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„Wir müssen am Anfang der Kette ansetzen: Bei den Produktionsverhältnissen..:“

Am 20. September wird in ganz Deutschland der zweite Klimastreiktag stattfinden. Dieses-mal haben neben den Schüler*innen auch viele Organisationen und Gewerkschaften zum Streiktag aufgerufen. In diesem Zusammenhang haben wir mit Angela Bankert, Geschäftsführerin des Stadtverbands Köln der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gesprochen.

Als alles anfing, sind viele davon ausgegangen, dass die Streiks nach wenigen Wochen enden würden. Jetzt gehen die Proteste schon fast ein Jahr – und so langanhaltende Proteste gab es schon lange nicht mehr in Deutschland. Wie ist es für dich, dass es eine SchülerInnen Bewegungen ist und es euch als eine  Gewerkschaft unmittelbar betrifft die LehrerInnen organisiert ?

Unsere Mitglieder an der Schule bekommen das ja hautnah mit. Unsere Lehrkräfte sind fast alle schwer begeistert darüber, wie die SchülerInnen sich aktivieren und engagieren. Gerade die älteren KollegInnen können es manchmal gar nicht fassen und freuen sich sehr, dass hier eine neue Jugendbewegung entstanden ist, die ihnen auch Hoffnung für die Zukunft gibt. Und natürlich sehen sie die Aktivitäten auch als gelebte Demokratie, die sie als Lehrkräfte ja befördern sollen.

Sie staunen über die phantasievollen Plakate und Sprüche, über die Energie und Hartnäckigkeit, mit der ein Teil ihrer SchülerInnen über so viele Wochen und Monate die Bewegung aufrecht erhalten, sich neben der Schule laufend treffen und alles organisieren. Es ist einfach toll zu sehen, mit welcher Souveränität sie Reden vor tausenden von Menschen halten und Pressestatements abgeben.

Wie ist das Interesse bei den LehrerInnen für das Thema, wie organisiert ihr sie für den 20. September? Ihr seid ja auch gemeinsam mit ver.di un der EVG mit im Kölner Bündnis

Das Interesse bei den Lehre*innen nehme ich als sehr hoch wahr. Die GEW engagiert sich auch bisher schon in vielfältiger Weise für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und bekennt sich dabei zu den umfassenden UN-Entwicklungszielen. Von daher kommen bei uns mehrere Dinge zusammen: das eigene Interesse am Thema, der Unterrichtsauftrag zur Demokratie- Bildung und die Begeisterung für das Engagement der SchülerInnen.

Schon bei den bisherigen Freitagsdemos, besonders beim ersten internationalen Klimastreiktag im Mai, haben viele Lehrkräfte mit ihren Klassen Unterrichtsgänge durchgeführt. Zum 20. September haben wir alle Lehrkräfte dazu aufgerufen, solche Unterrichtsgänge zu beantragen und mit ihren Klassen teilzunehmen. Einige Schulen haben auch insgesamt an diesem Tag einen Projekttag zum Thema angesetzt. Wo das nicht oder nur schwer möglich ist, z.B. in KiTas oder Grundschulen, regen wir an, themenbezogene Projekte in den Einrichtungen anzubieten, und z.B. Plakate zu malen und Fotos davon zu machen.

Dass die Kölner FFF ein breites Bündnis ins Leben gerufen haben und insbesondere auf die Gewerkschaften zugegangen sind, finden wir sehr gut und wichtig. Die Demo startet hier sogar vor dem Gewerkschaftshaus und geht die Route, die wir traditionell am 1. Mai gehen.

Was meinst du, wie lange der Streik noch andauern wird und inwiefern wollt ihr euch weiterhin beteiligen?

Einige unserer Lehrer*innen berichten uns, dass sie die Entschlossenheit der Schüler*innen als sehr groß wahrnehmen. Sie haben nicht den Eindruck, dass den Jugendlichen bald die Puste ausgeht und glauben, dass es noch ziemlich lange weitergehen wird.

Natürlich können wir nicht jede Woche in der Form mitmachen wie am 20.09. mitmachen. Die Lehrkräfte sind auch in Vorgaben und Zwänge eingebunden und können vielleicht nicht immer die Hand über jede Aktion halten. Da bitten wir um Verständnis. Aber da der Gesellschaft das Thema weiterhin auf den Nägeln brennen wird, wird es auch im weiterhin im  Unterricht zu behandeln sein. Pädagog*innen können an die Forderungen der Schüler*innen anknüpfen und diese zum Anlass nehmen, um Bildung für nachhaltige Entwicklung mehr in den Fokus des Unterrichtes zu rücken. Und bei kommenden Höhepunkt-Aktionen wird sich auch die GEW bestimmt in der ein oder anderen Form beteiligen.  Es lassen sich Wege finden, wie man Unterricht und Protest vereinbaren kann. Das Engagement für wirklichen Klimaschutz sollte nicht mit Sanktionen aus dem Katalog der Schulstrafen belegt werden. Die GEW begrüßt es, wenn Schulleitungen und Lehrkräfte verantwortungsvoll mit den Protest-Vorhaben der Schüler*innen umgehen.

Ihr seid Mitglied im Dachverband der DGB wo es Meinungsverschiedenheiten zu den Protesten gibt. Mit welchen Herausforderungen seid ihr konfrontiert?

Alle DGB-Gewerkschaften bekennen sich zu den Zielen des Pariser Abkommens. Aber die Mitglieder der DGB-Einzelgewerkschaften sind natürlich in unterschiedlicher Weise betroffen. Ob ich im Braunkohletagebau arbeite oder Lehrer bin, verändert doch sehr den Blickwinkel. Und diesen Spagat muss der DGB überbrücken, da sind natürlich nicht immer alle einer Meinung.

Was man verstehen muss: Strukturwandel, in den große Summen Steuergelder geflossen sind, hat es ja auch in der Vergangenheit schon gegeben, zum Beispiel im Ruhrgebiet. Da sind auch neue Bereiche und Branchen entstanden, z.B. große Logistikunternehmen, Recyclinghöfe, Wissenschaftseinrichtungen, touristische Highlights wie das Gasometer. Aber oft nicht zu den gleichen tariflichen Arbeitsbedingungen und Gehältern wie zuvor, und nicht für die gleichen Menschen, die vorher arbeitslos wurden. Ein ehemaliger Facharbeiter bei Opel erhält bei Amazon oder beim Wachdienst im Museum eben nicht den gleichen Lohn wie zuvor, er kann auch nicht mal eben in die Wissenschaft wechseln. Deswegen legt der DGB größten Wert darauf, dass niemand zurückgelassen. Die Herausforderung ist, die notwendige Transformation sozialverträglich zu gestalten.

Was möchtest du den LeserInnen noch sagen?

Ich würde empfehlen, sich bei klimapolitischen Forderungen nicht in erster Linie auf die EndverbraucherInnen zu konzentrieren. Es ist weder sozial noch ist es effektiv, wenn diese nun alles richten sollen, mit Konsumverzicht oder COs Steuern. Natürlich soll man auch sein eigenes Konsumverhalten überprüfen, und ich bin durchaus auch für Verbote, von Plastiktüten bis zu SUVs. Aber was an Produkten bei den EndverbraucherInnen ankommt, ist ja bereits klimaschädlich produziert, die Ressourcen sind schon ausgebeutet und verbraucht. Wir müssen am Anfang der Kette ansetzen: Bei den Produktionsverhältnissen, bei der Art und Weise wie und was produziert wird. Das kann man nicht Konzernlenkern und AktionärInnen überlassen, hier brauchen wir demokratische gesellschaftliche Mitbestimmung. Wir müssen ganze Branchen wie die Autoindustrie und die Landwirtschaft transformieren und dabei Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Branchen schaffen. Wir brauchen den „system change“: den Umbau des Wirtschaftssystems, weg von der Profitorientierung hin zu nachhaltigem Wirtschaften entsprechend den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt.

Dem stehen aber mächtige Interessen der Konzerne, der ökonomischen und politischen Eliten im Wege. Mit ihnen muss sich die Klimabewegung in erster Linie anlegen, nicht mit den EndverbraucherInnen. Die Masse der VerbraucherInnen sind auch ArbeitnehmerInnen. Sie möchten gute Arbeit und gutes Leben in einer gesunden Umwelt. ArbeitnehmerInnen sind als BündnispartnerInnen von zentraler Bedeutung, wenn der Klimaschutz erfolgreich durchgesetzt werden soll. Deswegen ist der Schulterschluss mit den Gewerkschaften so wichtig.

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