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Staatsfeind Nummer Eins – „Links“

Die linke Szene stand bereits vor dem G20 Gipfel im Fadenkreuz der staatlichen Hetze und Kriminalisierung. Die Tendenz gegen alles was „links“ ist zu agieren, steigt immer zu bestimmten Zeiten. Das Verbot des Internetportals „linksunten.indymedia“ fällt genau in so eine Zeit rein. Denn momentan ist, wenn es nach der Regierung geht, der Hauptfeind ihres Demokratieverständnisses „links“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Internetseiten von Regierungen verboten werden, mit welcher Begründung auch immer. Nach den aktuellen Debatten scheint es, als ob es nicht das letzte Mal bleiben wird und dennoch ist es in Deutschland eine Entwicklung, die das Land bereits seit Jahren durchmacht. Seitdem rassistische Parteien und Bewegungen wie die Alternative für Deutschland (AfD), die PeGiDa Bewegung und ähnliche Strömungen eine Phase der Erstarkung erlebt haben, ist dies zu beobachten.

Nahezu keine Partei oder Organisation ist sich zu schade, in irgendeiner Art rechten und menschenfeindlichen Parolen eine Erklärung und Rechtfertigung bieten zu wollen. Man setzt sich mit Rassisten an einen Tisch und erklärt daraufhin, dass man auch mit diesen Menschen reden muss.

Eine weitere Entwicklung ist, dass Parteien wie die CDU/CSU, die jahrelang diesen wachsenden Rassismus beschwichtigt haben, selbst immer mehr rechte Positionen einnehmen und diese intensiver in der Öffentlichkeit vertreten. Dazu zählt auch der stärkere und offene Kampf gegen „links“, sei es durch Gesetze, öffentliche Hetze oder stärkere strafrechtliche Verfolgung.

Es wird noch einmal spannend, wie die aktuellen Entwicklungen des Rechenterrorverdachts in Mecklenburg Vorpommern, wo auch ein Polizist drin involviert sein soll. Die Verdächtigen sollen eine Todesliste mit Namen aus dem linken politischen Spektrum zusammengestellt und sich Munition beschafft haben.

Linksunten.Indymedia als Keimzelle der G20 Proteste?

Nach Großveranstaltungen wie den Blockupy Protesten 2015 in Frankfurt, einige Monate später der G7 Gipfel in Elmau oder zuletzt der G20 Gipfel in Hamburg, steigt die Tendenz zur Kriminalisierung aller Demonstranten. Wenn man nach solchen Großdemonstrationen, bei denen teils hunderttausende Menschen für eine Welt ohne Ausbeutung und Kriege auf die Straßen gehen, die mediale Präsenz dieser Veranstaltungen betrachtet, ist es nicht schwer eins und eins zusammenzuzählen. Alle Linken sind demnach gewaltbereit und suchen nach solchen Veranstaltungen, um Polizisten Gewalt anzutun, am besten mit Molotow-Cocktails und Feuerlöschern.

Nach den G20 Protesten nahm die Berichterstattung dieselbe Form an. Die ersten Wochen gab es keine Berichte zur Polizeigewalt, den Polizeimethoden, Massenkesseln, Drangsalierungen von Minderjährigen durch Polizisten, die wahllose Gewalt gegen Demonstranten, den Knochenbrüchen, schwerverletzte Demonstranten und vor allem die tausenden Menschen, die friedlich gegen die Politik der G20 protestierten. Das einzige worüber gesprochen wurde, waren brennende Autos und demolierte Straßen.

Die Ausschreitungen von Hamburg werden von der Regierung als Rechtfertigung ihres Vorgehens gegen „Links“ benutzt. Doch diese Diskussionen werden auch in der linken Szene seit jeher geführt und seit den G20 Protesten unter anderem auch auf der Internetplattform linksunten.indymedia.

Die Plattform Indymedia.org funktioniert anders als klassische Medien und Zeitungen. Es ist eine nichtkommerzielle Internetseite, auf der anonym Artikel geschrieben werden können, welche hauptsächlich vom antikapitalistischen und antifaschistischen Spektrum genutzt wird. Immer wieder sind Journalisten der Indymedia Seiten polizeilicher Repression ausgesetzt. Meist zu Zeiten von internationalen Gipfeln wie G20, G8 und ähnlichen Großveranstaltungen.

Die Bundesregierung bezeichnete den deutschen Ableger linksunten.indymedia als eine Art Organisationsplattform der Proteste gegen den G20 Gipfel in Hamburg und rechtfertigte somit nun das Verbot. Innenminister De Maizière (CDU) bezeichnete Hetze gegen Polizisten auf der Seite als Auslöser für die Lage in Hamburg während des Gipfels.

Die Seite wurde für ein Verbot seitens des Innenministeriums künstlich zu einem Verein gemacht, welcher nicht im Vereinsregister steht, den man dann verbieten konnte. Denn im Vorfeld wurde die Seite immer wieder vom Verfassungsschutz und Innenministerium als Medium betitelt, welches grundgesetzlich geschützt ist. Medien stehen unter dem Schutz der Pressefreiheit und die Hürden für ein Verbot sind wesentlich höher.

Demokratie ist Ansichtssache

Ob und in welcher Art und Weise Indymedia.org und dessen deutscher Ableger für die antikapitalistische Bewegung in Deutschland einen Mehrwert hat, ist nun auch bei vielen zu einem Diskussionsthema geworden. Doch der wesentlich wichtigere Punkt in diesem Fall ist, dass das Innenministerium unter der Führung eines CDU Ministers, mit der Unterstützung des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD), ohne jeglichen gerichtlichen Entscheidungsprozess das Verbot einer linken Plattform durchgesetzt hat.

Das bürgerliche Demokratieverständnis ist zwar auch in Deutschland, sowie in Ländern, wie der Türkei, den USA, Russland etc. von Zeit zu Zeit sehr variabel, aber ein derartiges Verbot ist dennoch mit Besorgnis zu betrachten und zu kritisieren.

Diese Methode wird tagtäglich in einigen Ländern teils offen teils verdeckt ausgeführt und wird in der Zukunft auch in Deutschland, so scheint es, verstärkt auch immer offener stattfinden.

Sinan Cokdegerli

 


Was ist eigentlich Indymedia?

Die Internetplattform Indymedia.org ist ein nichtkommerzielles internationales Netzwerk. So beschreibt sich die Seite auf Deutsch wie folgt: „Indymedia ist ein kollektives Netzwerk von direkt veröffentlichten Nachrichten, die radikal und unzensiert die Wahrheit wiedergeben. Wir arbeiten aus der Leidenschaft Menschen zu inspirieren, die mit uns für eine bessere Welt kämpfen.“

Bei Indymedia.org haben Journalisten und Aktivisten die Möglichkeit, anonym Berichte und Artikel zu veröffentlichen, sowie Video – und Audiomedien zu verbreiten. Die Bewegung gründeten Aktivisten hauptsächlich 1999 während der Proteste gegen eine Tagung der WTO (Welthandelsorganisation) in Seattle, um über die Proteste zu berichten. Seitdem stehen die Plattform und ihre Journalisten und Betreiber stets unter staatlicher Repression.

In den Jahren 2002/2003 wurden Indymedia-Journalisten in Argentinien bei zahlreichen Protesten schwer verletzt, genauso auch 2001, als bei einem Angriff der Polizei, während der Proteste gegen einen G8-Gipfel in Genua, Menschen verletzt worden waren, darunter auch Indymedia-Aktivisten. Auch international wird gegen die Plattform vorgegangen, beispielsweise als die USA auf Drängen von europäischen Behörden 2004 Server der Plattform beschlagnahmte.

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