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Oury Jalloh – Das war Mord

Am 07. Januar 2005 wurde der 36jährige Oury Jalloh von der Polizei wegen angeblicher sexueller Belästigung an zwei Frauen in Gewahrsam genommen und starb kurze Zeit später in Dessau in einer Gefangenenzelle durch ein Feuer. Jahrelang ging die Justiz davon aus, dass Jalloh Selbstmord begangen hatte. Schaut man sich Tatort und Tatverlauf an, so ist Selbstmord die unwahrscheinlichste Todesursache.

Gefesselt und dabei selbst angezündet?

In seiner Zelle wurde Jalloh an eine Matratze gefesselt. Die zwei Beamten, Andreas S. und Ulrich M., sollten Jalloh durchgehend im Auge behalten. Stattdessen verletzten sie nicht nur ihre Aufsichtspflicht, sondern ignorierten mehrere Rufe des Mannes. Selbst den Feueralarm, den sie sogar zweimal abstellten, ignorierten sie, bis sie schließlich doch zur Zelle gingen, um festzustellen, dass jede Hilfe zu spät kam. So schilderten die zwei Beamten es schließlich 2008, drei Jahre nach dem Feuertod, zumindest vor Gericht. Während der Ermittlungen zuvor hatten sie Details wie das Abstellen des Feuermelders verschwiegen.

Aus Mängeln an Beweisen werden sie zunächst freigesprochen, denn während des Feuers sei es zu einem Stromausfall gekommen und jegliches Bild- und Tonmaterial wäre gar nicht erst aufgezeichnet worden. Obwohl der Hausmeister bestätigte, dass es nie einen Stromausfall gab, beschäftigte man sich mit dem Fehlen der Aufnahmen nicht weiter. Mit dem Feuerzeug, das Jalloh genutzt haben soll um sich anzuzünden und erst zwei Tage später am Tatort auftauchte, befasste man sich gar nicht.

Sparsame Ermittlungen, wenig Ergebnisse

Bei der von der Landespolizei Sachsen-Anhalt veranlassten Obduktion stellte man fest, dass Jalloh innerhalb von zwei Minuten durch die Hitze gestorben sein muss. Bei weiteren Untersuchungen, die durch die Initiative Oury Jalloh durch Spenden veranlasst wurden, fand man heraus, dass Jalloh zuvor schwer misshandelt wurde und das Feuer nur durch Brandbeschleuniger sich so schnell ausbreiten konnte. Auch das Feuerzeug weist keinerlei DNA-Spuren oder andere Spuren wie von der Matratze, auf der Jalloh gefesselt war, auf. Dafür wurden andere DNA-Spuren gefunden, die man allerdings bisher noch nicht nachverfolgt hat.

Nach der ersten Revision wurde der Beamte Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung nur zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt. Er habe seine Aufsichtspflicht verletzt und somit Jallohs Tod nicht vorbeugen können.

Todesermittlungsverfahren läuft wieder

Neue Hoffnung versprach die Tatrekonstruktion im August 2016. Hierbei wurde noch einmal deutlich, dass Jalloh unmöglich aus seiner gefesselten Position heraus selbst ein Feuer gelegt haben könnte. Außerdem ist der vermeintliche Hitzetod an nahezu unmöglich, so Rechtsmediziner. Die Staatsanwaltschaft äußert nun erste Annahmen, dass ein Dritter am Tod beteiligt sein und es sich beim Fall Oury Jalloh doch um Mord handeln könnte.

Doch die Gerichte tun sich schwer, den Mord an Oury Jalloh anzuerkennen und insbesondere ihn als einen Mord mit rassistischem Hintergrund einzustufen. Es ist die größte Mühe der Staatsapparate, den tatsächlichen Tatablauf zu verdecken. Und es wäre nicht der erste Skandal; die NSU-Morde sind beispielhaft für die Verwicklung staatlicher Institutionen in ungeklärte Todesfälle. Beim Fall Oury Jalloh hätten in zwölf langen Ermittlungsjahren die Fallumstände bereits geklärt werden müssen. Stattdessen ist die Justiz nicht bereit, die Tat lückenlos aufzuklären. Die Initiative Oury Jalloh wird im September 2017 ihre Ergebnisse einer unabhängigen Untersuchungskommission und einem Expertenrat der Vereinten Nationen vorführen, um mehr Druck auf die deutsche Justiz auszuüben.

Dirim Su Derventli

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