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Warum es Solidarität statt Hass für die Streikenden braucht

Tilda Schenker

„Der Streik nervt!“, „Geht mal arbeiten, statt dauernd zu streiken“, „Sucht euch doch einfach einen anderen Job, wenn ihr keinen Bock mehr habt“ – das sind nur wenige Kommentare über Social Media-Posts in den letzten Monaten. Denn die Streikbereitschaft, um die Forderungen in den Tarifauseinandersetzungen durchzusetzen, ist endlich wieder gestiegen. So streiken Kollegen von der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und die Beschäftigten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bei ver.di für eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, deutliche Lohnerhöhungen und zumindest im ÖPNV für die längst notwendige Verkehrswende. Die Flughäfen stehen still, weil die Beschäftigten bei der Lufthansa für Lohnerhöhungen um 12,5%, aber mindestens 500€ im Monat mehr kämpfen.

Doch, wo ein Streik stattfindet, ist der Hass gegenüber den Beschäftigten und die Schreierei nach der Einschränkung des Streikrechts nicht weit. So zog der Bahnvorstand schon zweimal vor Gericht, um die Streiks der GDL in der Tarifrunde zu verhindern und auch in der Tarifrunde mit der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) war das Vorgehen dasselbe. Robert Habeck (die Grünen) machte Schlagzeilen mit den Worten: „es wird […] zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt“ – von den Fieberträumen der FDP, CDU und den Arbeitgebern brauchen wir gar nicht erst anfangen. Aber auch viele Menschen sind von den Streiks genervt, denn wir sind auf die öffentliche Infrastruktur, wie Bus, Bahn oder Flüge angewiesen, um unserer alltäglichen Arbeit nachzukommen, in den Urlaub zu fliegen/fahren oder unsere Freunde zu besuchen. So erfahren sowohl insbesondere Beschäftigte der GDL aber auch die in der Tarifrunde Nahverkehr (TV-N) bei ver.di streiken, regelrechte Hasswellen, sobald ein Streik angekündigt wird. Statt die Schuld für einen kaputt gesparten und personell runtergeriebenen ÖPNV und die furchtbaren Bedingungen bei der Bahn bei den Vorständen und Verantwortlichen der Unternehmen zu suchen, lassen Arbeitgeber und Politik die Stimmung gegen die Beschäftigten kippen.

Denn es sind die Vorstände der Bahn und der lokalen Verkehrsgesellschaften sowie die Politik der letzten Jahrzehnte, die die längst notwendige Verkehrswende heruntergespart und zerstört haben. Weder die große Koalition, noch die aktuelle Ampelregierung haben die notwendigen Investitionen getätigt, um die Verkehrswende herbeizuführen und der Bahnvorstand hat sich lieber Sonderboni in Höhe von 5 Millionen Euro ausgezahlt, statt das Geld in die Aufstockung des Personals und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu stecken. Und sie sind auch diejenigen, die nicht auf die berechtigten Forderungen der Beschäftigten eingehen und mit unsinnigen Angeboten zu den Verhandlungssitzungen kommen. Auch, wenn es verständlich ist, wütend darüber zu sein, weil Bus und Bahn nicht fahren, ist unsere Wut auf die Vorstände und auf die politischen Akteure zu richten, die die Werktätigen regelrecht zum Streik zwingen. Denn ohne den Streik als effektives Mittel im Arbeitskampf bleibt uns nichts als kollektives Betteln! Indem wir die Forderungen der Streikenden unterstützen, uns mit ihnen solidarisieren, ihre Streiks besuchen und damit den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, können wir auch unsere Bedingungen verbessern.

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