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Rechte in KZ Gedenkstätten

Alev Bahadir

Im Rahmen des „Holocaust-Gedenktags“, also des Tages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wurden gleich mehrere Erhebungen und Umfragen durchgeführt, die Grund zur Beunruhigung liefern.

Zunächst wurde vom „evangelischen Pressedienst“ verzeichnet – und das ist im ersten Moment durchaus positiv zu bewerten-, dass die Zahl der Besucher in den deutschen KZ-Gedenkstätten im Jahr 2019 nahezu überall zugenommen hat oder in den anderen wenigen Fällen konstant geblieben ist. Demnach verzeichnete die KZ Gedenkstätte Dachau 900.000, die KZ Gedenkstätte Sachsenhausen 700.000 Besucher im Jahr 2019. Die Stiftung Topographie des Terrors in Berlin verzeichnete 1,3 Mio. Besucher. Bei den Besucherzahlen der Gedenkstätten zeichnet sich eine Tendenz nach oben ab.

Das signalisiert erst mal, dass Menschen sich mehr mit der Erinnerungskultur beschäftigen, ein Umstand, der zu Zeiten des wachsenden Rechtsrucks umso notwendiger sein muss. Das wird durch eine andere Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag von Deutsche Welle (Auslandsrundfunk der BRD) durchgeführt hat, bestätigt. Darin sprachen sich Dreiviertel der 1018 Befragten dafür aus, dass KZ-Gedenkstätten-Besuche Teil des Schulunterrichts sein sollten.

Wo das Positive der steigenden Besuchszahlen hervorzuheben ist, muss auch auf die negativen Entwicklungen eingegangen werden. So berichten Leitungen von Gedenkstätten vermehrt von rechtsextremen Vorfällen. „In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten“, so Volkhard Knigge, Leiter der KZ Gedenkstätte Buchenwald. Genauso gebe es Eintragungen, wie: „Wären die Lager noch in Betrieb, hätten wir kein Ausländer-Problem“.

Genauso würden sich Rechte vermehrt unter Besuchergruppen mischen, um da zu provozieren, Geschichtsrevisionismus zu betreiben, den ganzen Vorfall zu filmen und das dann ins Netz zu tun. Nun ist es leider nicht nur so, dass die Gedenkstätten ausschließlich als Ort des Gedenkens an die Opfer des Hitler-Faschismus dienen. Auch auf diejenigen, die die Täter verherrlichen und am liebsten noch in ihre Fußstapfen treten würden, üben die Gedenkstätten einen besonderen Reiz aus. Es geht nicht nur darum, normale, interessierte Besucher vom Besuch abzuschrecken, sondern auch um das Ausleben ihrer perversen Phantasien. So gingen auch die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) uniformiert in die KZ Gedenkstätte Buchenwald, wo sie dann Hausverbot bekamen. Deshalb ist es wichtiger denn je, diese Orte als Plätze des Gedenkens an die Verbrechen des Faschismus und dessen Opfer weiterhin zu stärken und den Rechten dafür keinen Raum zu lassen. Dass das Problem sich nicht nur auf die Gedenkstätten bezieht, zeigen auch Zahlen des Bundeskriminalamts, das allein im ersten Halbjahr 2019 442 Straftaten mit antisemitischen Hintergrund verzeichnete. Und schließlich zeigte uns nicht zuletzt der versuchte Anschlag eines Rechten auf eine Synagoge in Halle, dass Antisemitismus und Rassismus keinesfalls der Vergangenheit angehören.

Jedoch müssen wir nicht nur an den rechten Rand schauen, um eine Verrohung im Umgang mit der Geschichte zu sehen. So fehlt oft leider immer mehr der nötige Anstand beim Besuch einer Gedenkstätte. Ein Schnappschuss, grinsend vor dem Tor zur KZ Gedenkstätte in Auschwitz, auf dem „Arbeit macht frei“ steht oder ein Selfie vor dem Verbrennungsofen im Krematorium Dachaus. Was sich schrecklich makaber anhört – und das ist es auch, ist tatsächlich keine allzu seltene Realität. Deshalb gehört die Bildungs- und Erinnerungsarbeit im Vorfeld einer Gedenkstättenfahrt genauso dazu, wie eine begleitete Führung vor Ort.

Doch gibt es auch Stimmen, die sich für ein Ende der Beschäftigung mit dem Holocaust aussprechen. Die oben bereits erwähnte Umfrage der Deutschen Welle zeigte das. Obwohl sich über die Hälfte der Befragten nach wie vor für die Auseinandersetzung mit dem Hitler-Faschismus aussprachen, stimmten trotzdem 37 % der Aussage zu, dass die Deutschen sich nicht mehr so viel mit der NS-Zeit beschäftigen sollten, „sondern endlich einen Schlussstrich ziehen“. Der Anteil derjenigen, die dies bestätigten, ist in den vergangenen zwei Jahren um 11 % gestiegen. Werden die Zahlen nach der Zugehörigkeit an im Bundestag vertretenen Parteien betrachtet, erwartet eine keine Überraschung. Den höchsten Anteil haben die Anhänger der AfD. 72 % der AfD-Anhänger sprachen sich für einen Schlussstrich aus. Kein Wunder, schließlich bezeichnete Alexander Gauland, Vorsitzender der Fraktion der AfD im Bundestag, den Hitler-Faschismus als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. Obwohl sich also über die Hälfte der Befragten gegen einen Schlussstrich aussprechen, ist die Zahl derer, die dafür sind, trotzdem erschreckend hoch. Dabei gibt es noch so viel aufzuarbeiten.

So z.B. die Verfolgung und Leidensgeschichte von tausenden Sinti und Roma. Während auf der Hauptagenda der Nazis die systematische Ermordung der Jüdinnen und Juden stand, wurden Sinti und Roma als „Zigeuner“ oder „Asoziale“, wie sie von den Nazis bezeichnet wurden, kaum minder verfolgt. Nach diversen Schätzungen, u.a. von „Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma“, wurden 500.000 Sinti und Roma während des Hitler-Faschismus ermordet. Die Anerkennung der Ermordung durch die Bundesrepublik als Völkermord aus rassistischen Gründen erfolgte erst 1982 und das vor allem auf Druck des damals neugegründeten Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Und auch heute noch, steht die Diskriminierung von Sinti und Roma noch stark im Vordergrund. Das Wort „Zigeuner“ fällt immer noch viel zu häufig und die alten Klischees sind auch noch in Takt.

Jedoch hat Aufarbeitung ohne die Realisierung des Grauens und des Ausmaßes der Verbrechen, wie z.B. durch den Besuch einer KZ-Gedenkstätte, nicht die gleiche Wirkung. Deshalb ist eine entschiedene Erinnerungsarbeit notwendig.

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