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Strategischer Schachzug zu erstarkter Kritik an institutionellem Rassismus

Zara Gül

Die Hamburger Akademie der Polizei will im kommenden Jahr mögliche Vorurteile und radikale Einstellungen von Polizistinnen und Polizisten erforschen lassen. Strategisch gehe es darum, Radikalisierung in der Polizei zu verhindern, heißt es von Seiten der Polizeiakademie. Unter anderem soll es darum gehen, ob der tägliche Einsatz an Brennpunkten bestimmte Einstellungen verstärkt. 

Pro Jahr gibt es rund 2.000 Anzeigen gegen Polizeibeamte. Die Dunkelziffer liegt laut einer Studie deutlich höher. Betroffene haben es oft schwer, sich zu wehren. Bisher ist nur wenig über die Studie in Hamburg bekannt, aber schon die wenigen Informationen bieten Anlass zur Skepsis.

Polizeigewerkschaften von Diskussion ausgeschlossen

In den Hamburger Messehallen wurde gerade auf dem zweitägigen Symposium „Mit Sicherheit für die Demokratie – Strategien gegen Radikalisierung“ debattiert – mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Feldern Innenpolitik, Wissenschaft und Polizeiführung. Hamburger Polizeigewerkschaften waren nicht dabei und reagierten mit Unverständnis. „In der Studie soll es um mehr Transparenz und Offenheit in den Reihen der Polizei gehen, aber die Polizeigewerkschaften werden ausgeschlossen“, kritisierte Joachim Lenders, Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, gegenüber dem NDR. Kritische Stimmen seien damit für ihn nicht erwünscht. Inwiefern die Polizeigewerkschaft kritisch ist, bleibt offen

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter unterstützt die Studie, „aber dann muss auch das Geld für Verbesserungen bei der Auswahl von Polizisten, bei der Ausbildung und der Begleitung im Dienst da sein“, sagt Landesvorsitzender Jan Reinecke (NDR, 28.09.20.)

Federführend ist die Polizeiakademie

Mit der Studie sollen 3000 Beamte im operativen Dienst sowie Führungspersonal befragt werden. Die Teilnahme an der Studie, die auf mehrere Jahre angelegt ist, ist laut Akademieleiter Thomas Model allerdings „natürlich freiwillig“ und anonym, damit aber nicht repräsentativ. Federführend bei der Studie wird die Akademie der Polizei sein. Sie wird zwar mit der Universität Hamburg zusammenarbeiten, trotzdem ist die Studie damit nicht wissenschaftlich unabhängig. Der Leiter der Polizei-Akademie Thomas Model äußerte sich schon jetzt mildernd: Vor dem Hintergrund der jüngsten Vorfälle, wie bei der Polizei in Essen, könne nicht von Einzelfällen gesprochen werden. Von einem strukturellen Problem wollte er aber auch nicht sprechen. Dass es sich bei der Polizei um institutionellen Rassismus handeln könnte, wird also schon von Anfang an ausgeschlossen. Das klingt eher nach Rufschadensbegrenzung als nach einem ernsthaften Anliegen rassistische Ideologie oder gar rechte Strukturen aufzudecken. 

Leiter der Polizeiakademie ehemaliger Referent von Ronald Schill

Besonders interessant ist folgende Charakterisierung aus der WELT von 2006 für den Leiter der neuen Polizeistudie Thomas Model: „Als der berühmt-berüchtigte Ronald Barnabas Schill Hamburg fast zwei Jahre lang als Innensenator aufmischte, war der damalige Polizeioberrat erst persönlicher Referent von Schill in der Innenbehörde und rückte dann als Geraderücker und Pressesprecher ganz nah ran an einen der umstrittensten Politiker der vergangenen Jahre. Für viele Kenner der Szene gilt Model seither als machtbewusst, wendig und vor allem als Hardliner. Doch schon immer war Thomas Model vor allem eines wichtig: niemals aufgeben. Vielleicht ein Relikt der Gene. Model ist Nachfahre des einstigen Generalfeldmarschalls Walter Model, der im Zweiten Weltkrieg, kurz vor der Kapitulation, im Ruhrkessel den Freitod wählte.“ Ich hatte einen Auftrag übernommen, sagt er. „Ich wollte nicht weglaufen. Jetzt schon gar nicht.“

Weggelaufen ist er dann auch wirklich nicht. Nach Schills peinlicher Entlassung aus dem Amt, diente er noch kurze Zeit Innensenator Dirk Nockemann – heute Chef der AfD.

Während seiner Zeit als persönlicher Referent vom rechtspopulistischen Innensenator Schill
war er noch in einen Skandal als Verfasser eines internen Schreibens bekannt, in dem skizziert wurde eine Ausschreibung für die Stelle eines neuen Behördensprechers nur zum Schein durchzuführen, um Marc März, Mitglied einer schlagenden Verbindung und der Schill-Partei, in den Posten zu bringen.

Weiterhin wurde gegen Model ermittelt, weil er verantwortlich war für einen rechtswidrigen Einsatz der Polizei zur Vertreibung von Punks aus dem Hamburger Viertel Ottensen.
2002 war er mitverantwortlich für die Vertreibung von Obdachlosen und der Dealerszene am Hauptbahnhof unter Innensenator Schill, welche damals auch schon mit rassistischen Vorzeichen geschah (schwarze Dealer). „Wir setzen auf sofortige konsequente Verfolgung“, sagte Thomas Model der Pressestelle damals.

Als Leiter einer Studie zu Rassismus und anderen Vorurteilen in der Polizei scheint Model jedenfalls sowohl als Leiter der Polizeiakademie, als auch mit seiner Vorgeschichte wenig geeignet. Als wendiger und machtbewusster Karrierist wird er aber die Zeichen der Zeit erkannt haben und wissen, dass eine Studie unter rot-grün nicht mehr verhindert werden kann. 

Beide Bündnispartner in dieser Sache spielen zudem einen bekannten Schachzug, den Kritikern am systematischen Rassismus möglichst viel Wind aus den Segeln zu nehmen.


29 rechtsextreme Polizisten in NRW enttarnt!

DIDF-Jugend: Wer jetzt noch von Einzelfällen spricht, hat den Schuss nicht gehört!

Insgesamt wurden 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen im Ruhrpott durchsucht. Dabei stellte sich heraus, dass mindestens 29 Polizisten an fünf rechtextremen Chatgruppen beteiligt gewesen sein sollen; eine der Gruppen soll sogar schon seit 2013 bestehen. Mehr als 100 rechtswidrige Inhalte wurden entdeckt; inklusive Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen.

Reul spricht von einer „Schande für die NRW-Polizei“, Wir finden: Es ist eine Schande für das gesamte Innenministerium und schon länger die Realität. Es handelt sich schon länger nicht mehr um Einzelfälle. Rechte Netzwerke und Gruppen bei der Polizei haben Struktur.

Nun seien es wohl doch keine Einzelfälle mehr, aber von Strukturen möchte man trotzdem weiterhin nicht sprechen. Wir wissen, dass Rassismus und rechte Strukturen in der Polizei vorhanden sind. Im letzten Jahr kamen derartige Chatgruppen, die von rechtem Gedankengut geprägt waren, an die Öffentlichkeit. Es waren mehrere Polizisten aus ganz Deutschland beteiligt. 

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