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„Schlüsselakteure in der „neuen globalen Weltordnung“

„Schlüsselakteure in der „neuen globalen Weltordnung“ – Handlungsempfehlungen für Deutschland und die EU im Kampf um die Neuverteilung der Welt (Teil 2 )

In einem gemeinsamen Projekt der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden die Herausforderungen Deutschlands und der EU in der „sich verändernden Weltordnung“ dargestellt und nach einer Analyse der „Rolle in der neuen globalen Ordnung“ und „außenpolitische Positionierung“ Handlungsempfehlungen in Bezug auf die als „Schlüsselakteure“ bezeichneten Länder Indien, Kolumbien, Türkei und Kenia gegeben.

In diesem zweiten und letzten Teil widmen wir uns den Angaben zu Kenia, das vor allem wegen dem Migrationsabkommen relevant geworden ist, und den allgemeinen Handlungsempfehlungen an Deutschland und die EU.

Kenia in der „neuen globalen Weltordnung“

Aus kenianischer Sicht habe sich die Grundlage der globalen Machtverhältnisse verschoben: Wirtschaftlicher, kultureller und militärischer Einfluss verlagere sich vom „Westen“ in den „Osten“. Die USA verlieren zunehmend an unangefochtener Führungsrolle und der privilegierte Status westlicher Staaten in internationalen Institutionen werde kritischer betrachtet. Man rechne damit, dass „die multilaterale Struktur“ in Zukunft aufgrund des wachsenden Einflusses Chinas neu ausgehandelt werde. Zudem würden neue Institutionen wie die BRICS+ eine Alternative zur bisherigen Ordnung bieten. Diese Entwicklungen würden Kenia und anderen kleineren, aber wichtigen Ländern des „Globalen Südens“ neue Möglichkeiten für mehr Einfluss in den internationalen Beziehungen eröffnen. Obwohl Kenia wirtschaftlich oder militärisch nicht stark genug sei, um die „Weltordnung zu verändern“, nutze es seine strategische Position und Allianzen zu seinem Vorteil. Kenia gelte für die USA, China, die EU, Russland, die Türkei und die Golfstaaten als wichtiger Stabilitätsfaktor und Zugang zu Ostafrika. Zudem setze Kenia auf die Stärke afrikanischer Allianzen, um in multilateralen Foren mehr Gewicht zu erlangen. Die Verschiebung des Einflusses zwischen „West“ und „Ost“ könne langfristig das Machtgefälle zwischen dem Globalen Norden und Süden verringern. Kenia strebe nach einer aktiven Mitgestaltung der globalen Ordnung, jedoch ohne „revolutionäre Absichten“. Kenias Bereitschaft, eine internationale Eingreiftruppe in Haiti zu führen, verdeutliche sein „Engagement“ für internationale Zusammenarbeit in „Friedensfragen“. Es wahre Distanz zu BRICS+, obwohl es Reformen der globalen Finanzarchitektur und eine Verminderung der Dominanz des US-Dollars befürworte. Kenia verfolge eine pragmatische Außenpolitik, die keine der Großmächte verprellt, und sei offen für Kooperationen, die wirtschaftlichen Nutzen bringen.

International werde Kenia oft als „westlich orientiert“ wahrgenommen, da es Konflikte wie den „Angriff Russlands auf die Ukraine und der Hamas auf Israel“ klar verurteilt habe. Dies hebe es von anderen afrikanischen Ländern wie Südafrika und Uganda ab. Dennoch verfolge Kenia offiziell eine „positive wirtschaftliche und politische Blockfreiheit“, die auf Beziehungen zu Ost und West setze. In der UN stimme Kenia oft ähnlich wie andere afrikanische Länder sowie China und Russland ab, nicht wie westliche Staaten.

Auch unterstützte Kenia als einziges ostafrikanisches Land die Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf Huthi-Stützpunkte im Jemen. Gleichzeitig eröffne die regelmäßige Erneuerung des Verteidigungsabkommens mit Großbritannien der kenianischen Regierung Verhandlungsspielraum, da London ein Fortbestehen der britischen Militärpräsenz in der Region anstrebe.

Kenia wünsche sich für die Zukunft eine stärkere wirtschaftliche Kooperation und mehr Investitionen aus Deutschland und der EU. Einzelne EU-Mitgliedstaaten, vor allem Deutschland, gelten als wichtigere Partner. Die kenianische Regierung strebe nach mehr Investitionen, Handel und einer stärkeren Einbindung des Privatsektors. Projekte, die als „traditionelle“ Entwicklungszusammenarbeit wirken, erwecken jedoch oft den Eindruck eines Machtgefälles zwischen Geber und Empfänger, was Kenias Streben nach Gleichberechtigung in der globalen Hierarchie widerspreche – auch wenn gewisse bevorzugte Konditionen weiterhin erwünscht seien.

Handlungsempfehlungen

In der internationalen Politik gelte Deutschland und die EU als Teil des „westlichen“ Lagers, das einen großen Einfluss auf globale Institutionen und Regeln hat. Viele Staaten des Westens werden als „Gatekeeper“ angesehen, die die bestehende, „regelbasierte Ordnung“ aufrechterhalten, wobei westliche Akteure oft privilegiert seien und die Regeln teils nach eigenen Interessen auslegen. Die erstarkenden Mächte, insbesondere China, stellen diese privilegierte Position zunehmend infrage, was von vielen außerhalb des Westens begrüßt werde. Deutsche und europäische Akteure sollen im Dialog sensibel auf Unterschiede in der Bewertung der globalen Veränderungen eingehen, auch wenn diese von der eigenen, stärker ost-west-orientierten Perspektive abweichen.

Darüber hinaus sollte Deutschland überlegen, wie es seine erheblichen Ressourcen in der internationalen Zusammenarbeit effektiver im eigenen strategischen Interesse einsetzen kann. Deutschland müsse klar definieren, welche Prioritäten es in der Zusammenarbeit mit einem spezifischen Land setzt, sei es bei Rohstoffen, der Wahrung freier Seewege, der Zusammenarbeit in internationalen Organisationen oder der Anwerbung von Arbeitskräften. Eine effiziente Außenpolitik erfordere neben der Kenntnis des Partnerlandes auch logische Strategien. Diese sollen nicht nur Werte und Grundsätze festlegen, sondern auch die deutschen Interessen über verschiedene Politikbereiche hinweg – wie Handel, Wirtschaft, Entwicklung, humanitäre Hilfe und Sicherheit – klar definieren und geostrategische Aspekte berücksichtigen. Die Entwicklung solcher Strategien solle priorisiert werden.

Durch die Verbindung dieser nach innen und außen gerichteten Elemente könne Deutschland eine Politik des „wertegeleiteten Pragmatismus“ einführen und in seinem internationalen Auftreten an Attraktivität und Glaubwürdigkeit gewinnen, wodurch es sich von anderen Akteuren abheben kann.

Was tun, Deutschland?

Nachdem wir uns das zweite Beispielland der „Schlüsselakteure“ angeguckt haben, wird deutlich, dass die Handlungsempfehlungen im Bezug auf die einzelnen Länder sich nur in Nuancen unterscheiden und die vorgeschlagene Linie sich schon längst mit der deutschen Außenpolitik deckt, allerdings noch „pragmatischer“ werden soll. Das heißt im Endeffekt, dass Deutschland ungeachtet von wertebasierten Differenzen den Profit, den es aus anderen Ländern schlagen kann, vergrößern und diese nicht an Konkurrenten, vor allem China und Russland, abgeben soll. Aber auch den „westlichen Partnern“ will man einen Schritt voraus sein. Migrationsabkommen, wie mit Kenia und Indien schon geschehen, bei denen Fachkräfte angeworben aber unerwünschte Migranten abgeschoben werden können, sollen weiter ausgebaut werden und neue Märkte erschlossen werden. Denn Deutschland ist ein imperialistischer Akteur auf der Bühne der Welt und stellt die Interessen des eigenen Kapitals in den Vordergrund – mehr als Werte oder Bündnisse.

 

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