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Räumung im Hambacher Forst fortgesetzt

Aylin Melis Ayyildiz

Umweltschützer protestieren im Hambacher Forst bei Köln, auch Hambi genannt, schon seit Jahren dagegen, dass der Energiekonzerns RWE weite Teile des Forstes abholzen will, um an die Braunkohlereserven unter dem Wald zu gelangen. Sie möchten für sich und für zukünftige Generationen eines der ältesten Wälder Deutschlands erhalten, damit Tiere und Pflanzen weiterleben und die Luft sauber bleiben kann. Laut RWE hingegen sei die Abholzung des Waldes unvermeidbar, um die Stromproduktion in den Braunkohlekraftwerken zu gewährleisten. Der Forst gehöre dem Konzern und man habe juristisch die Erlaubnis, mit der Abholzung zu beginnen.

Der Wald hat nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine 12000 Jahre lange Geschichte. Neben dem Vorkommen streng geschützter Tier- und Pflanzenarten sind einzelne Bäume des Waldes bis zu 350 Jahre alt. Umweltaktivisten errichteten kleine „Baumhausdörfer“ im Wald und leben teilweise seit sechs Jahren über 15 Meter Höhe auf selbst gebauten Konstruktionen.

Räumung notwendig wegen „Brandschutz“

Am 13. September begann RWE, unterstützt von der Polizei, die Baumhäuser im Wald zu räumen. Wegen „Brandschutz“ dürfe man die Baumhäuser nicht bewohnen, ließ die schwarz-gelbe Landesregierung die Polizei erklären. Die Polizei schaffte mit Baggern und großem Gerät Barrikaden aus dem Weg, fällte Bäume, um mit großen Kränen an die Seilkonstruktionen und die Baumhäuser zu gelangen. Von dort holten Spezialeinsatzkräfte und »Kletterpolizisten« dann die Aktivisten gewaltsam herunter. Nach vier Tagen Räumung waren etwa die Hälfte der improvisierten Unterkünfte geräumt. Es gelang den Aktivisten dennoch immer wieder, tiefer in den Wald zu dringen und Sitzblockaden auf den Wegen und vor den Baumhäusern zu organisieren. Auch außerhalb des Waldes auf den Feldern und Straßen kamen tausende Menschen zusammen und demonstrierten in den ersten Tagen der Räumung und Abholzung. Darunter waren auch Familien und Menschen aus der Region. Sie alle setzten sich für Klimaschutz und den Erhalt des „Hambi“ ein und protestierten gegen die Profitgier von RWE. Überall in Deutschland gab es Solidaritätsaktionen und Kundgebungen.

Unfalltod eines Reporters führt zu keiner Besinnung

Nach dem tragischen Tod des jungen Bloggers, Steffen Horst Meyn (27), der die Besetzer im Hambacher Forst wochenlang begleitete und vor Ort über die Räumung berichtete, wurde die Räumung kurzzeitig gestoppt. Innenminister Reul zeigte sich zunächst erschüttert und betroffen. Er wolle in Zeiten von Trauer nicht an den politischen Streit denken und ordnete daher eine Aussetzung der Räumung an. Gleichzeitig appellierte Reul an die „Baumbesetzer“, die Baumhäuser freiwillig zu räumen. Nichtsdestotrotz zog er aber die Polizei nicht gänzlich ab und keine 24 Stunden nach dem tragischen Unfall, fuhr die Polizei mit den Räumungen wieder fort. In den Medien wurde stets von einem Unfalltod berichtet und nichts über einen Polizeieinsatz, der gleichzeitig stattfand und der Reporter auf dem Weg dahin war, um einige Fotos zu schießen. Ein Video von dem Tag zeigt, dass in der Tat eine Hebebühne und ein Kletterpolizist mit der Räumung beschäftigt waren, als der Blogger durch die Bretter einer Hängebrücke etwa 20 Meter zu Boden fiel und noch am Unfallort seinen Verletzungen erlag.

Polizei übt den „Ernstfall“

Bereits vor diesem Unglück führte das Vorgehen der Polizei zu einer massiven Gefährdung der Bewohner der Baumhausstadt „Beechtown“: Sie konfiszierten Seile, Sicherungen und Klettergurte, mit denen sich die Aktivisten in den Bäumen gesichert hatten. Es gab Berichte von den Besetzern, wie die Polizei wichtige Seile gekappt und Traversen demontiert hat, die für die Sicherheit der Baumhaus-Konstruktionen gesorgt hatten. Der für NRW geplante Polizei-Gesetz wird immer wieder im Hinblick auf den Wald ins Spiel gebracht und die Notwendigkeit dieses Gesetzes wird mit den Polizeieinsätzen begründet.

Soli-Aktionen gehen weiter

Das Verbot des regelmäßig am Sonntag stattfindenden Waldspaziergangs sorgte für weiteren Aufruhr. Mindestens 7000 Menschen kamen am Waldrand zusammen, um sich mit den Aktivisten zu solidarisieren und für den Erhalt des Hambacher Forsts zu demonstrieren. Und das, obwohl vielen die Anfahrt erschwert wurde, indem S-Bahnen und Züge in Richtung Buir nahe des Hambacher Forsts ausfielen und Ersatzzüge gestrichen wurden.

Die Polizei war in der Unterzahl und konnte die großen Menschenmassen nicht davon abhalten, in den Wald zu gehen. Der Wald war voller Sympathisanten und Demonstranten, die in den noch bestehenden Baumhausstädten mit anpackten und halfen, wo sie konnten. Durch die unkontrollierte Lage konnten zahlreiche neue Barrikaden errichtet werden und sogar neue Plattformen auf den Bäumen entstehen. Die Polizei soll an diesem Tag Pfefferspray gegen friedliche Demonstranten eingesetzt haben, darunter sollen auch Familien mit Kindern gewesen sein.

Neuer politischer Kurs gefordert

Umweltschützer und ein großer Teil der Bevölkerung forderten nach dem tödlichen Unfall einen neuen politischen Kurs der Landesregierung. In dieser unruhigen Lage weigerte sich der Innenminister, politisch Stellung zu beziehen. Er äußert sich kaum zu der Frage, ob der Wald gerodet werden müsste und berief sich auf Nachfrage immer nur auf die Gerichtsentscheidung. Es läge bei dem Energiekonzern RWE, ob und wann geräumt werden soll, der Regierung seien die Hände gebunden.

Die Umweltaktivisten veranstalten regelmäßig „Skillsharingcamps“, in welchen sie Vorträge zu Klimawandel und Braunkohle-Abbau sowie Workshops und Diskussionen mit Aktivisten und Experten anbieten. Zurzeit findet ein Skillsharingcamp in Mannheim statt.

Wegen den sinkenden Temperaturen und fehlender Ausstattung durch die Räumung wird um Sachspenden wie Isomatten, Schlafsäcke, Decken, Planen, warme Winterklamotten und Regenkleidung gebeten. Auf der Homepage hambacherforst.org findet man diesbezüglich weitere Informationen. Für den 6. Oktober ist eine bundesweite Demonstration „Hambi bleibt!“ angekündigt.

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