Cayan Kartal
Die Klassenwidersprüche zwischen Arbeit und Kapital, zwischen den Reichen und Armen in der Türkei spitzen sich immer mehr zu. Extreme Preissteigerungen und die Inflation erschweren das alltägliche Leben der Arbeiter, Angestellten, der Jugend und weiterer Teile der werktätigen Bevölkerung. Die Löhne der Arbeiter, insbesondere der Mindestlohn in der Türkei ist nichts mehr wert und liegt schon längst unter der Armutsgrenze. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten schmelzen und verringern sich zunehmend. Die Situation der Werktätigen und der Arbeiter in der Türkei nehmen immer mehr untragbare Züge an. Je mehr die Klassenwidersprüche sich vertiefen, desto massiver reagiert die AKP-Regierung gegen die Opposition und konstruiert auch andere Themen, um von der ökonomischen Lage abzulenken.
Inflation und Preissteigerungen
Das verfaulte System basierend auf Ausbeutung der Lohnabhängigen gibt der Mehrheit der Bevölkerung nur noch unerträgliche Arbeits- und Lebensbedingungen. Die jahrelange harte neoliberale Linie der AKP-Regierung, das Verscherbeln der staatlichen Betriebe, die Privatisierungsoffensive und die Zerschlagung der eigenen Landwirtschaft hat letztendlich zu der heutigen desaströsen Lage geführt. Inzwischen befindet sich die türkische Lira auf Rekordtief und somit war die türkische Zentralbank zum dritten Eingriff am Devisenmarkt innerhalb von 10 Tagen gezwungen. In diesem Jahr hat die türkische „Lira“ knapp 50 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren. Man spricht in der Türkei von einer knapp 50 prozentigen Inflation. Die Preise für z.B. Lebensmittel, Strom, Heizkosten, Miete steigen rasant. Allein die Lebensmittel sind im Durchschnitt um 55 Prozent gestiegen. Die Strompreise sind um 22 Prozent gestiegen.
Deshalb kam es zu lokalen Protesten von Initiativen die sich gegen die Preissteigerungen richten. Dabei kam es auch in einigen Städten zu Verboten solcher Aktionen, auch wurden Demonstrierende verhaftet. Teilweise gehen die Proteste weiter.
Weltweit unter den ersten drei bei Arbeitsunfällen
Inzwischen ist die Türkei unter der neoliberalen Politik und dem totalitären Stil des Erdogan-Regimesherangewachsen zu dem Land, welches weltweit bei Arbeitsunfällen an dritter Stelle liegt. Hinzu kommt, dass etliche Arbeitskämpfe unter dem Regime verboten wurden. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gehört die Türkei zu den zehn Länder mit den schlechtesten Arbeiterrechten.
Armut, Mindestlohn und die Auflehnung der Arbeiterklasse!
Die Profite der 500 größten Industrieunternehmen in der Türkei haben sich im Jahr 2020 durchschnittlich um 15,3 Prozent erhöht, ganz im Gegensatz zu den Löhnen. Laut einem Bericht des Gewerkschaftsverband DISK (Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften) liegt die Armutsgrenze bei 13.000 Lira. Der Mindestlohn lag in diesem Jahr bei 2825 Lira. Die Hungergrenze liegt bei knapp 3000 Lira. In der Türkei arbeiten inzwischen 80 Prozent der Beschäftigten mit dem gesetzlichen Mindestlohn, in anderen Ländern liegt der Umfang der Beschäftigten, die einen Mindestlohn beziehen, bei 10 Prozent. Die Gewerkschaften haben aufgrund den laufenden Mindestlohnverhandlungen und Preissteigerungen mit etlichen betrieblichen Aktionen und Demonstrationen reagiert. Weitere Proteste sind geplant. Selbst die Ärzte und die Beschäftigten der Gesundheitsbranche haben jeweils getrennt einen Streiktag durchgeführt und neue außerordentliche Lohnerhöhungen gefordert. Inzwischen hat die Regierung den Mindestlohn auf 4250 Lira erhöht, jedoch umgerechnet heißt das 271 Dollar, wobei der Mindestlohn am Anfang dieses Jahres noch bei umgerechnet 383 Dollar lag. Die Arbeitslosigkeit unter der Jugend liegt bei knapp 25%. Insgesamt nimmt die Arbeitslosigkeit rasant zu. Deshalb regt sich auch weiter Widerstand dagegen und die fortschrittlichen Kräfte erklären diese Erhöhung als völlig unzureichend. Der Klassenkampf verschärft sich, die Proteste gehen weiter und die fortschrittlichen Kräfte bündeln immer mehr Ihre Kräfte.
Widerstand wächst, die dritte Front, eine Allianz des Volkes formiert sich!
Gegenwehr gegen diese katastrophalen Lebens-und Arbeitsbedingungen organisiert sich, die Arbeiter und auch andere Teile der Bevölkerung protestieren fast täglich auf den Straßen in verschiedenen Städten der Türkei.
In der Türkei sind im Juni 2023 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Doch durch die verheerenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der totalitären Führung fordern nun alle oppositionellen Kräfte umgehend Neuwahlen.
Durch die Zersplitterung der oppositionellen Kräfte hatte das totalitäre Ein-Mann-Regime bisher ein leichtes Spiel. Doch es gibt kräftig Gegenwind. Neben dem Regierungsbündnis (Cumhur Ittifaki) welches aus Erdogans islamisch-neoliberaler AKP und der faschistischen MHP besteht, gibt es noch ein weiteres bürgerliches Bündnis Allianz der Nation (Millet İttifakı). Dieses wiederum besteht aus der kemalistischen sozialdemokratischen Partei CHP, einer nationalistischen Partei und Abspaltungen der AKP. Alternativ zu diesen formiert sich aber auch eine dritte Front unter sozialistischen und fortschrittlichen Kräften unter anderem der Partei der Arbeit (Emek Partisi), diese hatte auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, den Kampf gegen das Ein-Mann-Regime mit einer breiten Front zu verstärken, die sich auch auf klassenkämpferische und volksdemokratische, antifaschistische Positionen bezieht und sich nicht nur auf Wahlbeteiligung beschränkt, sondern langfristig auch auf den außerparlamentarischen Kampf stützt. Auch die kurdisch-linke Partei HDP ruft zu einem dritten Weg auf. Es bestehen gute Chancen, dass es mit beiden Vorschlägen zu einer Übereinkunft kommt. Dann würde es zu einer noch breiteren Front als bei den letzten Wahlen kommen.
Partei der Arbeit: Das Palast-Regime wird fallen, die Arbeiterklasse wird gewinnen
Unter diesem Motto fanden in mehreren Städten Kundgebungen und Demonstrationen der Partei der Arbeit (Emek Partisi – EMEP) statt. Immer häufiger gehen auch die Gewerkschaften auf die Straße, der Klassenkampf nimmt spürbar zu. In einer Erklärung der Partei der Arbeit heißt es wie folgt:
Das Ein-Mann-Regime ist immer noch an der Macht und versucht, eine faschistische Herrschaft aufzubauen. Deshalb müssen die linken und sozialistischen Kräfte den Kampf erweitern und die Einheit verstärken. Selbst wenn die bürgerliche Opposition Allianz der Nation an die Macht kommen würde, gibt es keinerlei Möglichkeit sich mit diesen zusammen zu tun. Unsere Arbeit besteht weiterhin darin, auf den Straßen präsent zu sein. Nur eine Rückkehr vom Präsidialsystem zum alten parlamentarischen System wird die grundlegenden Probleme im Land nicht lösen. Man braucht ein anderes Führungssystem. Natürlich ist es wichtig das die sozialistischen Kräfte sich zusammenschließen, aber es ist sehr wichtig, dass man das verbindet mit den Forderungen und Bedürfnissen des Volkes, und das ist Arbeit, Frieden und Freiheit.