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Unter dem Schutz Deutschlands sind sie gewachsen

Alev Bahadir

Nach den Beratungen bezüglich eines möglichen Verbots der Organisationen der „Grauen Wölfe“ in Deutschland, z.B. der „Türkischen Föderation“ (Türk Federasyon), wurde die Sache an das Bundesinnenministerium zur Prüfung übergeben. Nachdem die ultra-rechte türkische Organisation in Frankreich bereits verboten wurden, sind auch in Deutschland die Debatten darum entfacht. Die Türkische Föderation existiert seit über 40 Jahren in Deutschland und bereits seit frühesster Zeit fordern Antifaschistinnen und Antifaschisten einen Verbot. Über 40 Jahre wurde diese Forderung nicht nur ignoriert, sondern vielmehr konnten die türkischen Faschisten in Deutschland unter Unterstützung und Wohlwollen der deutschen Politik agieren und gedeihen.

Die „Grauen Wölfe“ ist die Bezeichnung für die Faschisten in der Türkei, sie selbst nennen sich jedoch „Idealisten“ („Ülkücüler“). In der Türkei sind sie vor allem bei der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ („Milliyetçi Hareket Partisi“, kurz MHP) organisiert. Der Gründer der MHP und ideologischer Vorreiter der Bewegung war Alparslan Türkeş, bekennender Faschist und Bewunderer Adolf Hitlers. Die MHP wurde in den 1960ern, mitten im „Kalten Krieg“, gegründet. Sie und ihre paramilitärischen Untergliederungen hatten und haben vor allem fortschrittliche, revolutionäre und sozialistische Kräfte als Ziel. Ganze 34 Kommandotrainingslager hatten sie zu dieser Zeit in der Türkei, in denen vor allem jene, die in der Jugendorganisation der MHP organisiert waren, ausgebildet wurden und enge Kontakte zum türkischen Geheimdienst pflegten. Aus diesen Gruppen heraus wurden auch Morde an politischen Gegnern begangen. Mit dem Militärputsch 1980 wurden die sozialistischen Kräfte niedergeschlagen. Viele flohen ins Ausland. Und wieder waren es die türkischen Faschisten, die Angriffe gegen sie, dieses Mal auch im Ausland, organisierten. Auch wenn von der Türkischen Föderation heute betont wird, dass sie eine zivile Organisation sei, besitzt sie doch eine paramilitärische Struktur, die in der Vergangenheit immer wieder auf Gewalt zurückgegriffen hat und immer noch zurückgreift. Ironischerweise verkauft sich diese Organisation hier mit Worten, wie: „gegen Rassismus und Faschismus“, während sie in der Türkei (aber auch in Deutschland) gegen Kurden, Armenier und politisch fortschrittliche Kräfte vorgeht. 

Dass die deutsche Regierung interessanterweise erst jetzt auf die Grauen Wölfe „aufmerksam“ wird, stimmt so natürlich nicht. Die Türkische Föderation oder die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“, wie sie ausgeschrieben heißt (türkisch „Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu“, ADÜTDF), ist definitiv nicht erst jetzt auf dem Radar in Deutschland aufgetaucht. So hatten der damalige bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und Hans-Eckhart Kannapin, Türkeiexperte im BND, großes Interesse an den türkischen Faschisten in Deutschland. Denn gab es in der Zeit nur wenige, die mit der gleichen Vehemenz gegen Sozialisten vorgingen, wie Strauß. Türkeş und seine Grauen Wölfe waren ideal, um sozialistische Neigungen und gewerkschaftliche Organisation innerhalb der türkeistämmigen Werktätigen zu bekämpfen. Bestärkt von dieser Stütze, trauten sich die türkischen Faschisten in Deutschland zu immer brutaleren Vorgehensweisen und ermordeten u.a. am 5. Januar 1980 den Lehrer Cemalettin Kesim in Berlin-Kreuzberg. Kesim hatte Flyer verteilt. 

Später spaltete sich ein Teil der Türkischen Föderation ab und bildete die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V.“ („Avrupa Türk-İslam Birliği“, kurz ATIB). Die türkischen Nationalisten schufen ab frühester Zeit eine große Infrastruktur. Sie gründeten Kulturvereine, Sportvereine, Jugendclubs und vieles mehr. Gleichzeitig begannen sie, sich in der deutschen Politiklandschaft zu organisieren. Getreu dem Motto: „Werde Deutscher, bleib Türke!“ sahen sie sich vor allem in der CDU. Türkeş hatte für die Mitgliedschaft in der CDU bei einer Veranstaltung der Türkischen Föderation in der Grugahalle in Essen 1996 aufgerufen. Doch blieb es nicht bei der CDU, auch in der SPD wurden viele Mitglied. Bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen kandidierten türkische Faschisten auf eigenen Listen. 

Also sind die Grauen Wölfe keinesfalls nicht im Blick der Politik gewesen. Sogar im Gegenteil. Die Rechten sind nicht nur gut, um den Sozialismus unter Türkeistämmigen zu bekämpfen, sie treiben auch einen Keil zwischen diejenigen mit und ohne Migrationshintergrund. Sie versuchen eben jene „Parallelgesellschaften“, von denen so oft gesprochen wird, zu errichten. Sie bieten, vor allem jungen Männern, eine Fülle von Freizeitangeboten und vergiften sie mit Rassismus und Hass. Über ein Verbot der Grauen Wölfe zu sprechen, lässt die Regierung aktuell handlungsfähig gegen Rechts aussehen, während gleichzeitig noch haufenweise andere rechte Organisationen in Deutschland handeln. Ob die Grauen Wölfe wirklich verboten werden, bleibt abzuwarten. Ob ihnen bei einem Verbot auch sämtliche Strukturen und Einfluss genommen werden, ist eher zweifelhaft. Im Interesse der Werktätigen, die ihre Probleme mit den Kollegen ohne Migrationshintergrund im Grunde teilen, wäre es definitiv.

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