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Wahlen in Italien: Herrscht jetzt der Faschismus?

Dilan Baran

Eine Front der faschistischen und rechtsextremen Parteien erhielt bei den Parlamentswahlen in Italien am 25. September die meisten Stimmen und damit eine Mehrheit im Parlament. Der wiederauferstandene Faschismus ist das damit noch nicht, zudem wird es die neue Regierung nicht leicht haben.

Fast eine Tragikkomödie

Eigentlich geschah das vorhergesehene am 25. September. Seit August deuteten Meinungsumfragen darauf hin, dass die Fratelli d’Italia (Brüder Italiens), die Anhänger des Faschisten Benito Mussolini, den Sieg davontragen und zusammen mit ihren anderen rechtsfaschistischen Partnern die absolute Mehrheit in Parlament und Senat erringen würden. Und die Zahlen sind eindeutig: Die als „postfaschistisch“ bezeichnete Partei Fratelli d‘Italia erhielt mit 26,1 Prozent die meisten Stimmen. Mehrheitlich aus dem Kleinbürgertum. Die Partei von Spitzenkandidatin Georgia Meloni hat ihre Wurzeln in der faschistischen sozialen Bewegung Italiens, einer Fortführung der 1943 von Mussolini gegründeten Republikanischen Faschistischen Partei. Auf der rechtsradikalen Seite folgte mit 8,9 Prozent die „Lega Nord“ von Matteo Salvini. Tatsächlich kann Salvini mit diesem Ergebnis als Wahlverlierer betrachtet werden, da der Stimmenanteil der Lega bei den Wahlen 2018 noch 17,4 Prozent betrug. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 erreichte sie sogar 34 Prozent. Das andere Mitglied der rechten Front, „Forza Italia“ (Vorwärts Italien), erhielt 8,1 Prozent der Stimmen und sicherte damit die „Wiederauferstehung“ Silvio Berlusconi. Der kann sich dieser Tage staatsmännisch geben. Mit seiner Schlüsselrolle an der rechtsradikalen Front im Rücken, beruhigt er die führenden Länder der Europäischen Union (EU), die über das Wahlergebnis besorgt sind, mit dem Versprechen nichts aus der Bahn geraten zu lassen. Ein tragikomischer Aspekt dieser Wahl, der den einst unglaubwürdig gewordenen Steuerbetrüger zur neuen Vertrauensperson macht.
Dennoch: Der Faschismus ist eine Staatsform. Der Erfolg der faschistischen und rechtsradikalen Parteien ist vorerst nur ein Wahlerfolg. Dennoch handelt sich zweifellos um einen nicht unerheblichen Positionsgewinn.

Mitte-Links ist ziellos
Das „Mitte-Links“-Bündnis erlitt eine schwere Niederlage. Die sogenannte sozialdemokratische Partei (Partito Democratico PD) unter der Führung von Enrico Letta kam auf 19,1 Prozent. Lettas Strategie, die Zusammenarbeit mit der Fünf-Sterne-Bewegung zu beenden und so gestärkt aus den Wahlen hervorzugehen, scheiterte. Auch das war vorhersehbar. Die Fünf-Sterne-Bewegung erhielt trotz Spaltung 15,3 Prozent der Stimmen und damit mehr als erwartet, insbesondere in Süditalien. In Anbetracht der 32,7 Prozent der Stimmen im Jahr 2018 ist dies dennoch ein großer Rückschlag.
Kurz gesagt, die Ergebnisse der italienischen Wahlen zeigen: die Unzufriedenheit des mittelständischen Bürgertums, dessen wirtschaftliche Infrastruktur erodiert, und die wachsende Angst des Kleinbürgertums, wurden vor allem von faschistischen und rechtsextremen Parteien aufgegriffen. Eine allgemeine Tendenz, die sich durch Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verschärft und beschleunigt hat.
Die stark gesunkene Wahlbeteiligung zeigt jedoch auch, dass die Bevölkerung wenig Perspektive in den alternativen Parteien und Lösungen findet. Die Resonanz auf rechtspopulistische „Angebote“ ist auch Folge der antisozialen neoliberalen Politik, die genau jene Mitte-Links Parteien, wie die PD, während ihrer Regierungstätigkeit wiederholt betrieben haben. Sie ist eine Folge der Unfähigkeit von Mitte-Links Kräften, die Krise ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen und darauf angemessen, zu reagieren. Im Gegenteil. Ähnlich wie in Deutschland wurde der „Sozialstaat“, jene Säule der modernen Demokratie, von der sozialdemokratischen Partei demontiert.
Auch in Italien gibt es keine nennenswerte linke Partei mehr, die es schafft mit den eskalierenden gesellschaftlichen Widersprüchen umzugehen und Keimformen von Klassenkämpfen eine fortschrittliche Richtung zu geben.
Betrachtet man den politischen und gesellschaftlichen Rahmen, in dem diese Wahlen stattgefunden haben, so wird aber deutlich, dass die neue Regierung es nicht leicht haben wird.

Das Dilemma Italiens
Italien steht seit langem vor einem großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Dilemma. Obwohl sich die Lebensbedingungen der Menschen von Zeit zu Zeit durch partielle Anpassungen verbessert haben, ist die Arbeitslosigkeit hoch. Abgesehen davon, dass die europäische Wirtschaft in den kommenden Monaten in eine allgemeine Rezession eintreten wird, hat Italien bereits im letzten Quartal ein erhebliches Minus zu verzeichnen. Dies wird unter anderem weitere Arbeitslosigkeit nach sich ziehen. Hinzu kommt die hohe Staatsverschuldung.

„Unsere Aufgabe ist es nun, unsere Wähler nicht zu enttäuschen und unser Bestes zu tun, um unserer Nation ihre Würde und Ehre zurückzugeben“, schrieb Meloni in einem Tweet am Abend der Wahlen und brachte damit indirekt eine Wahrheit zum Ausdruck: Den frustrierten und verzweifelten Massen schöne Versprechungen zu machen, war der relativ einfache Teil. Eine angenehme Realität zu schaffen wird schwieriger.
Zudem ist Italien bekanntlich seit langem ein Land mit häufigen Regierungswechseln. Die neu zu bildende Regierung wird die 67. Regierung in den 76 Jahren seit dem Krieg sein, was bedeutet, dass die Regierung im Durchschnitt fast alle 15 Monate wechselt.
Wenn sich eine soziale Bewegung, einschließlich der Gewerkschaften, auf der Grundlage der sozialen Frage formiert, bevor die faschistischen Parteien einen nachhaltigen Einfluss bei den Massen hinterlassen haben. Bevor sie die Macht im des Staates für sich weiter ausgebaut haben, dann kann ein schwarzes Kapitel frühzeitig beendet werden. Die Macht der Faschisten wird vielleicht nicht so lange anhalten, wie sie es geplant hatten.

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