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Nordamerikas schwerstes Schusswaffenmassaker

Dirim Su Derventli

Das Attentat in Orlando vom 11. Juni geht als schwerstes Schusswaffenmassaker in die US- Geschichte ein. Ein 29-jähriger Mann stürmte den Nachtclub „Pulse“ und schoss nicht nur wild um sich, sondern nahm auch Geiseln in Gewahrsam. 49 Menschen starben und weitere 53 wurden verletzt. Spezialeinsatzkräfte des FBI erschossen anschließend den 29-jährigen. Die Nachricht erschütterte Millionen von Menschen weltweit. Bei dem Attentat in Orlando handelt es sich nämlich nicht um ein „gewöhnliches“ Attentat auf eine unbestimmte Zielgruppe: Der 29-jährige Omer Mateen hatte sich gezielt einen Nachtclub herausgesucht, dessen Klientel fast ausschließlich aus der LGBTI-Szene (lesbische, schwule, bi-, trans- und intergeschlechtliche Personen) bestand. Immer wieder erleben diese Menschen Benachteiligung, Diskriminierung und Hass überall in der Welt und müssen nicht selten mit ihrem Leben aufgrund der Intoleranz Anderer bezahlen. Eine Solidaritätsbewegung hat sich weltweit insbesondere über Social Media rasch entwickelt. Unter dem Hashtag #orlandostrong und #prayfororlando sprechen sowohl Personen aus dem öffentlichen Leben, als auch Privatpersonen ihre Anteilnahme aus. Der Pariser Eiffelturm, das Brandenburger Tor, das One World Trade Center und andere berühmte Wahrzeichen leuchteten seit dem Anschlag in Regenbogenfarben, dem Symbol der LGBTI-Bewegung. Die Fassungslosigkeit hat sich bis heute nicht gelegt: „Wie kann man nur hassen, dass sich Menschen lieben?!“

Homophobie ein weltweites Problem

Dennoch scheint unklar, ob aus Homophobie gehandelt worden ist. Einige Quellen des FBI behaupten, dass Mateen Anhänger der Terrormiliz IS und für den Dschihad gekämpft haben soll, es gibt allerdings keine sichere Bestätigung hierfür. Der IS, der sich ohne zu Zögern für Attentate von Einzelkämpfern bekennt, welche den Werten ihrer Ideologie entsprechen, hat sich nur kurze Zeit später auch zu dem Attentat in Orlando bekannt. Mateens (Ex-)Frau bestätigte allerdings, dass Mateen selber jahrelang Besucher des Nachtclubs „Pulse“ gewesen sein soll. Auch einige Freunde des 29-jährigen erwähnten der Presse gegenüber, dass Mateen durchaus homosexuell oder bisexuell sein könne, doch durch seinen ethnischen Hintergrund und seinem islamischen Glauben nicht dazu in der Lage gewesen wäre, sich zu outen. In den deutschen Medien wurde scharf diskutiert, ob Mateen ein „einsamer Wolf“ oder ein IS-Kämpfer sei. Allerdings erfolglos, denn zu einem Ergebnis kamen weder die deutschen, noch die amerikanischen Behörden und Reporter.

Sexismus rund um den Globus

Ziemlich genau vor einem Jahr wurde in den USA das Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in allen 50 Staaten verabschiedet. Die neue Freiheit sorgte für Mut und Hoffnung, aber auch für viele kontroverse Diskussionen rund um den Globus. Während immer mehr Menschen die Courage zeigten, sich mit der LGBTI-Bewegung zu solidarisieren, äußert sich eine große Mehrheit immer noch zynisch gegenüber Aktivisten und Inter-, Trans, oder Homosexuellen. Obwohl der Juni Gay-Pride-Monat ist, in dem weltweit Paraden und Aktionen der LGBTI-Community stattfinden, muss die Bewegung häufig mit Zensur und mit Verboten rechnen. Nicht zuletzt wurde in Istanbul die jährliche Parade, unter dem Vorwand der Terrorgefahr verboten. Jegliche Versuche, trotzdem ein friedliches Miteinander stattfinden zu lassen, wurden von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Die Doppelmoral der türkischen Regierung ließ allerdings nicht lange auf sich warten, am Abend brach Präsident Recep Tayyip Erdogan gemeinsam mit Trans-Diva Bülent Ersoy sein Fasten.

Trotzdem darf man nicht der Illusion verfallen, Homophobie sei ein Phänomen des Islams oder Ländern aus dem Nahen Osten. Das kann man besonders gut in Deutschland beobachten. 40,1% empfinden laut der „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig es immer noch als ekelig „wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“. Viele sehen diese Zärtlichkeit auch als reine Provokation an, finden es aber völlig in Ordnung, wenn sich heterosexuelle Paare öffentlich küssen.

Für kontroverse Diskussionen sorgt neuerdings auch die Behauptung, Homosexualität sei eine Modeerscheinung und es sei modern sich als schwul oder lesbisch zu outen. Hinter dieser provokanten These steckt die Annahme, dass es heute mehr Homosexuelle gebe, zumindest geoutete. Dabei fällt den meisten Menschen gar nicht auf, wie häufig Heterosexualität zur Schau gestellt wird.

Dabei heißt es in Zeiten, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sterben oder leiden müssen, stärker als je zuvor sich mit diesen zu solidarisieren. Wir schreiben das Jahr 2016, es ist höchste Zeit, dass alleine der Mensch hinter Handlungen wahrgenommen wird und nicht auf das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung reduziert wird.

Sexualität ist keine Entscheidung, sondern ist und bleibt eine Orientierung. Viele verwechseln diesen kleinen, aber feinen Unterschied. Dabei wird es an diesem Beispiel offensichtlich: Kein heterosexueller Mensch hat die Entscheidung getroffen, das andere Geschlecht zu bevorzugen, sondern fühlt und liebt auf natürliche Weise ganz automatisch so. Das gleiche gilt für homosexuelle oder bisexuelle Menschen – ohne Ausnahme. Jeder Mensch ist frei zu lieben, wen er möchte, solange dabei keine Gefahr für irgendjemanden ausgeht oder man anderen nicht vorschreiben möchte, was erlaubt und verboten ist. Etwas anderes steht nicht zur Debatte.

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