlichte im August 2023 einen Bericht, wonach mehr als 100 äthiopische Migranten, die versuchten, über den Jemen nach Saudi-Arabien einzureisen, von saudischen Grenztruppen niedergeschossen wurden. Frauen und Mädchen werden in Saudi-Arabien systematischen unterdrückt. Juristisch unterstehen sie Männern hinsichtlich Ehe, Scheidung, Sorgerecht, Erbrecht und anderen Bereichen des Lebens. Das Vormundschaftsrecht verbietet es Frauen, eigene Entscheidungen zu treffen und ermächtigt einen männlichen Angehörigen, dies an ihrer Stelle zu tun. Dasselbe gilt auch für den Handelspartner Katar. In beiden Ländern gibt es weiterhin tausende von ungeklärten Todesfällen von Arbeitsmigranten, unmenschliche Arbeitsbedingungen und Menschenhandel gehören zum Tagesgeschäft.

Waffen in Kriegsgebiete – Öl über Menschenrechte

Auch die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition hat in bedeutendem Umfang zu einem Krieg beigetragen, der den Jemen seit mehr als vier Jahren erschüttert. Durch die Bombardierung und den Beschuss von Krankenhäusern, Schulen und Wohnhäusern hat er Tausende zivile Opfer gefordert, darunter auch viele Kinder. Amnesty International hat wiederholt Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dokumentiert, darunter auch Kriegsverbrechen. Zivilisten sind von den Kämpfen überproportional stark betroffen und stellen über die Hälfte der Todesopfer. Unter Zivilisten gab es viele Tausend Tote, Millionen Binnenflüchtlinge und Millionen Unterernährte, darunter allein etwa 2,2 Millionen unterernährte Kinder. Als verantwortlich für das starke Anwachsen der humanitären Katastrophe im Jemen wird neben den großen Zerstörungen durch die Angriffe insbesondere die Seeblockade des Jemen angesehen, die von Seiten der saudi-arabisch angeführten Militärallianz bis heute beibehalten wird. Stand Dezember 2022 gilt die Situation im Jemen immer noch als die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt.

Dennoch schließen Länder wie Großbritannien, die USA und Frankreich weiterhin lukrative Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien ab. Aber nicht nur die NATO-Staaten zählen zu den wichtigsten Handelspartnern, sondern auch Russland und China. Saudi-Arabien ist Chinas bedeutendster Öllieferant, umgekehrt ist China der größte und wichtigste saudische Handelspartner. Während sich der Westen und Russland und China in einem Tauziehen um die Gunst der Ölriesen befinden, bleibt der Begriff „Menschenrechte“ für alle nichts, außer eine leere Floskel. Deutschland beliefert seit Jahren die am Krieg im Jemen beteiligten Länder Ägypten, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Sudan. Mit der Freigabe der Eurofighter durch die Bundesregierung endet auch der Schein, keine direkten Waffen an Saudi-Arabien zu liefern.

Doppelmoral und Widerspruch

Abgesehen von den Menschenrechten (so zynisch dieser Satz auch klingen mag) ist die Begründung der Bundesregierung und Baerbock trotzdem nicht frei von Widersprüchen und Doppelmoral. Auf der einen Seite werden Frauenrechte, LGBTQ-Rechte, Menschenrechte und der Islamismus der Hamas als Argumente für die Unterstützung Israels genutzt. Auf der anderen Seite wird ein islamistisches Land, das ein Paradebeispiel für die Unterdrückung von Frauen-, LGBTQ- und Menschenrechten ist, in den Himmel gepriesen und mit Waffen beliefert, nur weil das Vorgehen sich mit der eigenen „Staatsräson“ deckt. Die Bundesregierung nutzt die seit Monaten geschürte Stimmung und Propaganda und instrumentalisiert den Palästina-Konflikt, um sich einen Grund für weitere Waffenlieferungen aus dem Hut zu zaubern. Das Wohlergehen der Zivilbevölkerung In Palästina und im Jemen oder die Menschenrechte müssen sich hinten anstellen.

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