Studienanwärter in der Türkei haben es nicht leicht. Der Umzug für ein Studium in eine andere Stadt ist immer ein großes Abenteuer, aber zugleich auch mit vielen Problemen und Hürden verbunden. Und die Sorgen, mit denen Studienanwärter vor allem in den letzten Paar Jahren konfrontiert werden, nehmen bei vielen die Vorfreude auf das Studium: bezahlbare Studierendenwohnheime zu finden ist mittlerweile unmöglich! In den großen Universitätsstädten gibt es einen Mietpreisanstieg von bis zu 100%, sowie zunehmend private Wohnheime mit ebenfalls steigenden Mieten. Davon sind insbesondere Arbeiterkinder betroffen, die mit wenig finanziellem Spielraum ihre heimatliche Region oder Stadt verlassen müssen, um andernorts die Universität zu besuchen. Diese Misere spielt in die Hände von religiösen Sekten oder regierungspolitischen Organisationen, die mit Studierendenwohnheimen jungen Menschen ein zu Hause anbieten und sie so an sich binden und beeinflussen können. Und das sogar gezielt und staatlich gefördert. Statt neue Wohnheime zu bauen, unterstützt die Regierung nun alle Studierenden mit 650 TL Wohnhilfe, aber nur, wenn diese sich auf eine Wohngelegenheit in einem der Wohnheime religiöser Sekten und Strömungen einlassen und treibt die jungen Leute somit regelrecht in deren Einflusssphäre. Denn zu einem Schlafplatz in diesen Wohnheimen gehört die Pflicht an der Teilnahme religiöser Predigten und Aktivitäten. In Anbetracht der Gesamtsituation ist diese Möglichkeit für Studierende aus ökonomisch schwachen Familien jedoch keine Wahl, sondern der einzige Weg. Die Zuspitzung des Wohnraumproblems und die daraus resultierende Wahllosigkeit sind offensichtlich Teil der AKP-Strategie, die junge Generation „streng religiös, diszipliniert und widerstandslos“ zu erziehen, wie der Präsident Erdogan vor einigen Jahren die Parole herausgab. Zu dieser Strategie gehören auch Korankurse bereits vom Kindergarten an, sowie ein gefilterter und von der „Diyanet“ (Anstalt für religiöse Angelegenheiten) umgeschriebener Lehrplan für die Schulbildung.
Eine Lösung des Wohnungsproblems durch die Regierung ist demnach nicht zu erwarten. Mit Protesten der Studierenden hingegen schon! Daher haben vor einigen Wochen einige Studierende aus Protest angefangen, demonstrativ in den städtischen Parks zu hausen, um auf das Problem hinzuweisen. Viele Studierende sind schlichtweg am Verzweifeln. Andere klammern sich an die Hoffnung, eine Arbeit zu finden, die sich mit den Studienplänen vereinbaren lässt, um die Miete zahlen zu können. Ein nicht unwesentlicher Teil muss seine Unizulassung einfrieren und ins elterliche Haus zurückkehren. Die Demonstranten fordern den Ausbau von öffentlichem, kostenlosen Wohnraum für Studierende für die Zeit ihres Studiums bis zur Deckung des Bedarfs sowie die Umwandlung der Studienkredite in Stipendien/BAföG.